RBB: Fernseh- und Rundfunkarbeiter streiken gegen Korruption und für sichere Arbeitsplätze

Als am Freitag Hunderte Arbeiter des Senders Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) in einen ganztägigen Streik traten, kam die Wut über die hemmungslose Bereicherung und Korruption in der Vorstandsebene deutlich zum Ausdruck. Die Streikbereitschaft war hoch und hatte spürbare Folgen für das laufende Programm. Zahlreiche Sendungen wurden entweder gestrichen, durch Programme anderer Sender ersetzt oder fielen aus.

Kundgebung streikender RBB-Mitarbeiter

Während sich 250 Journalisten, Techniker und Angehörige anderer Berufsgruppen vor dem Fernsehzentrum zur Streikkundgebung trafen, ließen andere in den verschiedenen Betriebsabteilungen die Arbeit ruhen, so auch im Schaltraum des Fernsehens, in der Technikabteilung des Hauptstadtstudios, im Programm RBB Kultur, in der vom RBB verwalteten ARD-Gemeinschaftseinrichtung „ARD Digital“ in Potsdam und an anderen Orten.

Kein einziges Team der elektronischen Berichterstattung (EB-Team) fuhr an diesem Tag raus. Viele Programme waren davon betroffen, so das Landesprogramm des RBB für Berlin, (rb 88.8), das ein Notprogramm sendete, und das gänzlich ausfallende Mittagsmagazin im Ersten und im ZDF. Radio 1 sendete nur Musik.

Patricia, Thomas und Daniel

Streikende sprachen mit Reportern der WSWS über ihre Forderungen und ihre Wut über die Korruption im Vorstand des Senders. „Der Wasserkopf in der Verwaltung und Intendanz schiebt sich unerhörte Gehälter zu,“ erklärte Daniel. Wie seine Kollegen Patricia und Thomas arbeitet Daniel als „freier Mitarbeiter“ für den Sender. Obwohl sie die gleiche Arbeit erledigen wie die Festangestellten, erhalten sie spürbar weniger Gehalt.

„Es geht uns hauptsächlich um gerechte Bezahlung, dass die Leistung von freien und fest angestellten Mitarbeitern in gleicher Höhe bezahlt wird,“ erklärte Thomas. Patricia ergänzte: „Die freien Mitarbeiter erhalten keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, keine Zuschüsse zur Krankenversicherung, der Kinderfreibetrag beträgt nur 50 Prozent von dem Betrag der Festangestellten.“

Philipp, ebenfalls freier Journalist, machte seinem Ärger Luft: „Die Selbstbedienungsmentalität in der Vorstandsebene ist unerträglich. Wir brauchen mehr Geld für gute Programme und keine Streichungen, die jetzt im Raum stehen.“

Auf die Frage, ob man bei solchen Bedingungen noch kritischen Journalismus machen könne, antwortete Franziska: „Es gibt Bereiche, wo das schwierig wird. Ich glaube, dass es keine gute Voraussetzung ist, angstfreien Journalismus zu machen, wenn man Angst um seinen Job hat.“

Tatsächlich stehen umfangreiche Kosteneinsparungen bevor, die sich auf die Zahl der Beschäftigten sowie auf die Lohn- und Gehaltszahlungen auswirken werden. Nach der Entlassung der ehemaligen Intendantin des Senders, Patricia Schlesinger, sollte ihre Nachfolgerin, Katrin Vernau, mit der Korruption aufräumen. Es wurden mehrere Anwaltskanzleien engagiert, die „strukturelle Fehlentwicklungen“ im Sender untersuchen sollen. Bisher fielen 1,4 Millionen Euro an Anwaltskosten an, die jetzt durch Streichungen im Programm und bei den Beschäftigten eingespart werden sollen.

Dazu kommen noch Verluste wegen der Streichung eines von der früheren Sendeleitung geplanten Baus eines Digitalen Medienhauses (geschätzte Kosten 184 Millionen Euro). Das Projekt wurde inzwischen aufgegeben, aber die bisher angefallenen Kosten von 18 Millionen Euro sollen zu Lasten der Beschäftigten eingespart werden.

Ende September 2022 war der bisherige Tarifvertrag für die Festangestellten ausgelaufen. Die Gewerkschaft Verdi hatte sich darauf eingelassen, die Verhandlungen über einen Folgevertrag um drei Monate zu verschieben, damit die neue Intendantin genug Zeit habe, sich einen Überblick zu verschaffen.

Als diese Verhandlungen dann am 26. Januar anlaufen sollten, kam die Überraschung. Die RBB-Verhandlungskommission erklärte, sie habe kein Verhandlungsmandat. Die Intendantin habe sich „noch keinen vollständigen Überblick über die Lage des Senders verschaffen können,“ hieß es.

Daraufhin riefen die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) gemeinsam zum eintägigen Warnstreik auf. Doch die Belegschaft des RBB sollte auf der Hut sein, denn Verdi ist auf das Engste mit den Senatsparteien verbunden und vertritt deren Interessen. Zwischen dem Verwaltungsrat des Senders, der vom Rundfunkrat des RBB gewählt wird, den Senatsparteien und den Funktionären der Gewerkschaft existiert ein politisches Netzwerk.

So setzt sich der Rundfunkrat mit insgesamt 29 Mitgliedern aus Vertretern von Kirchen, Unternehmensverbänden, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Gewerkschaft Verdi, dem Beamtenbund, der IHK Berlin und Brandenburg, kulturellen Verbänden und insgesamt sieben Vertretern der Parteien des Landtags Brandenburg und des Berliner Abgeordnetenhauses zusammen.

Diese Netzwerke vertreten die politischen und wirtschaftlichen Interessen der regierenden Parteien. Das zeigt sich im Inhalt der Fernseh- und Rundfunkprogramme, in denen kritische Positionen oft unterdrückt werden. Einsparungen im Programm und Stellenstreichungen sind darüber hinaus die Konsequenz der jahrelangen Korruption.

Der Berliner Senat unterstützt die militärische Aufrüstung und die Kriegsausgaben der Ampel-Koalition und setzt drastische Einsparungen bei nötigen Gesundheits- und Bildungsmaßnahmen im Landeshaushalt durch. Die Antwort des RBB-Verwaltungsrats auf die Forderungen nach Lohnerhöhung und Bestandsschutz ist absehbar. Statt Verbesserungen für die Beschäftigten wird weiterer Sozialabbau vorbereitet.

Schon auf die horrende Forderung von 1,4 Millionen Euro der Anwaltskanzleien und deren noch nicht eingepreiste Verlängerung um weitere drei Monate hatte die Vorsitzende des Verwaltungsrats, Dorette König, eine ehemalige überzeugte Parteigängerin der SED, die lapidare Antwort: „Was wäre denn die Alternative?“

Die Korruptionsaffäre des RBB ist der sichtbare Ausdruck der Rechtsentwicklung im Medienbereich. Sie wird nicht aufgearbeitet, sondern vertuscht. Die paar Tausend Euro, die beim Gehalt der Vorstände jetzt eingespart werden, legen den Sumpf nicht trocken, sondern sind reine Augenwischerei.

Das zeigt auch der Beratervertrag für den früheren Chefredakteur Christoph Singelnstein, der den Sender Ende März 2021 verließ. Zusammen mit seiner Ruhegeldzahlung und einem Beratervertrag mit monatlicher Vergütung von 6300 Euro beläuft sich sein Monatseinkommen auf 15.000 Euro.

Die marode Situation des RBB spiegelt die Fäulnis der kapitalistischen Gesellschaft wider. Während die Medien zu Propaganda-Instrumenten für die Kriegspolitik der Ampel-Koalition verkommen, wird die Existenzgrundlage der arbeitenden Bevölkerung zerrüttet.

Erik und Tamara

Viele junge Mitarbeiter sind über die Situation im RBB enttäuscht. Tamara und Erik sagten der WSWS: „Wir sind dagegen, wie mit den jungen Leuten umgegangen wird, die noch viel schlechter gestellt sind als die älteren. Wir werden nie soviel Geld verdienen, wie die älteren in diesem Job.“

Sie berichteten, dass ungefähr 60 Prozent der Beschäftigten beim RBB freie Mitarbeiter seien. „Die Leute im digitalen Bereich bekommen den niedrigsten Honorarsatz. Dabei ist digital die Zukunft. Zum Beispiel die Entwicklung von Youtube-Format-Serien oder Social-Media-Arbeit. Nach wie vor wird Fernsehen am besten bezahlt, danach Hörfunk. Das entspricht meiner Meinung nach nicht der modernen Zeit.“

Auf die Frage was sie darüber denken, dass hunderte Milliarden für militärische Aufrüstung und Krieg ausgegeben werden und gleichzeitig drastische Einsparungen in allen öffentlichen Bereichen stattfinden, antworteten sie: „Auf jeden Fall sind wir gegen Krieg. Aber die Probleme hier gab es auch schon vor dem Krieg. Unser Kampf hat schon lange davor angefangen, aber jetzt verschärft sich die Situation.“

Diese Situation zeigt sich in allen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge – Berliner Stadtreinigung, Flughafendienste, Nahverkehr, Bildungs- und Gesundheitsbereiche. Überall sind Arbeiter bereit, für ihre Interessen zu kämpfen, werden jedoch von den Gewerkschaften zurückgehalten. Statt einen gemeinsamen Streik der Arbeiter im öffentlichen Dienst zu organisieren, organisieren sie isolierte Warnstreiks, die Luft ablassen sollen.

Wie die WSWS bereits bei der Aufdeckung des RBB-Skandals schrieb:

Die Durchsetzung der Interessen von Arbeitern im RBB und „die Wiederbelebung kritischer, kulturell hochstehender Medien ist untrennbar mit der Entwicklung einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse gegen das bankrotte kapitalistische System verbunden, das nur noch sozialen und kulturellen Niedergang, Krieg und Diktatur hervorbringt.

Die World Socialist Web Site weist hier den Weg. Obwohl sie nur über einen winzigen Bruchteil der finanziellen Mittel der öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Medien verfügt, ist sie in der Lage, einen hochwertigen und kritischen Journalismus zu liefern, der auf vielen Gebieten – der Pandemie, dem internationalen Klassenkampf, den Ursachen und Hintergründen des Ukrainekriegs – unübertroffen ist.

Sie stützt sich auf die Zusammenarbeit von Sozialisten auf der ganzen Welt, die ein gemeinsames Ziel verfolgen – die arbeitenden Massen mit einem historischen Verständnis der kapitalistischen Krise und ihrer eigenen Aufgaben, d.h. mit einer sozialistischen Perspektive zu bewaffnen.

Wer vom RBB-Skandal und der politischen, kulturellen und moralischen Fäulnis, die er aufdeckt, angewidert ist und einen fortschrittlichen Ausweg sucht, sollte die World Socialist Web Site verfolgen, sie unterstützen und sich der Sozialistischen Gleichheitspartei anschließen.“

Die SGP tritt bei den Abgeordnetenhaiswahlen an, um dem Netzwerk aus Senat und Gewerkschaften entgegenzutreten und verbindet den Kampf gegen die soziale Katastrophe mit dem Kampf gegen Krieg.

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