Nur wenige Stunden, nachdem das Arbeitsgericht Frankfurt einen geplanten Solidaritätsstreik der Fluglotsen am Frankfurter Flughafen zur Unterstützung ihrer Kollegen von der Vorfeldkontrolle verboten hatte, traf dasselbe Gericht eine weitere Entscheidung und verbot auch den Streik der Vorfeldlotsen.
Zahlreiche Vorfeld-Beschäftigte, die im Gerichtssaal anwesend waren, reagierten geschockt auf das Urteil. Sie waren empört über diesen Angriff auf ihr Grundrecht auf Streik. Unter dem Eindruck der aufgebrachten Arbeiter kündigte die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) für beide Gerichtsentscheidungen Berufung an. Später relativierte sie diese Entscheidung und sprach davon, dass sie möglicherweise auf diesen Schritt verzichten werde.
Das Gericht gab in beiden Fällen der Klage des Flughafenbetreibers Fraport und der Lufthansa statt und entschied zu ihren Gunsten.
Im ersten Urteil ging es um den geplanten Solidaritätsstreik der Fluglotsen im Tower. Dieser war als zeitlich und personell strikt begrenzter Streik geplant. Die GdF hatte für Mittwochmorgen die Frühschicht der Towerlotsen (12 Personen) von fünf Uhr bis elf Uhr zum Streik aufgerufen. Trotzdem entschied das Gericht, der Streik sei „unverhältnismäßig und daher rechtswidrig“.
Arbeitsrichter Matthias Kreutzberg-Kowalczyk begründete diese Entscheidung damit, dass der Solidaritätsstreik der Towerlotsen größere Auswirkung und damit schwerwiegendere Folgen für den Flughafenbetreiber gehabt hätte als der eigentliche Hauptstreik der Vorfeldarbeiter.
Seit zwei Wochen befinden sich die Vorfeldlotsen in einer Streikauseinandersetzung mit dem Flughafenbetreiber Fraport AG, um deutlich höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Ohne die Arbeit der Vorfeldlotsen sind keine Starts- und Landungen am Flughafen möglich. Durch den systematischen und langfristig geplanten Einsatz von Streikbrechern gelang es Fraport allerdings, die Folgen des Streiks auf den Ausfall von etwa 200 Flügen von ca. 1200 Flügen pro Tag zu begrenzen.
Der geplante Solidaritätsstreik der Fluglotsen bei der Deutschen Flugsicherung (DFS), die wie die Vorfeldlotsen auch in der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) organisiert sind, war die Antwort der GdF auf den Einsatz der Streikbrecher durch den Flughafenbetreiber. Ihr Streik alleine hätte zum zusätzlichen Ausfall von 400 Flügen geführt, weil ihre Arbeit durch niemanden zu ersetzen ist.
Das Urteil ist Teil einer Strategie, die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) zu zerschlagen. Erst setzt der Flughafenbetreiber uneingeschränkt Streikbrecher ein und kann sich dabei sogar über Sicherheitsstandards hinwegsetzen, die er selbst zu kontrollieren hat. Er erreicht damit, dass der Streik nur begrenzte Wirkung hat. Dann verbietet ein Gericht einen befristeten Solidaritätsstreik mit der Begründung, dass er mehr Wirkung habe als der Hauptstreik und daher illegal sei.
Medienberichte machen deutlich, dass das nicht immer so war. „Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat im Jahr 2009 einen vergleichbaren Solidaritätsstreik der Fluglotsen am Stuttgarter Flughafen zugunsten der Vorfeldmitarbeiter für zulässig gehalten“, zitiert die Frankfurter Rundschau den Juristen Adam Sagan an der Uni Köln.
Mittwochfrüh folgte der nächste Schlag gegen die GdF. Derselbe Arbeitsrichter verbot nun auch noch den vorläufig bis Donnerstagmorgen terminierten Hauptstreik der Vorfeldbeschäftigten des Flughafens selbst. Wiederum folgte das Gericht einem Eilantrag von Fraport und Lufthansa und übernahm ihre Argumente. Zur Begründung erklärte Richter Kreutzberg-Kowalczyk, die Gewerkschaft habe mit dem Ausstand erstens die Friedenspflicht verletzt (was sich auf eine völlig nebensächliche Formalie stützte), und zweitens neben dem Arbeitgeber Fraport auch dem Hauptkunden des Flughafens, der Lufthansa, unverhältnismäßigen Schaden zugefügt.
Mit diesem Argument kann aber nahezu jeder Streik illegalisiert werden, denn jeder Streik hat Auswirkungen auf Dritte, egal ob dies Endverbraucher oder Weiterverarbeiter sind.
Kurz vor der Urteilsverkündung hatte der Richter noch angeregt, auf ein Urteil zu verzichten, da der Streik ja sowieso nicht mehr lange dauern werde, und stattdessen die Tarifgespräche wieder aufzunehmen. Aber Fraport und Lufthansa bestanden auf einem Urteil. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass es ihnen nicht um die Lösung des Tarifkonflikts geht, sondern darum, die GdF in die Knie zu zwingen.
In einer kurzen Stellungnahme unmittelbar nach der Urteilsverkündung erklärte der Vorsitzende der GdF, Michael Schäfer, es gehe inzwischen offenbar nicht mehr nur um den Streik am Frankfurter Flughafen, sondern darum, überhaupt gegen die kleinen Branchengewerkschaften vorzugehen.
Auf die Frage eines WSWS-Reporters erklärte Schäfer, er habe diesen Eindruck schon am vergangenen Freitagabend, vor dem Scheitern der wieder aufgenommenen Tarifverhandlungen, gewonnen. Nach seiner Meinung hätte es der Sache nach da schon einen Abschluss geben können, aber Fraport habe offensichtlich keine Einigung gewollt.
Unmittelbar vor der Gerichtsentscheidung hatte die GdF-Spitze die Fraport-Geschäftsleitung erneut um Verhandlungen für alle rund 200 Vorfeldleute gebeten und dafür auch eine vierwöchige Streikpause angeboten. Doch der Flughafenbetreiber reagierte abweisend. Arbeitsdirektor Herbert Mai erklärte provokativ, er sehe gegenwärtig keinen Grund für übereilte Verhandlungen.
Statt Verhandlungen kündigten Fraport und Lufthansa nach der Urteilsverkündung einen weiteren Schlag gegen die GdF an. Sie wollen die Gewerkschaft auf Schadenersatz in „zweistelliger Millionenhöhe“ verklagen. Bereits an diesem Donnerstag wird in Frankfurt über eine Klage der Airlines Ryanair, Lufthansa und Air Berlin verhandelt, die mehr als drei Millionen Euro Schadensersatz für GdF-Streikdrohungen aus dem vergangenen Sommer verlangen.
Außerdem meldete sich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zu Wort und schlug eine gesetzliche Neuregelung für kleine Gewerkschaften vor. Es sei lange unvorstellbar gewesen, „dass so was wie in Frankfurt passiert“ und 200 Beschäftigte einen internationalen Flughafen lahmlegen könnten, sagte sie. Bisher habe es das Einverständnis gegeben, dass in einem Betrieb immer nur ein Tarifvertrag gelte. Dies habe in der Vergangenheit gut funktioniert. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass „eine ganz kleine Gewerkschaft“ nicht nur einen Betrieb lahmlegen könne, sondern auch „massive volkswirtschaftliche, auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen“ habe, sagte von der Leyen.
Es wird immer deutlicher, dass der Streik der Vorfeldlotsen in Frankfurt benutzt wird, um die GdF zu zerschlagen und ein Exempel für alle anderen kleinen Gewerkschaften zu statuieren. Dabei arbeiten Fraport und die Arbeitgeberverbände mit der Regierung und Verdi zusammen, um das Tarifdiktat der DGB-Gewerkschaften durchzusetzen.