Am Donnerstag verkündete der schwedische Verteidigungsminister Peter Hultqvist die Wiedereinführung der Wehrpflicht in diesem Sommer. Sie war 2010 abgeschafft worden. Gemäß dem Gesetzesvorschlag der rot-grünen Regierung soll sie für alle nach 1999 geborenen Staatsbürger – und damit erstmals auch für Frauen – gelten. Von den 100.000 betroffenen Schwedinnen und Schweden werden zunächst 13.000 zur Musterung einberufen. 4000 müssen ab 1. Juli den elfmonatigen Wehrdienst ableisten.
Der Regierungsbeschluss, der von allen Parteien, inklusive der schwedischen Linkspartei (!), unterstützt wird, ist eine Warnung für ganz Europa. Trotz zweier verheerender Weltkriege im 20. Jahrhundert rekrutiert selbst das bisher neutrale Schweden wieder Kanonenfutter für einen neuen großen Krieg.
Die Regierung wolle eine stabilere Art der Rekrutierung haben und die „militärischen Fähigkeiten ausweiten, weil die Sicherheitslage sich geändert hat,“ erklärte Hultqvist. „Wir hatten Schwierigkeiten, unsere Kriegsverbände auf freiwilligem Weg zu besetzen, und das müssen wir irgendwie beheben.“
Bereits Ende 2016 hatte Schwedens Zivilschutzbehörde MSB alle Gemeinden des Landes aufgefordert, sich für „den Kriegsfall“ zu rüsten. Man solle für mehr Schutzräume sorgen und auf keinen Fall Einsatzzentralen in Berghöhlen oder Ähnliches stilllegen. Wenige Tage später gab Ministerpräsident Stefan Löfven eine neue Sicherheitsstrategie gegenüber Russland und die Aufstockung des Wehretats bekannt. Man verstärke jetzt das „Militär nach vielen Jahren in die andere Richtung“.
Ähnlich besorgniserregende Entwicklungen finden in den großen imperialistischen Ländern statt. Auch in Deutschland wird der Verteidigungshaushalt angehoben, die Bundeswehr vergrößert und die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert. US-Präsident Donald Trump begründete die jüngste Aufstockung des US-Verteidigungshaushalts mit den Worten: „Wir müssen wieder Kriege gewinnen.“
In Europa richtet sich die massive Aufrüstung vor allem gegen Russland und dient immer deutlicher der Kriegsvorbereitung. Die Nato ist gegenwärtig dabei, Kampftruppen und Panzer nach Osteuropa zu verlegen und sogenannte Battlegroups in Litauen (unter Führung Deutschlands), Estland (Großbritannien), Lettland (Kanada) und Polen (USA) aufzustellen.
Führende Nato-Generäle fordern eine „grand strategy“ gegen Russland und drohen Moskau und dem russischen Präsidenten. In einem Interview mit der Financial Times erklärte der britische General und stellvertretende Nato-Oberbefehlshaber in Europa, Sir Adrian Bradshaw, am Donnerstag, Russland bleibe solange eine Bedrohung, wie Wladimir Putin an der Macht sei. Es könne „katastrophale“ Konsequenzen haben, falls der Westen gegenüber einem Gegner den Zusammenhalt verliere, der „alle Hebel der Macht in der Hand hält“.
Ebenfalls am Donnerstag bestätigten die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) den baltischen Staaten auf praktisch zeitgleichen Reisen die Bündnisverpflichtung der Nato.
Von der Leyen betonte auf der Airbase Ämari in Estland, es sei wichtig, „dass sich Estland und unsere Freunde in der Allianz in den vergangenen Jahren fest auf Deutschland und seine Zusagen verlassen konnten und dass sie sich auch in Zukunft fest auf Deutschland und seine Zusagen verlassen können.“ Und Gabriel erklärte im litauischen Rukla: „Die Sicherheit Estlands, Lettlands und Litauens ist gleichbedeutend mit der deutschen Sicherheit.“ Er sprach dort zu den ersten deutschen Kampftruppen, die seit dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion in Osteuropa stationiert sind.
Die Aussagen von Gabriel und von der Leyen unterstreichen, dass sich Berlin und die Nato verpflichtet haben, gegen die zweitstärkste Nuklearmacht der Welt in den Krieg zu ziehen, falls eine der notorisch antirussischen Regierungen in den baltischen Staaten einen Grenz-Konflikt mit Russland provoziert.
Artikel 5 des Nato-Vertrags legt fest, „dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere“ Parteien „als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird“ und „dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen … der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, … einschließlich der Anwendung von Waffengewalt“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die World Socialist Web Site hat vor wenigen Tagen die Frage gestellt, wie viele Todesopfer ein solcher Konflikt fordern würde. Mit großer Sicherheit viele Millionen, wenn nicht sogar Milliarden. Laut einem Gutachten der Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs würde bereits ein „begrenzter“ Atomkrieg zu mehr als einer Milliarde Todesopfern führen, hauptsächlich aufgrund schwerer Klimaveränderungen. Laut der amerikanischen National Academy of Sciences würde ein „uneingeschränkter Atomkrieg“ bis zu vier Milliarden Todesopfer fordern.
In den Jahren nach der Auflösung der Sowjetunion und dem angeblichen „Triumph“ des Kapitalismus galten solche Szenarien als Panikmache aus längst vergangen geglaubten Zeiten. Doch nun gelangt die herrschende Klasse, ähnlich wie am Vorabend des Ersten und Zweiten Weltkriegs, allmählich selbst zur Überzeugung, dass ein großer Krieg wieder wahrscheinlich oder sogar unvermeidlich ist, und spricht dies offen aus.
In einem Kommentar der deutschen Tageszeitung Die Welt mit dem Titel „Die Welt steht vor ihrem defining moment“ warnt der Historiker und Politikberater Michael Stürmer vor dem „längst nicht mehr undenkbaren Fall, dass die Bremsen versagen, die Kontrolle verloren geht“ und „Weltordnung nicht mehr ist als ein frommer Wunsch“. Die atlantische Welt sei „seit einem halben Jahrhundert niemals dem Krieg mit Russland – aus Versehen oder absichtlich – so nahe gewesen wie in der Gegenwart.“
Die Gefahr des von Stürmer heraufbeschworenen „defining“ oder besser „destructive moment“ kann nur durch den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung verhindert werden. In einer Erklärung mit dem Titel „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“ hat das Internationale Komitee der Vierten Internationale“ erklärt, auf welcher politischen Grundlage eine solch Bewegung aufgebaut werden muss.
- Der Kampf gegen Krieg muss von der Arbeiterklasse ausgehen, die als revolutionäre gesellschaftliche Kraft alle fortschrittlichen Teile der Bevölkerung hinter sich vereint.
- Die neue Bewegung gegen Krieg muss antikapitalistisch und sozialistisch sein, denn man kann nicht ernsthaft gegen Krieg kämpfen ohne danach zu streben, der Diktatur des Finanzkapitals und dem Wirtschaftssystem, das die Ursache für Militarismus und Krieg bildet, ein Ende zu setzen.
- Aus diesem Grund muss die neue Antikriegsbewegung unbedingt vollkommen unabhängig sein von allen politischen Parteien und Organisationen der Kapitalistenklasse und diese ablehnen.
- Vor allem muss die neue Antikriegsbewegung international sein und dem Imperialismus in einem vereinten globalen Kampf die enorme Kraft der Arbeiterklasse entgegenstellen.