Wije Dias, der Generalsekretär der Socialist Equality Party (Sri Lanka), hielt im Rahmen der internationalen Online-Maiversammlung die folgende Rede.
Die arbeitende Bevölkerung auf dem indischen Subkontinent muss an der Seite ihrer Klassengenossen in aller Welt eine führende Rolle im Kampf gegen imperialistischen Krieg übernehmen.
Die Ereignisse zum 11. September 2001 wurden nie aufgeklärt, aber die USA nahmen sie zum Vorwand, Afghanistan zu überfallen. Seither sind Südasien und der Indische Ozean immer tiefer in den Strudel der Geopolitik und in den Kampf zwischen den globalen Großmächten hineingezogen worden.
Für die Strategen des US-Imperialismus ist Südasien die verwundbare Stelle Eurasiens. Es spielt eine wichtige Rolle für die Ausübung seiner Macht vom ölreichen Nahen Osten und Zentralasien über den Himalaja hinweg bis nach China.
Für die Kriegsplaner im Pentagon ist die Vorherrschaft im Indischen Ozean für die amerikanische Beherrschung der Welt von entscheidender Bedeutung. Diese Region hat laut einer Studie des US-Naval War College den Nordatlantik als zentrale Arterie des Welthandels abgelöst. Sie hat diese Bedeutung, weil die USA im Falle eines Krieges oder eines drohenden Krieges an strategischen Engstellen eine Wirtschaftsblockade gegen China verhängen wollen. Außerdem ist der Indische Ozean wichtig für militärische Operationen der USA im Nahen Osten und in Ostafrika.
Washingtons Machtpolitik und die Ausdehnung seiner militärisch-strategischen Rolle in der Region sind inzwischen ein wesentlicher Faktor für die Innenpolitik eines jeden Landes in Südasien. Sie beeinflusst ihre Klassendynamik – von den winzigen Malediven bis hin zu den Atommächten Indien und Pakistan.
Afghanistan ist schon seit fünfzehn Jahren von den USA besetzt.
In Pakistan hat die Washingtoner Regierung das Militär ermutigt, die zivile Regierung des Landes an den Rand zu drängen. Das pakistanische Militär führt Krieg in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan. Es hält die wichtigste Stadt, Karatschi, besetzt und führt im Pandschab, der bevölkerungsreichsten Provinz des Landes, Militärmanöver durch.
Letztes Jahr sorgte Washington dafür, dass der srilankische Präsident Mahinda Rajapakse in die Wüste geschickt wurde. Die USA zogen die Fäden, als ein führender Minister des Rajapakse-Regimes, Maithripala Sirisena, aus der Regierung austrat und sich dann als gemeinsamer Oppositionskandidat für das Präsidentenamt aufstellen ließ. Die USA hatten Rajapakse noch voll unterstützt, als er Krieg gegen die tamilische Minderheit führte, aber sie wollten nicht hinnehmen, dass er zwischen Washington und Peking zu balancieren versuchte. Innerhalb weniger Monate nach Rajapakses Sturz besuchte US-Außenminister Kerry Sri Lanka. Kurz zuvor hatte Colombo einem amerikanisch-srilankischen Partnerschaftsdialog zugestimmt. Es war der erste Besuch eines amerikanischen Außenministers in Sri Lanka überhaupt.
Aber der Dreh- und Angelpunkt für die amerikanischen Bemühungen, Südasien für seinen Kampf um die Weltherrschaft einzuspannen, ist Indien. Nach allen Maßstäben ist Indien ein armes Land. Dreiviertel der Bevölkerung fristen ihr Dasein mit weniger als zwei Dollar am Tag. Aber für Washington ist es ein „strategisch wichtiges Land“.
Der Chef des US Pacific Command, Admiral Harris, zeigte sich jüngst „begeistert über die Möglichkeiten, die eine strategische Partnerschaft“ zwischen Indien dem US-Imperialismus bietet. Er schlug gemeinsame amerikanisch-indische Patrouillen im Südchinesischen Meer vor.
In der indischen Bourgeoisie hat Washington einen willfährigen Komplizen gefunden. Die korrupte indische Bourgeoisie hofft, dass es ihren eigenen Großmachtambitionen nützt, wenn sie den USA als Statthalter dient.
In Indien regiert seit zwei Jahren die Regierung von Narendra Modi, dessen BJP für die Vorherrschaft der Hindus eintritt. Modis Regierung macht Indien zum Frontstaat in den amerikanischen Kriegsvorbereitungen gegen China. Sie plappert die Lügen Washingtons nach, dass China im Südchinesischen Meer der Aggressor sei. Sie hat auch begonnen, gemeinsam mit dem Pentagon neue Waffensysteme zu entwickeln, und vertieft die dreiseitigen Beziehungen mit Japan und Australien, den wichtigsten Verbündeten der USA in der indopazifischen Region.
Vergangenen Monat hat die BJP-Regierung erklärt, sie sei „im Prinzip einverstanden“ mit einem neuen Abkommen mit Washington, das Indiens Militärstützpunkte und -häfen für amerikanische Flugzeuge und Schiffe öffnen wird, damit sie dort zwischenlanden, auftanken und sich neu bewaffnen können.
In Südasien und auf der ganzen Welt geht der US-Imperialismus extrem rücksichtslos vor. Er gießt in einer Region Öl ins Feuer, die heute schon nach Ethnien, Volksgruppen und Kasten gespalten ist, ein Erbe der Kolonialherrschaft und der blutigen Teilung von 1947. Damals spalteten die rivalisierenden Flügel der aufstrebenden nationalen Bourgeoisie den Subkontinent in ein muslimisches Pakistan und ein hinduistisches Indien auf.
Die Schützenhilfe aus Washington bestärkt Modi in seiner aggressiven Behauptung, Indien sei der regionale Hegemon. Seit fünf Monaten hält er eine Blockade gegen Nepal aufrecht, die Malediven hat er zur Erklärung genötigt, Indien sei ihr „wichtigster Freund“, und das indische Militär weist er an, Pakistan für angebliche Grenzverletzungen bezahlen zu lassen, was hohe Verluste zur Folge hat.
Was Pakistan angeht, so hat es wiederholt vor den Folgen der großzügigen Bewaffnung Indiens durch die USA gewarnt, weil diese Waffensysteme die Region aus dem Gleichgewicht bringen. Weil Washington diese Warnungen bedenkenlos missachtet, macht Islamabad jetzt taktische Atomwaffen gefechtsbereit.
In Südasien, wie auf der ganzen Welt, sind die Massen gegen Krieg eingestellt, aber eine Antikriegsbewegung gibt es nicht.
In Sri Lanka haben die Pseudolinken die Regime-Change-Operationen der USA unterstützt und die Lüge verbreitet, Sirisena sei ein Kandidat der Demokratie. Dabei war Sirisena noch bis kurz vor der Präsidentschaftswahl ein getreuer Anhänger Rajapakses.
Die wichtigste Rolle bei der Unterdrückung der rasch wachsenden indischen Arbeiterklasse spielen die indischen Stalinisten. In den letzten 25 Jahren haben die Kommunistische Partei und ihre Linksfront eine Reihe von Regierungsinitiativen unterstützt, um Indien in einen Billiglohnpool für das Weltkapital zu verwandeln und das Land zum „strategischen Partner“ Washingtons zu machen.
Heute benutzen die Stalinisten die Verbrechen der BJP, die Kommunalismus schürt und für das Militärabkommen mit den USA wirbt, als Ausrede, um die Arbeiterklasse der indischen Bourgeoisie und dem indischen Staat noch vollständiger unterzuordnen. Sie befürworten eine noch engere Allianz mit der Kongresspartei – das heißt, mit der traditionellen Regierungspartei der indischen Bourgeoisie. Die Kongresspartei hat sich im letzten Vierteljahrhundert am stärksten für die investorenfreundliche Umstrukturierung Indiens eingesetzt und die indisch-amerikanische Allianz geschmiedet.
Die gesamte Geschichte Südasiens der letzten hundert Jahre beweist den durch und durch reaktionären Charakter all dieser Bündnisse mit den angeblich progressiven oder demokratischen Fraktionen der Bourgeoisie. Diese Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, dass die Arbeiterklasse das Programm der permanenten Revolution annimmt. Imperialistische Unterdrückung, chronische Armut, Diskriminierung nach Kasten und Volkszugehörigkeit – nicht eines dieser brennenden Probleme der Massen kann gelöst werden, solange die Arbeiterklasse nicht die sozialistische Revolution anführt.
Die soziale Opposition nimmt zu. Eine führende indische Zeitung war letzte Woche hell alarmiert, als plötzlich Massenproteste der schlechtbezahlten Näherinnen in Bangalore ausbrachen. Der Kommentator war besonders schockiert und beunruhigt, weil dieser militante Protest außerhalb der existierenden Gewerkschaften und politischen Strukturen entstand.
Die entscheidende Frage besteht jetzt darin, die aufkeimende Arbeiterrebellion auf der ganzen Welt mit einem Programm und einer Perspektive zu bewaffnen, die ihre objektiven Interessen als globale Klasse artikuliert, als Protagonist einer neuen Gesellschaftsordnung, frei von Not und Krieg.
An diesem Ersten Mai fordere ich Arbeiter und Jugendliche in ganz Süd-Asien und auf der ganzen Welt auf, mit uns gemeinsam diese große Aufgabe anzupacken.