Wien: 100.000 demonstrieren gegen Arbeitsgesetz der Regierung

Am vergangenen Samstag fand in der österreichischen Hauptstadt die größte Demonstration seit den Protesten gegen die Rentenreform 2003 statt. 100.000 demonstrierten gegen die Arbeitszeitreform der Regierung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der rechtsextremen FPÖ.

Die Regierung will eine Arbeitsdauer von maximal zwölf Stunden pro Tag und eine Wochenarbeitszeit von bis zu 60 Stunden erlauben. Bisher liegt die Regelarbeitszeit in Österreich bei acht Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche. In besonderen Fällen dürfen Unternehmen ihre Mitarbeiter bis zu zehn Stunden am Tag oder bis zu 50 Stunden pro Woche beschäftigen.

Es war die erste derartige Großdemonstration seit dem Amtsantritt der rechten Regierung Ende 2017. Laut Regierung soll die erlaubte Anzahl der Arbeitsstunden erhöht werden, um Unternehmen mehr Flexibilität zu ermöglichen. Über die Gesetzesvorlage soll das österreichische Parlament am Donnerstag abstimmen. Aufgrund der Mehrheit von ÖVP und FPÖ gilt die Zustimmung aber als sicher.

Die österreichischen Gewerkschaften hatten unter dem Motto „Für ein besseres Leben“ zur Demonstration aufgerufen. Neben Gewerkschaftern nahmen auch prominente Sozialdemokraten wie Parteichef und Ex-Kanzler Christian Kern und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig teil. Die Reform des Arbeitszeitgesetzes gilt als erster Schritt der geplanten sozialen Angriffe von Kurz und Strache. Weiterhin sind tiefgreifende Reformen bei Rente, Gesundheit und Bildung geplant.

Um den Widerstand dagegen zu unterdrücken, brachte die Regierung bereits das sogenannte „Sicherheitspaket“ auf den Weg. Unter Federführung des ultra-rechten Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) wird die Überwachung massiv ausgeweitet. Das Ausspähen privater Computer wird ebenso legitimiert wie der Aufbau von Bürgerwehren.

Ein weiterer fundamentaler Angriff auf demokratische Rechte war die Schließung mehrerer Moscheen und die Ausweisung von Imamen und deren Familien.

Weite Teile von Arbeitern und Jugendlichen sind nicht bereit, soziale Errungenschaften aufzugeben und diese rechte Politik zu akzeptieren. Mehrere Zehntausend hatten bereits im Januar gegen den rechten Kurs der Regierung demonstriert. Zuvor hatte Innenminister Kickl gefordert, Asylbewerber künftig „konzentriert“ unterzubringen – und damit offen an die „Konzentrationslager“ der Nationalsozialisten angeknüpft.

Doch während die Regierungspolitik bei der Mehrheit der Bevölkerung auf Ablehnung stößt, versuchen die Gewerkschaften diesen Widerstand in harmlose Kanäle zu lenken. Im Grundsatz unterstützen sie die rechte Politik der Regierung von Kurz und Strache.

Noch im Januar hatten sich der ÖGB und seine Teilgewerkschaften ausdrücklich geweigert, den Protest gegen die Regierung zu unterstützen. Tatsächlich gibt es innerhalb der österreichischen Gewerkschaften einen nicht unbedeutenden Flügel, der die FPÖ-Politik unterstützt. „Auch in der Arbeiterkammer und in den Gewerkschaften pflegt man Kontakte mit FPÖ-Funktionären“, bemerkte das Nachrichtenmagazin Profil.

Dass der Protest am Samstag vor allem dazu diente, Dampf abzulassen und der Regierung den Rücken frei zu halten, wurde von Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal herausgestrichen. Er hob hervor, dass es gut sei, „dass wir in einem Land leben, in dem es Meinungs- und Versammlungsfreiheit gibt und in dem jeder von diesen Grundrechten Gebrauch machen kann“.

Diese Aussage ist bemerkenswert, da am Sonntag und Montag mehrere Chefredakteure in ihren Blättern Leitartikel veröffentlicht hatten, die eindringlich vor Angriffen auf die Presse- und Meinungsfreiheit warnen. Gerichtet war dies vor allem gegen Innenminister Herbert Kickl von der FPÖ, der letzte Woche in einer ORF-Sendung investigative Journalisten frontal angegriffen hatte.

Auch auf der Abschlusskundgebung wurde die Haltung der Gewerkschaften zur Kurz-Regierung deutlich, als der Vorsitzende der Postgewerkschaft Helmut Köstinger wohl eher unbedacht dazu aufrief, die unsoziale und ungerechte Regierung „zu stürzen“. Unmittelbar danach ergriffen mehrere ÖGB-Größen das Wort, um sich von ihm zu distanzieren. ÖGB-Chef Wolfgang Katzian erklärte, der ÖGB akzeptiere jede demokratisch gewählte Regierung. Davor hatte sich schon ÖGB-Vize Norbert Schnedl gegen Köstinger gewandt und betont, er sei nicht dafür da, die Regierung zu stürzen.

Auf der Demonstration thematisierte der ÖGB dann ausschließlich das Arbeitszeitgesetz. Kein einziger Redner erwähnte die rigorose Abschottung der Grenzen gegenüber Hilfesuchenden.

Wenige Tage zuvor hatte die Regierung demonstrativ eine Grenzschutzübung an der Grenze zu Slowenien durchgeführt. Mehrere hundert Polizisten und Soldaten übten die Abriegelung der Grenze gegen Flüchtlinge. Die Übung war vor allem ein Signal an Deutschland. „Hintergründe sind die Debatte um innereuropäische Grenzschließungen, ausgelöst von Deutschland, sowie aktuelle Entwicklungen auf den Flüchtlingsrouten im Balkanraum“, sagte FPÖ-Chef Strache.

Nach der Einigung von CDU und CSU im Asylstreit Anfang der Woche bereitet sich Österreich auf eigene nationale Maßnahmen zum Schutz seiner Grenzen vor. Dies geht aus einer Erklärung von Bundeskanzler Kurz, Vizekanzler Strache und Innenminister Kickl hervor.

Die Feindschaft gegen Flüchtlinge ist in den österreichischen Gewerkschaften nicht neu. Bereits vor zwei Jahren hatte der ehemalige ÖGB-Präsident Erich Foglar gegen die Zuwanderung gehetzt. „Die Kontrolle am Arbeitsmarkt ist dadurch mehr oder weniger verlorengegangen“, so Foglar gegenüber der Presse. Zuvor hatte er sich dafür ausgesprochen, das Verhältnis zur FPÖ neu zu „definieren“ und die enge Zusammenarbeit zu suchen.

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