Am 4./5. Mai veranstaltete das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI), die trotzkistische Weltbewegung, seine inzwischen sechste Online-Maikundgebung. Zwölf führende Mitglieder der Weltpartei sprachen zu verschiedenen Aspekten der Weltkrise des Kapitalismus und zu den Kämpfen der internationalen Arbeiterklasse.
Die World Socialist Web Site veröffentlicht diese Reden im Wortlaut und als Tonaufnahmen. Der heutige Bericht stammt von Wije Dias, dem Generalsekretär der SEP Sri Lanka. Auf der WSWS findet sich auch der einleitende Bericht von David North, dem Leiter der internationalen Redaktion der WSWS und nationalen Vorsitzenden der Socialist Equality Party der USA.
An der neuen, weltweiten Welle von Arbeitskämpfen sticht eine Veränderung besonders hervor: Arbeiter versuchen in zunehmendem Maße, aus der Zwangsjacke der Gewerkschaften auszubrechen und mit unabhängigen Initiativen ihre Kämpfe in die eigene Hand zu nehmen.
Als marxistische Revolutionäre wissen wir, dass dies allein bei weitem nicht ausreichen wird, diese Kämpfe zum sicheren Sieg zu führen. Es ist aber das deutlichste Anzeichen für die Schärfe der Krise der Führung, mit der Arbeiter konfrontiert sind, und bedeutet, dass die Arbeiterklasse bei der Suche nach alternativen Programmen und Führungen für ihre Kämpfe einen wichtigen ersten Schritt getan hat.
Im Übergangsprogramm, dem Gründungsprogramm der Vierten Internationale, schrieb Trotzki, dass die Krise der Menschheit auf die Krise der revolutionären Führung der Arbeiterklasse hinausläuft.
Arbeiter werden sich dieser Krise nicht jeden Tag bewusst, sondern erst in Zeiten, wenn das politische System als Ganzes tief in der Krise steckt. Dann beginnen sie, diese Krise zu erkennen, und beschäftigen sich mit alternativen Lösungen.
Heute leben wir in einer solchen geschichtlichen Periode. Die Rolle der Arbeiterklasse besteht darin, die Menschheit aus dem kapitalistischen Sumpf herauszuführen, und allein unsere Bewegung hat gegen alle gekämpft, die der Arbeiterklasse diese historisch revolutionäre Rolle abgesprochen haben. In diesem Kampf haben wir uns darauf vorbereitet, das Programm zu entwickeln und die Führung aufzubauen, nach der Arbeiter heute überall suchen.
Das erklärt die neuen Erfahrungen, die alle Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale jetzt auf jedem Kontinent machen. Unsere Erfahrungen in jüngster Zeit bestätigen, dass die objektive Entwicklung im Klassenkampf und die Perspektive der trotzkistischen Weltbewegung zusammenkommen.
Als die Matamoros-Arbeiter in Mexiko ihren Kampf aufnahmen, setzten sie sich über die Diktate der Gewerkschaftsführer hinweg und gewannen unter Jugendlichen, Studenten, Selbstständigen und Mittelschichten breite Unterstützung. Sie zögerten auch keinen Moment, Grüße an die Arbeiterkonferenz in Detroit zu senden, zu der die Socialist Equality Party in den USA aufgerufen hatte. Darin kommt sehr deutlich das Bestreben der Arbeiter zum Ausdruck, im Kampf ihre internationale Einheit zu schaffen. Die trotzkistische Bewegung bietet dafür als einzige eine sozialistische Orientierung.
Das trifft auch auf die Mitglieder des Aktionskomitees in Abbotsleigh zu, das die SEP Sri Lanka gegründet hat. Während des Streiks von 100.000 Plantagenarbeitern schlossen sie sich der Kundgebung an, die die Freilassung von Julian Assange und Chelsea Manning forderte. Diese sitzen im Gefängnis, weil sie Kriegsverbrechen der imperialistischen Mächte aufgedeckt haben. Die Arbeiter verabschiedeten eine Resolution für ihre Freilassung und unterstützten damit die internationale Kampagne des IKVI und der WSWS.
Diese Entwicklung kann nicht als isolierte, länderspezifische Erscheinung abgetan werden. Sie steht sinnbildlich für das revolutionäre Potential, das die Kämpfe der Arbeiterklasse enthalten. Ob es die Lehrer in den Bundesstaaten der USA sind oder die „Gelbwesten“ in Frankreich, oder die Arbeiter im benachbarten Indien, wo es vor nur wenigen Monaten einen Generalstreik von mehreren Millionen Beschäftigten des öffentlichen Sektors gab, überall sind die sozialen Bedingungen und die politischen Probleme, vor denen die Arbeiter stehen, sehr ähnlich.
Die Angleichung der sozialen Bedingungen von Arbeitern in den entwickelten und den historisch rückständigen Ländern resultiert aus dem seit Langem anhaltenden globalen Zusammenbruch der kapitalistischen Ökonomie, der sich 2008 zunächst im Bankrott großer amerikanischer Finanzkonglomerate ankündigte. Die Folge war eine unerträgliche soziale Polarisierung in allen Ländern, selbst in China, wo die großspurigen Reden der Erben der stalinistischen Bürokratie über das unaufhaltsame Wachstum des Kapitalismus immer leiser werden.
Diese globale Krise des Kapitalismus treibt die Rechtswende der herrschenden Eliten an. Bei den Kriegsvorbereitungen der imperialistischen Mächte stellt sich Washington an die Spitze, um seine weltweite Vorherrschaft zu untermauern, ganz gleich, welchen Preis die Menschheit dafür bezahlt. Die Politik des „Pivot to Asia“, von Obama eingeleitet, wird nun beschleunigt fortgesetzt von Donald Trump, der Indien und Sri Lanka noch stärker in die aggressive US-Militärstrategie gegen China einbindet.
Unter diesen Bedingungen erlangt die historische Bedeutung der Perspektive des IKVI und der SEP für die Vereinigten Sozialistischen Staaten Südasiens brennende Aktualität. Deutlich wurde das in den jüngsten tragischen Ereignissen in Sri Lanka, bei denen mehr als 250 Männer, Frauen und Kinder getötet und mindestens 500 schwer verletzt wurden.
Hauptgrund für den reaktionären Terroranschlag (vom IS zusammen mit einer kleinen Gruppe muslimischer Jugendlichen organisiert) ist die enge Zusammenarbeit der Regierung Sirisena–Wickremesinghe mit der Kriegsstrategie der USA. Diese hat im Nahen Osten die Lebensbedingungen bereits dramatisch verschlechtert. Alle bisherigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die sri-lankische Regierung schon lange vorher von den Anschlägen gewusst hat, aber nichts tat, um sie zu verhindern. Sie kalkulierte, dass eine solche Provokation benutzt werden könne, um Arbeiter und Unterdrückte zu spalten und von gemeinsamen Kampfmaßnahmen abzuhalten.
Der sri-lankische Verteidigungsminister Hemasiri Fernando ließ die Katze aus dem Sack, als er einem BBC-Korrespondenten sagte, sie hätten „Angriffe dieser Größenordnung nicht erwartet“. Unfreiwillig enthüllte diese Aussage, dass die Regierung eine Provokation erwartet hatte, wenn auch in kleinerem Ausmaß. Nach der Niederlage des IS in Syrien fielen dessen Terroranschläge schärfer aus, als von der herrschenden Elite erwartet.
Die herrschenden Klassen Sri Lankas und der USA sowie ihrer Verbündeten gehen nun daran, die Terroranschläge auszunutzen, um noch drakonischere Polizeistaatsmaßnahmen gegen die gesamte Bevölkerung durchzusetzen. Sie wollen die Insel noch direkter zu einer Schaltstelle der aggressiven imperialistischen Kriegsmaschine machen. Schon sind FBI- und Pentagon-Beamte in großer Zahl nach Sri Lanka gekommen, um die „Ermittlungen zu unterstützen“.
Nur die internationale Arbeiterklasse kann die imperialistischen Kriege beenden und die Vorbereitung der Herrschenden auf Faschismus und Polizeistaat stoppen. Dazu muss sie sich auf das sozialistische Programm des IKVI und die trotzkistische Theorie der permanenten Revolution stützen. Eine politisch unabhängige Arbeiterklasse hat sie die historische Chance, arme Bauern, unterdrückte Minderheiten, arbeitslose Jugendliche und Studenten, Mittelschichten und Selbstständige anzuführen. Damit kann sie auch den Einfluss reaktionärer terroristischen Gruppen aufhalten, die letztlich den herrschenden Eliten in die Karten spielen.
Die entscheidende Aufgabe, die Arbeiterklasse auf Basis dieses Programms zu mobilisieren, kann nur durch den Aufbau revolutionärer Massenparteien des IKVI in jedem Land der Welt gelöst werden.