Am Donnerstag, den 18. September 2014, fand das Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien statt. Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 85 Prozent sprachen sich 55 Prozent gegen eine Loslösung Schottlands von Großbritannien aus. Wir dokumentieren im Folgenden den Aufruf der Socialist Equality Party (Großbritannien), die am Wahltag zu einem Nein-Votum aufrief.
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Die Socialist Equality Party (Großbritannien) ruft dazu auf, beim schottischen Unabhängigkeitsreferendum ein klares Nein einzulegen. Wir stützen uns dabei auf das grundlegende Prinzip der Einheit der internationalen Arbeiterklasse.
Diese Haltung hat nicht das Geringste mit der offiziellen Nein-Kampagne “Better Together“ zu tun. Wir stehen dieser wirtschaftsfreundlichen Allianz aus Kriegstreibern und Sparpolitikern, die unisono den britischen Staat verteidigen, mit offener Feindschaft gegenüber.
Wir treten für einen revolutionären Kampf der Arbeiterklasse gegen alle Repräsentanten des britischen Imperialismus und der Finanzoligarchie ein. Wir kämpfen für eine Arbeiterregierung und ein sozialistisches Großbritannien.
Dies ist für uns nicht vom Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu trennen.
In gleicher Weise lehnen wir sämtliche Tendenzen ab, die sich hinter die Scottish National Party (SNP) gestellt haben und einen kapitalistischen schottischen Staat schaffen wollten. Die Wut über die herrschende Elite mit nationalem Separatismus zu beantworten, kann nur in die Sackgasse führen.
Ein schottischer Staat stände nicht weniger im Sold der Banken und Großkonzerne als der britische. Ein schottischer Staat würde zu einem verrückten Wettlauf um die schlechtesten Bedingungen führen. Die Regierungen in Westminster und Holyrood würden in den Wettbewerb eintreten, wer die Unternehmenssteuern am stärksten senkt und die Löhne und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse am meisten verschlechtert.
Unter dem Gesichtspunkt der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse haben die pseudolinken britischen Gruppen in der Referendumskampagne die reaktionärste Rolle gespielt. Sie haben sich alle hinter die SNP gestellt und versucht, ihre rechte Politik in ein pseudosozialistisches Gewand zu kleiden.
Ihr zwanghaftes Beharren auf Schottlands “Recht auf Selbstbestimmung” kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Tendenzen nicht das Geringste mit dem Marxismus, dem Sozialismus oder der Arbeiterklasse zu tun haben. Sie sind erbitterte Feinde der arbeitenden Bevölkerung, und ihre Perspektive ist konterrevolutionär.
Die Pseudolinken übernahmen die Rolle, Arbeiter, die nie auf die Idee gekommen wären, sich hinter die SNP zu stellen, in das Lager der Befürworter zu locken. Colin Fox, der Führer der Scottish Socialist Party (SSP) prahlte im Sunday Herald: „Die SSP hat den Befürwortern sehr genützt, und die Befürworter haben der SSP sehr genützt…“
Im Gegenzug erwarteten sie Posten in einer neuen schottischen Regierung. Der Herald erklärte, Fox erwarte im Fall der Unabhängigkeit, dass die SSP „im innersten Zirkel der Verhandlungsdelegation mit London dabei sein“ werde.
Wenn es je eine „Bande von Schurken in einem Land“ gegeben hat, die sich an den Meistbietenden verkauft, dann sind das die Pseudolinken. Es gibt keine Linie, die sie nicht überschreiten würden.
Sie tun grundsätzlich jede Aussicht auf Sozialismus in England als Phantasterei ab. Aber wenn ein vereinter Kampf für Sozialismus in Großbritannien unmöglich ist, dann ist er auch nirgendwo sonst möglich.
Socialist Resistance (SR), die britische Sektion des pablistischen Vereinigten Sekretariats, erklärte das in der jüngsten Ausgabe von International Viewpoint unmissverständlich. Sie schreiben: „Teile der Linken, die für eine Ablehnung des Referendums eintreten, tun so, als ob es keine Spaltungen in der Arbeiterklasse gäbe, und als ob die Befürwortung der Unabhängigkeit solche Spaltungen künstlich, von außen herein trügen.“
Sie betonen: “Arbeiter sind in aller Welt durch Rassismus, Sexismus, Homophobie gespalten”, und dann erklären sie: “Einheit der Arbeiterklasse ist ein dynamisches Konzept, kein statisches. Sie muss erkämpft werden, sie hat ihre Höhen und Tiefen.“
Socialist Resistance vermeidet sorgfältig, den Nationalismus als wesentlichen Mechanismus zu benennen, durch den Spaltungen in die Arbeiterklasse getragen werden, weil sie genau diesen verbreiten. Sie tun das im direkten Bündnis mit der Bourgeoisie. Aber wenn das in Schottland legitim ist, dann ist es überall legitim.
In den letzten drei Jahren haben sich die Pseudolinken mit imperialistischen Militäraktionen in Libyen und Syrien solidarisiert und ihre Unterstützung für den von der CIA organisierten und von den USA finanzierten Putsch in der Ukraine bekundet. Dabei haben sie sich offen an die Seite faschistischer Schläger und Mörder gestellt.
In der gleichen Ausgabe des International Viewpoint, in dem die nationalistische Hetze des SR ausgewalzt wird, wird auch berichtet, dass die Pseudolinken auch bei der jüngsten Regimewechsel-Operation des amerikanischen und britischen Imperialismus und ihren Verbündeten aufs Trittbrett aufgesprungen sind, diesmal in Syrien.
Michael Voss erläutert, er habe als “revolutionärer Marxist” im dänischen Parlament gemeinsam mit den anderen Abgeordneten der Rot-Grünen Allianz (RGA) dafür gestimmt, ein Hercules-Transportflugzeug voller Militärhilfe in den Irak zu schicken. Die Fracht ist für die vom Westen unterstützten kurdischen Milizen bestimmt, die gegen den Islamischen Staat (IS) kämpfen.
Wie er zugibt, war jedem in der Führung und in der Fraktion der RGA vollkommen klar, dass “der US-Imperialismus die Verantwortung für die religiös motivierten Kämpfe in der Region trägt”. Nichtsdestoweniger betonte er: „In der Frage des Kampfs gegen den IS gibt es eine vorübergehende Interessen-Übereinstimmung zwischen dem Imperialismus und Sozialisten.“
Wo und wann wird die nächste “vorübergehende Übereinstimmung“ zwischen den Interessen der Pseudolinken und dem Imperialismus auftauchen? Diese Gruppen vertreten eine Schicht raffgieriger Kleinbürger, die von ihrem Aufstieg in die Macht-Korridore so besoffen sind, dass sie keinen Blick mehr für die politischen Implikationen ihres Handelns haben.
Schon in Jugoslawien, und jetzt auch in der Ukraine, wurde bewiesen, dass Nationalismus ein Rezept für Katastrophen ist. Würden sich die Pseudolinken in Schottland durchsetzen, und sollten sie zum Modell für andere werden, dann könnte die Landkarte Europas bald wieder so aussehen wie im Mittelalter.
Und was wäre das Ergebnis von Separatismus in Indien, Afrika, Asien und selbst in Nordamerika? Nicht der Imperialismus würde geschwächt, wie sie behaupten. In Wirklichkeit hat die Geschichte wieder und wieder bewiesen, dass die Großmächte solche Spaltungen immer im Sinne ihrer Klasseninteressen ausnutzen.
Am 100. Jahrestag des ersten Weltkriegs und am 75. Jahrestag des Zweiten Weltkriegs sollte niemand die Bedeutung des Nationalismus und Separatismus der Pseudolinken unterschätzen. Der Kampf gegen diese Tendenzen stand in der gesamten Geschichte der sozialistischen Bewegung immer im Zentrum: Zuerst war es der Kampf gegen die Sozialdemokratie, und später der gegen den Stalinismus, denn beide wollten die Arbeiterklasse mit dem Nationalstaat versöhnen.
Die SEP steht in der proletarischen internationalistischen Tradition von Marx, Engels, Lenin und Trotzki. Unter den Bedingungen immer größerer Kriegsgefahr und einer explosionsartigen Entwicklung des imperialistischen Militarismus’ fordern wir die Arbeiter und Jugendlichen von Schottland, England und Wales auf, die Socialist Equality Party als ihre revolutionäre Führung aufzubauen.