Österreich schafft Asylrecht ab

Die österreichische Regierung reagiert auf den Erfolg der Freiheitlichen Partei (FPÖ) bei der ersten Runde der Präsidentenwahl, indem sie deren rechtsextreme Politik übernimmt und sie dadurch weiter stärkt.

Die Koalition aus Volkspartei (ÖVP) und Sozialdemokraten (SPÖ) hat am Mittwoch im Eiltempo ein Gesetz durchs Parlament gebracht, das das Recht auf Asyl praktisch abschafft. Die Regierung kann nun den Notstand ausrufen, wenn „die öffentliche Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit“ wegen hoher Flüchtlingszahlen nicht mehr gewährleistet sind. Praktisch bedeutet das: Wenn die von der Regierung selbst festgelegt Obergrenze von 37.500 Migranten im Jahr erreicht ist.

Flüchtlinge werden dann nicht mehr ins Land gelassen. Asylanträge werden in einem einstündigen Schnellverfahren an der Grenze geprüft und nur noch genehmigt, wenn der Antragssteller beweisen kann, dass ihm in seiner Heimat Folter droht, oder wenn engste Verwandte in Österreich leben. Alle anderen werden unmittelbar zurückgewiesen.

Der Notstand ist zunächst auf sechs Monate befristet, kann aber mehrfach auf bis zu zwei Jahre verlängert werden.

Die Gesetzesänderung sieht außerdem vor, dass Flüchtlinge unabhängig von der Notstands-Regelung nur noch Schutz für drei Jahren erhalten. Danach werden die Asylgründe erneut überprüft. Auch der Familiennachzug wird deutlich erschwert. Zudem wird die Bearbeitungszeit für Asylanträge von sechs auf 15 Monaten erhöht.

Die Anzahl der Asylanträge in Österreich ist aufgrund früherer radikaler Abwehrmaßnahmen bereits deutlich zurückgegangen. Wurden im letzten November noch 12.000 Anträge gestellt, waren es im Februar nur noch 5.000.

Die Große Koalition in Wien schottet außerdem nach der östlichen Grenze zu Ungarn nun auch die südliche zu Italien hermetisch ab. Auf dem Brennerpass, einer der wichtigsten Verkehrsadern Europas, errichtet sie einen 370 Meter langen, vier Meter hohen Zaun und drei Kontrollpunkte an der Autobahn aus Richtung Italien. Ein weiterer Kontrollpunkt entsteht auf der Bundesstraße. Züge, die die Grenze von Italien nach Österreich passieren, werden ebenfalls kontrolliert.

Der Tiroler Landespolizeidirektor Helmut Tomac gab bekannt, dass die Grenzkontrollen am Brenner jederzeit rund um die Uhr starten können. Der neue österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) erklärte, man sei dabei, Warteräume und Registrierungszentren einzurichten. Österreich wolle nicht von unkontrollierten Flüchtlingsströmen überrascht werden.

„Laut unseren Informationen sind zwischen 200.000 und einer Million potenzieller Migranten bereit, sich von Libyen auf den Weg nach Europa zu machen“, behauptete Sobotka, ohne diese Angaben näher belegen zu können. Der Innenminister machte deutlich, dass er den rigorosen Kurs seiner Vorgängerin Johanna Mikl-Leitner fortsetzen wird. Er verteidigte die Abschottung gegenüber Flüchtlingen mit der Begründung: „Die Sicherheitsinteressen des Landes gehen vor.“

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte, man wolle nach der Balkanroute nun auch die Südroute sichern. „Wenn klar ist, dass der Weg nach Mitteleuropa nicht mehr offen ist, dann wird es auch weniger Menschen geben, die ein Interesse haben, nach Mitteleuropa zu kommen“, so Kurz. Österreich hatte im vergangenen Jahr Druck auf die Staaten des ehemaligen Jugoslawien gemacht, die so genannte Balkanroute dicht zu machen, um den Flüchtlingsstrom Richtung Österreich zu unterbinden.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) warnt vor der Gefahr, dass der Brenner im Fall einer Grenzschließung zu einem „neuen Idomeni“ werden könnte. Der griechische Ort ist zum Synonym für die menschenverachtende Flüchtlingspolitik der Europäischen Union geworden. „Wenn wir nicht legale und sichere Wege schaffen, dank denen die Flüchtlinge nach Europa gelangen können, könnte es zu unglaublichen Situationen kommen,“ warnte die Organisation.

Im Parlament haben die SPÖ und die ÖVP die Verschärfung des Asylrechts einhellig unterstützt. Die rechtsextreme FPÖ wollte noch weiter gehen. Sie forderte für den Zuzug von Flüchtlingen eine Obergrenze „Null“.

Lediglich die Grünen lehnten die Gesetzesänderung im Parlament ab. Ihnen geht es aber nicht ums Asylrecht, sondern um den Erhalt der Europäischen Union, den sie durch die nationale Abschottung des Landes gefährdet sehen.

Die italienische Regierung protestierte gegen die österreichischen Abschottungsmaßnahmen. Ministerpräsident Matteo Renzi erklärte, sie verstießen eklatant gegen EU-Regeln. Die Präsidentin der italienischen Abgeordnetenkammer Laura Boldrini sagte, sie seien unüberlegt, weil sie spalteten. Innenminister Angelino Alfano warnte vor der Schließung des Brenners mit den Worten: „Die Zukunft Europas steht auf dem Spiel.“

Unterstützung erhielt die österreichische Regierung dagegen von der extremen Rechten. Der Präsident der Region Lombardei, Roberto Maroni von der ausländerfeindlichen Lega Nord, sagte: „Österreich tut lediglich, was normale Länder tun: Es kontrolliert seine Grenzen. Wir sind die einzigen, die uns überrascht zeigen, wenn Österreich das tut, was seinen Bürgern von Nutzen ist.“

Mit ihrer rechten Politik spielt die Wiener Regierung den reaktionärsten Kräften in die Hände. Auch der Grüne Alexander Van der Bellen, der am 22. Mai zur Stichwahl um das Präsidentenamt gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer antritt, setzt diesem nichts Grundsätzliches entgegen. In einer Diskussionsrunde, die von Ö1 live übertragen wurde, waren sich beide einig, dass das Schlagwort „Heimat“, unter dem Van der Bellen seinen Wahlkampf führt, positiv besetzt sei.

Van der Bellen erklärte, er halte Grenzen am Brenner für überflüssig, weil Italien alle europäischen Auflagen erfülle. Gleichzeitig betonte er – in Übereinstimmung mit Hofer –, dass Wirtschaftsflüchtlinge angesichts der hohen Arbeitslosigkeit weiter strikt abgewiesen werden müssen.

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