Heftiger Dauerregen hat in weiten Teilen Mitteleuropas zu katastrophalen Überflutungen geführt. Österreich, Tschechien, Polen und Rumänien sind am heftigsten von den Fluten betroffen. 16 Menschen starben bislang, rund 250.000 Haushalte waren zeitweise ohne Strom. Tausende mussten evakuiert werden, obwohl die Höchststände der Flusspegel erst für Wochenmitte erwartet werden.
Besonders heftig betroffen waren Gebiete in Tschechien. Im Raum der Großstadt Ostrava, nahe der polnischen Grenze, brachen mehrere Deiche. In der rund 285.000 Einwohner zählenden Stadt fließen mehrere Flüsse, darunter die Oder, zusammen.
Ganze Siedlungen mussten mit Schlauchboten evakuiert werden. Insgesamt mussten im Land über 10.000 Menschen evakuiert werden, erklärten offizielle Stellen gegenüber dem Tschechischen Fernsehen. Der Bahnverkehr von und nach Prag und in Richtung Polen ist vollständig unterbrochen. Ein Kraftwerk musste abgeschaltet werden. Neben der Strom- und Mobilfunkversorgung brach auch die Trinkwasserversorgung vorübergehend zusammen.
Die Stadt Litovel, rund 200 Kilometer östlich von Prag, wurde fast vollständig überschwemmt. Sämtliche Einrichtungen wurden geschlossen und das öffentliche Leben kam vollständig zum Erliegen. Bis zum Montag ertrank ein Mensch in den Fluten, mindestens sieben weitere werden noch vermisst.
Die Regierung in Warschau rief den Katastrophenzustand aus. An mehreren Orten in Polen ist mehr Regen niedergegangen als bei der sogenannten Jahrtausendflut im Jahr 1997.
Bislang kamen fünf Menschen in Polen ums Leben, mehrere weitere gelten als vermisst. Die Stadt Klotzko wurde am Wochenende nach dem Bruch eines Staudamms von einer Flutwelle erfasst. In Teilen der überfluteten Gebiete ist die Stromversorgung unterbrochen, der Zugverkehr kam fast im ganzen Land vollständig zum Erliegen. In der Region Oppeln musste ein Krankenhaus komplett evakuiert werden.
Polens Regierungschef Donald Tusk kündigte Soforthilfen in Höhe von einer Milliarde Zloty (230 Millionen Euro) an. Dies ist nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein angesichts der immensen Schäden, die bei weitem noch nicht beziffert werden können. Polen steckt über vier Prozent des BIP in militärische Aufrüstung. Allein im letzten Jahr flossen 32 Milliarden Euro in militärische Zwecke.
Auch Österreich hat mit den stärksten Überschwemmungen seit Jahrzehnten zu kämpfen. Vor allem Niederösterreich, aber auch die Steiermark, Oberösterreich und das nördliche Burgenland sind betroffen.
Rund 30.000 Einsatzkräfte sind allein in Niederösterreich im Dauereinsatz. Für das Bundesland wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Zwei Menschen in den Bezirken St. Pölten-Land und Korneuburg ertranken, nachdem ihre Häuser von den Wassermassen eingeschlossen wurden. Ein Feuerwehrmann kam in einem Keller bei Abpump-Arbeiten ums Leben.
Am Montagabend mussten hunderte Einwohner von Ortschaften nahe der Hauptstadt Wien evakuiert werden, nachdem Dämme gebrochen waren. In Wien selbst kam es durch Überflutungen zu Ausfällen der U-Bahn und des Stromnetzes. Nur aufgrund nachlassender Regenfälle blieben bislang schlimmere Folgen für die Stadt an der Donau aus.
Aus Rumänien wurden bislang offiziell sieben Todesopfer gemeldet. Zahlreiche Menschen werden noch vermisst. Betroffen waren vor allem Regionen in den Karpaten im Osten des Landes. Bis Sonntag galt hier die höchste Hochwasser-Warnstufe. Mehrere abgelegene Dörfer waren völlig abgeschnitten. Menschen mussten von ihren Hausdächern geborgen werden.
Ungarn hat für die Hauptstadt Budapest die höchste Hochwasser-Warnstufe ausgerufen. Die Uferstraßen entlang der Donau wurden für den Verkehr gesperrt. Experten erwarten den höchsten Pegelstand in der zweiten Wochenhälfte. Ministerpräsident Victor Orban sagte aufgrund der angespannten Lage geplante Termine im Ausland ab. Innenminister Sándor Pintér erklärte, 12.000 Soldaten stünden zum Einsatz bereit.
In der slowakischen Hauptstadt Bratislava, rund 70 Kilometer von Wien entfernt, befinden sich ebenfalls Einsatzkräfte in höchster Alarmbereitschaft, da die Stadt ebenfalls einen Rekordpegel der Donau erwartet.
Während das Sturmtief Boris, welches die enormen Niederschläge mit sich brachte, durch das eher ungewöhnliche Zusammenfallen von polarer Luft und warmer, feuchter Luft aus dem ungewöhnlich heißen Mittelmeerraum verursacht wurde, liegen die tieferen Ursachen in dem dramatisch fortschreitenden Klimawandel.
So zeigten sich Klimaforscher von den Auswirkungen der jüngsten Ereignisse wenig überrascht. „ Die katastrophalen Regenfälle in Mitteleuropa sind genau das, was Wissenschaftler aufgrund des Klimawandels erwarten,“ zitiert der Guardian Joyce Kimutai vom Imperial College London Grantham Institute.
Auch Climameter, ein von der Europäischen Union und der französischen Forschungsorganisation CNRS finanziertes Forschungsprojekt, führt die „starken Niederschläge, die zu den Überschwemmungen in Mitteleuropa führten“, größtenteils auf den Klimawandel zurück.
Die Überschwemmungen sind Teil der Extremwetterereignisse, die weltweit immer häufiger und schwerer werden. Auch in Zentral- und Westafrika leidet die Bevölkerung gegenwärtig unter extremen Überschwemmungen. In Mali, Libera und Nigeria kamen nach offiziellen Angaben rund 1000 Menschen in den Fluten ums Leben, die tatsächliche Zahl dürfte weit höher sein. Gleichzeitig leidet der Süden des Kontinents unter einer historischen Dürre.
In Südostasien hat der Taifun Yagi weite Teile von Vietnam, Laos, Thailand und Myanmar überzogen. Hunderte Menschen starben, und die Folgen sind in den von Armut geprägten Regionen noch nicht auszumachen.
Dabei ist der Klimawandel letztlich menschengemacht und einem Wirtschaftssystem geschuldet, das Profitstreben über Menschenleben stellt. Obwohl der Klimawandel und die Erderwärmung die Wettermuster drastisch verändern, weigern sich die Regierungen, ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, um die verheerenden Auswirkungen dieser schon lange vorhergesagten Katastrophen zu verringern.
Stattdessen kürzen alle Regierungen in Europa Gelder für Katastrophen- und Umweltschutz, Infrastruktur und Gesundheitsversorgung und finanzieren damit die militärische Aufrüstung für den Krieg gegen Russland. Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz die Hochwasser in den Nachbarländern „bedrückend“ nennt und Hilfe verspricht, sind das nur zynische Lippenbekenntnisse.
Während der Verteidigungshaushalt enorm aufgebläht wurde, sind im Haushalt 2024 für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe lächerliche 550 Millionen Euro veranschlagt, zehn Millionen Euro weniger als im vorherigen Haushalt.