Mehrere Zehntausende Menschen demonstrierten am Samstag in Essen gegen den Bundesparteitag der AfD. Mitten im Ruhrgebiet, wo 40 Prozent der rund 5 Millionen Einwohner eine Migrationsgeschichte haben, haben die Faschisten der AfD über ihre ausländerfeindliche und rassistische Politik debattiert. Während draußen Schilder wie „Der Ruhrpott ist bunt“ gezeigt wurden, verteilte die Junge Alternative, die Jugendorganisation der AfD, Aufkleber mit dem Slogan: „Abschieben schafft Wohnraum“.
Von Freitag bis Sonntag haben insgesamt fast 100.000 Menschen demonstriert und protestiert. Am Samstag hatten einige schon früh morgens mit Blockaden versucht, Delegierte an der Anreise zu hindern. Die meisten der 600 Delegierten wurden unter Polizeischutz in die Halle gebracht.
Der WDR berichtete, dass ein AfD-Politiker eine Polizeiabsperrung durchbrochen habe, auf eine Demonstrantin zugegangen sei und diese bespuckt habe. Als Demonstrierende wiederum versuchten, eine Polizeiabsperrung zu überwinden, griff die Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken an. Der Veranstaltungsort, die Grugahalle, wurde weiträumig von der Polizei abgeriegelt. Mehrere tausend Einsatzkräfte aus dem gesamten Bundesgebiet und Wasserwerfer schützten die AfD.
Viele Demonstrierende hielten mit Bezug auf das Dritte Reich „Nie wieder“-Schilder hoch, andere erinnerten an Hitlers Machtergreifung: „Es ist 5 vor 33.“. Andere sprachen sich mit eigenen Schildern gegen die AfD und Rassismus aus. Zu den Protesten hatte ein breites Bündnis von Organisationen aufgerufen – darunter die Regierungsparteien, die in Wirklichkeit selbst eine extrem rechte und flüchtlingsfeindliche Politik verfolgen, die die Faschisten stärkt.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) verteilte und diskutierte auf der Großdemonstration am Samstag rund tausend Flugblätter mit dem Artikel „Was tun gegen die AfD?“. In Diskussionen mit Vertretern der SGP drückten viele ihre Besorgnis und Wut über das Erstarken der Faschisten, aber auch über die Politik der Ampelkoalition aus.
Denn wie es im verteilten Artikel heißt, ist das Erstarken der AfD „kein Ergebnis einer Massenbewegung von unten, sondern eines Rechtsrucks von oben. Die Faschisten werden von den herrschenden Eliten gebraucht und gestärkt, um ihre Politik des imperialistischen Kriegs, des Völkermords, der sozialen Ungleichheit und der Diktatur durchzusetzen.“
Ein Demo-Teilnehmer erinnerte daran, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schon in seiner Zeit als Erster Bürgermeister von Hamburg Brechmittel gegen vermeintliche Drogenhändler einsetzen ließ. „Einer ist dabei gestorben.“ Ein anderer bemerkte, die Politik der Ampelkoalition sei von der AfD doch einfach per „Copy-and-paste“ übernommen worden.
Jamie, dessen Familie ursprünglich aus Polen kommt, befürchtet die Konsequenzen der AfD-Politik. „Sollte die AfD durchkommen, wäre die Hälfte meiner Familie weg.“ Man müsse daher zusammenstehen. Er war von der Demonstration beeindruckt. „Wenn hier 50.000 demonstrieren, da kann man ja nur drüber froh sein.“
Er sagte, „die Hälfte aller Parteien“ unterstütze die Ausländer-raus-Politik der Rechten, darunter die CDU und SPD. Auch die Grünen würden ihre Wahlversprechen brechen und die rechte Agenda unterstützen. „Erst heißt es im Ukraine-Krieg, wir mischen uns nicht ein. Wir helfen, aber mischen uns nicht ein. Dann hört man, dass doch Waffen geliefert werden. Da fragt man sich doch, was das soll.“ Er wünsche sich ein Deutschland, in dem alle friedlich miteinander leben und Ausländer akzeptiert und willkommen sind.
Alex ist aus Russland vor den Repressalien des Putin-Regimes geflohen. Er war mit einer ganzen Gruppe von russischen Immigranten auf der Demo, weil er selbst nicht nach Russland abgeschoben werden möchte, wie es die AfD fordert.
„Ich bin auch solidarisch mit anderen Flüchtlingen, die nicht in ihre Heimatländer zurückkönnen.“ Hier in Deutschland seien sie sicherer. „Es ist nicht das Paradies hier, aber wir sind sicherer als in unseren Heimatländern.“ Er arbeite jetzt in Deutschland und wisse, dass alle Arbeiter in jedem Land, auch die ukrainischen Arbeiter, friedlich miteinander leben wollen.
Die SGP-Vertreter sprachen mit Alex und seiner Gruppe auch über die Inhaftierung des Sozialisten Bogdan Syrotjuk, der vom ukrainischen Geheimdienst des Landesverrats und der russischen Spionage beschuldigt wird, weil er ein Kriegsgegner ist und die Einheit der ukrainischen und russischen Arbeiterklasse fordert.
Während die Verantwortlichen der Proteste die Losung „Alle gemeinsam gegen Rechts“ ausgegeben hatten und dabei auch SPD und Grüne mit einbezogen, war die Stimmung vieler Teilnehmender kritischer. Sie verstanden sehr wohl, dass die Kriegs- und Sozialpolitik der Bundesregierung der AfD die Wähler zutreibt, und waren besorgt.
„Die Sozialistische Gleichheitspartei unterstützt die Proteste gegen die Faschisten“, erklärte der stellvertretende SGP-Vorsitzende Dietmar Gaisenkersting in einem Statement vor Ort.
Doch wir müssen warnen: Der Kampf gegen die AfD ist ein Kampf gegen die Herrschenden einschließlich ihrer Parteien im Bundestag. Die AfD ist eng mit dem Staatsapparat verknüpft und von den Bundestagsparteien gezielt aufgebaut worden, um die gesamte Gesellschaft nach rechts zu rücken.
Die Zeitenwendepolitik der Bundesregierung – der Krieg gegen Russland in der Ukraine und der Völkermord an den Palästinensern in Gaza – verträgt sich nicht mit Demokratie. Die massive Opposition dagegen in der Bevölkerung lässt alle Parteien zusammenrücken, um autoritäre Herrschaftsformen aufzubauen. Schon jetzt ist es die Bundesregierung, von denen SPD und Grünen die Frechheit hatten, hier mit Delegationen aufzutreten, die die Politik der AfD in die Tat umsetzt.
Erst am Mittwoch hat die Ampelkoalition beschlossen, Ausländer rigoros abzuschieben, wenn sie auch nur ein Like in den Sozialen Medien unter Posts setzen, die die Regierungspolitik kritisieren – etwa unter Posts, die das Leid der Menschen in Gaza zeigen und die Verantwortlichen beim Namen nennen: Scholz, Baerbock und Co. Das ist Wasser auf die Mühlen der AfD und wird sie weiter stärken.
Der Kampf gegen die AfD ist daher mit dem Kampf gegen die Kriegs- und Sozialpolitik der Ampelkoalition notwendig verbunden. Die Abwehr von Krieg, Völkermord und Faschismus benötigt die breite Mobilisierung der Arbeiterklasse, vereint über alle Grenzen hinweg, gegen den Kapitalismus, die Wurzel all dieser Übel. Dafür stehen die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Schwesterorganisationen in der Vierten Internationale.