Katastrophenalarm auf Maui blieb aus, während das tödliche Feuer hunderte Häuser verschlang

Während die offizielle Zahl der Todesopfer durch die Waldbrände auf Maui am Wochenende auf über 93 stieg, werden Fragen darüber laut, warum das Katastrophen-Alarmsystem von Hawaii nicht aktiviert wurde, als sich das vom Klimawandel befeuerte Inferno mit hoher Geschwindigkeit auf der Insel ausbreitete.

Ein Mann läuft am 11. August 2023 in Lahaina (Hawaii) durch die verkohlten Trümmer des Flächenbrands. Laut den Aufzeichnungen des Katastrophenschutzes von Hawaii waren keine Sirenen zu hören, bevor die Menschen um ihr Leben rannten, um den Bränden zu entgehen, die auf Maui eine historische Stadt zerstörten [AP Photo/ Rick Bowmer]

Einem Bericht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (PBS) von Donnerstag zufolge zeigen die Aufzeichnungen des Katastrophenschutzes von Hawaii „keinen Hinweis darauf, dass Sirenen zu hören waren, bevor die Menschen vor den Flächenbränden auf Maui um ihr Leben rannten... Die Behörden schickten zwar Warnungen auf die Handys, an Fernseh- und Radiostationen – aber weit verbreitete Strom- und Mobilfunkausfälle könnten ihre Reichweite eingeschränkt haben.“

Hawaii verfügt nach staatlichen Angaben weltweit über das größte integrierte Warnsystem für die öffentliche Sicherheit im Freien, das alle Gefahren abdeckt. Es umfasst etwa 400 über den ganzen Archipel verteilte Sirenen, welche die Bevölkerung vor verschiedenen Naturkatastrophen und anderen Bedrohungen warnen sollen. Es wurde aufgebaut, nachdem im Jahr 1946 bei einem Tsunami auf Hawaii mehr als 150 Menschen ums Leben kamen.

Abgesehen davon, dass die Sirenen nicht aktiviert wurden, sollen die Behörden von Maui laut einem Bericht der BBC von Freitag auch widersprüchliche Informationen über das Ausmaß und die Gefahr der Brände herausgegeben haben, als diese sich am Mittwoch ausbreiteten. Auf der Website des Maui County hieß es am Mittwoch um 9:00 Uhr morgens, das Buschfeuer sei „zu 100 Prozent eingedämmt“, obwohl „die Winde in der Gegend weiterhin Anlass zur Besorgnis geben“.

Die BBC berichtet, die Behörden hätten „eine Warnung herausgegeben, blockierte Straßen zu meiden, aber keine weiteren Warnungen“ hinsichtlich der Situation in Lahaina. Erst um 16:45 Uhr Ortszeit gab das County bekannt, „ein sichtbares Auflodern“ der Brände habe „zur Schließung einer Umgehungsstraße in der Nähe der Stadt und einigen Evakuierungen geführt“.

Weitere Evakuierungen wurden am späteren Nachmittag angekündigt, und um 23 Uhr Ortszeit rief Bürgermeister Richard Bissen schließlich den Notstand aus. In einigen Hotels wurden Touristen angewiesen, die Gebäude nicht zu verlassen, um die örtlichen Straßen nicht zu verstopfen. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten die Flammen, die von den starken Winden des Hurrikans Dora im Pazifik südlich der Insel angefacht wurden, bereits Teile von Lahaina verschlungen und zwangen die Menschen teilweise ins Meer zu fliehen.

Obwohl allgemein bekannt waren, dass Flächenbrandgefahr bestand, und obwohl davor gewarnt wurde, waren die Behörden auf lokaler, bundesstaatlicher und föderaler Ebene völlig unvorbereitet auf die Intensität und Geschwindigkeit der Zerstörung.

Dies räumte die amtierende Gouverneurin Sylvia Luke bei einer Pressekonferenz praktisch ein, als sie erklärte: „Wir haben in diesem Bundesstaat nie damit gerechnet, dass ein Hurrikan, der unsere Inseln nicht getroffen hat, solche Flächenbrände auslösen wird, Brände, die Gemeinden auslöschten, Brände, die Unternehmen auslöschten, Brände, die Wohnhäuser zerstörten.“

Adam Weintraub von der Katastrophenschutzbehörde von Hawaii erklärte gegenüber Associated Press, dass die Aufzeichnungen nicht zeigen, dass die Sirenen auf Maui aktiviert wurden, als das Feuer bei Lahaina am Dienstag begann. Weintraub erklärte, das County habe Notfallwarnungen an Handys, Fernseh- und Radiosender geschickt.

Der Chef der Feuerwehr von Maui, Brad Ventura, erklärte, das Feuer habe sich so schnell von der Buschlandschaft auf die Stadtviertel ausgebreitet, dass es unmöglich war, die Katastrophenschutzbehörden zu informieren, die für die Veröffentlichung der Warnungen zuständig sind. Ventura erklärte: „Wir haben ein Feuer erlebt, das sich so schnell entwickelt hat... dass das erste Wohnviertel, das in Brand geriet, praktisch in Eigenregie evakuiert wurde, ohne irgendwelche Informationen zu erhalten.“

Überlebende erklärten am Donnerstag gegenüber den Medien, sie hätten keine Sirenen gehört und keine Warnungen erhalten, die ihnen genügend Zeit zur Vorbereitung gegeben hätten. Sie erkannten die Gefahr erst, als sie die Flammen sahen oder Explosionen in der Nähe hörten.

Die Flächenbrände auf Maui sind die tödlichste Katastrophe auf Hawaii, seit 1960 bei einem Tsunami 61 Menschen starben. Die Behörden warnen, dass die Zahl der Toten noch weiter steigen wird, da bei den anhaltenden Rettungseinsätzen weitere Opfer gefunden werden.

Am Freitag kämpften Feuerwehrleute in Teilen der Insel noch immer gegen die Flammen, während Rettungskräfte weiter nach den mehr als 1.000 Vermissten suchen. Tausende von Einwohnern mussten vor den Flammen flüchten, die über die Insel hinwegfegten, mehr als 1.700 Gebäude zerstörten und die historische Stadt Lahaina verwüsteten.

Da in den meisten Gebieten der Strom und die Mobilfunknetze ausgefallen sind, werden die Such- und Rettungsmaßnahmen extrem erschwert.

Ein weiteres Anzeichen dafür, wie unvorbereitet das kapitalistische politische Establishment auf die tödlichen Waldbrände war, ist die Tatsache, dass Maui nur eine sehr kleine Feuerwehr besitzt, die für Ereignisse wie am Dienstag und Mittwoch schlecht ausgerüstet ist. Bobby Lee, Präsident der Hawaii Firefighters Association, erklärte gegenüber AP, in Maui County wären höchstens 65 Feuerwehrleute auf einmal im Einsatz, und diese sind für die Bekämpfung von Bränden auf drei Inseln zuständig: Maui, Molokai und Lanai.

Lee erklärte, die Feuerwehrleute auf Maui verfügen über 13 Löschfahrzeuge und zwei Leiterwagen, die alle für den Einsatz auf der Straße ausgelegt sind. Die Feuerwehr besitzt keine Offroad-Fahrzeuge, sodass sie Buschbrände nicht vernünftig bekämpfen kann, bevor sie Straßen oder besiedelte Gebiete erreichen.

In der Zwischenzeit tauchen weitere Berichte auf, laut denen Regierungsvertreter aufgrund der Erfahrung mit Hurrikan Lane im Jahr 2018 von der Gefahr sich rapide ausbreitender Flächenbrände auf Hawaii wussten. Der Sturm war zwar nicht direkt auf Hawaii aufgetroffen, überschwemmte aber dennoch die Inseln und fachte Flächenbrände an, die auf Maui und Oahu mehr als 1.200 Hektar zerstörten.

Die Brände, die von Lanes Winden angefacht wurden, wurden später von einem Forscherteam der Universität von Hawaii und dem East-West Center untersucht. Ihre Forschungsergebnisse wurden zwei Jahre später vom Bulletin of the American Meteorological Society unter dem Titel „Fire and Rain: The Legacy of Hurricane Lane in Hawaii“ veröffentlicht.

Die Forscher wiesen auf das Zusammentreffen von Bedingungen hin, die sich auf Hawaii aus dem Auftreten von Hurrikans ergeben. Sie erklärten, weitere Forschungen seien notwendig, um festzustellen, ob Hurrikan-Feuer-Ereignisse künftig häufiger auftreten werden. In der Studie hieß es dazu: „Ein vollständiges Verständnis dieser Faktoren ist von entscheidender Bedeutung, um die Verwundbarkeit von Menschen und Ressourcen zu verstehen, wenn sie einem Unwetterereignis ausgesetzt sind.“

In einem weiteren Dokument aus dem Jahr 2014 mit dem Titel „Western Maui Community Wildfire Plan“ wird West-Maui als besonders anfällig für Flächenbrände bezeichnet. Elizabeth Pickett, die Co-Geschäftsführerin der gemeinnützigen Hawaii Wildfire Management Organization und Mitverfasserin des Plans, bezeichnete die verheerenden Brände auf Maui als vorhersehbar.

Pickett erklärte gegenüber Honolulu Civic Beat: „Wir hören immer wieder von bestimmten gewählten Regierungsvertretern und anderen Leuten, die in den Medien zitiert werden: ,Wir hatten keine Ahnung, das hat es noch nie gegeben.‘ Aber in Wirklichkeit arbeiten wir, die wir mit Waldbränden zu tun haben, d.h. unsere Feuerwehren, unsere Fortwirtschaft- und Naturverwaltungseinrichtungen, schon lange daran, unsere Bestrebungen zur Risikoverringerung zu verstärken.“

Natürlich wurden die meisten von den Wissenschaftlern empfohlenen Maßnahmen entweder ignoriert oder nie vollständig umgesetzt. Pickett erklärte, bei den Bränden auf Maui hätte es zwar mehrere Faktoren gegeben, durch die die Brandbekämpfung erschwert wurde, allerdings hätte mehr unternommen werden können, um sie rechtzeitig zu verhindern. Sie fügte hinzu, die Vorschriften und Verordnungen von Hawaii, deren Durchsetzung und die zur Verfügung stehenden Mittel würden für die erhöhte Bedrohungslage nicht ausreichen.

Pickett erklärte: „Wir wissen, dass ein hohes Risiko besteht. Wir kennen die wissenschaftlichen Fakten, wir haben die Daten, wir haben die Bewertungen durchgeführt, wir haben die kommunalen Programme bereitgestellt. Es wäre vielleicht nicht zu 100 Prozent zu verhindern gewesen, aber es hätte abgeschwächt werden können. Es hätte verringert werden können.“

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