Filmdrama von Mahdi Fleifel

„To a Land Unknown“: Palästinensische Flüchtlinge auf der Suche nach dem Land, wo Milch und Honig fließen

„To a Land Unknown“ des palästinensisch-dänischen Autors und Regisseurs Mahdi Fleifel ist einer der wichtigsten Filme, die in diesem Jahr bisher erschienen sind.

Erstaunlich ist, dass er gedreht, geschnitten und im Mai auf dem Filmfestival in Cannes uraufgeführt wurde, während im Gazastreifen Israels Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser tobte.

Reda und Chatila [Photo]

Fleifels Spielfilm handelt von zwei palästinensischen Flüchtlingen und Cousins ohne Papiere, Reda und Chatila, die in Athen stranden. Verzweifelt versuchen sie, nach Deutschland zu gelangen, wo sie ein Restaurant eröffnen wollen. Bei ihrem Versuch, den erbärmlichen Bedingungen zu entkommen, sind sie gezwungen, auch zu hinterhältigen und sogar brutalen Methoden zu greifen. Für solche Aktionen müssen sie einen Preis zahlen.

Das Filmdrama „To a Land Unknown“ geht auf den aktuellen Krieg, die Politik und die Bedingungen im Gazastreifen nicht ein. Dennoch trägt die Tatsache, dass der Film die Notlage der Palästinenser dramatisiert, sicherlich dazu bei, dass er in Cannes in der Öffentlichkeit und bei den Kritikern ein so starkes Echo hervorrief.

Einem Medienbericht zufolge wurde der Film bei seiner Vorführung auf dem Filmfestival mit neunminütigen stehenden Ovationen bedacht: „Die Menge im Kino skandierte ‚Free, Free Palestine!‘ und andere Slogans, um ihre Unterstützung für Palästina zu zeigen.“

Bei der Vorstellung des Films sagte Fleifel:

In diesen unglaublichen Zeiten ist es für mich besonders bewegend, einen palästinensischen Film in Cannes zu präsentieren. Als Palästinenser fordern wir die Stereotypen in den Medien heraus, aber noch wichtiger ist, dass wir der Unsichtbarkeit trotzen, einem Kampf, den wir von Anfang an geführt haben. Unsere Geschichten werden heute mehr denn je gebraucht.

Der Film wurde zu 50 Filmfestivals eingeladen, unter anderem zu den internationalen Filmfestivals in Neuseeland und Melbourne im August.

"To a Land Unknown" [Photo]

Damit soll nicht gesagt werden, dass die israelischen Verbrechen in Gaza in erster Linie für den Erfolg des Films verantwortlich seien. Weit gefehlt. Dies ist aus sich heraus ein ernsthaftes, intelligentes Kunstwerk. „To a Land Unknown“ ist in der Lage, Kraft und Bedeutung aus dem Zeitgeschehen zu schöpfen, weil er sich bereits an den großen Fragen unserer Zeit orientiert: Armut, soziale Ungleichheit, Angriffe auf Immigranten, Krieg und imperialistische Unterdrückung und ihre unausweichlichen, alltäglichen Folgen für das Leben vieler Menschen.

In Fleifels Film sind die palästinensischen Flüchtlinge Chatila (Mahmoud Bakri) und Reda (Aram Sabbah) ohne Papiere in Athen gestrandet. Sie leben von der Hand in den Mund und hocken zusammen mit anderen arabischen Flüchtlingen in miserablen Unterkünften herum. Reda ist seit einem Monat vom Heroin weg, aber der Drang ist immer noch stark. In einer der Eröffnungsszenen stehlen die beiden einer Frau die Handtasche, um dann entsetzt festzustellen, dass auch sie arm ist und nur fünf Euro bei sich hatte.

Ihr Streben ist in erster Linie auf Pässe und Flugtickets gerichtet, um nach Deutschland zu kommen. „Deutschland ist nicht wie Griechenland.“ Doch falsche Pässe kosten viel Geld. Chatila spricht per Handy mit seiner Frau Nabila und seinem Sohn, die in dem Flüchtlingslager im Libanon bleiben, aus dem er und Reda geflüchtet sind.

„Warum hast Du den Libanon verlassen?“, wird Chatila an einer Stelle gefragt. „Der Libanon ist nicht unser Land“, er ist „wie ein Gefängnis, wie Gaza“. Und was den jetzigen Aufenthaltsort der Cousins angeht: „Schaut euch die Griechen an“, sagt er, „sie sehen aus wie Araber.“

Ein weiterer Raubüberfall. Aber das Geld, das Chatila versteckt hat, ist weg. Reda hat es für Drogen genommen. Chatila ist empört. Wegen seiner Schuldgefühle prostituiert sich Reda, um das Geld, oder einen Teil davon, zu ersetzen. Chatila telefoniert mit Redas Mutter und lügt ihr vor, dass ihr Sohn drogenfrei sei. „Versprich mir, dass du dich um ihn kümmerst“, fleht sie.

Tatiana und Chatila [Photo]

Sie wollen Geld verdienen, indem sie Malik (Mohammad Alsurafa), einen 13-jährigen Jungen, den sie kennengelernt haben, zu einem Verwandten nach Italien schmuggeln. Aber dazu benötigen sie eine „anständige Frau“, die die Rolle seiner Mutter übernimmt. Die zunächst abgelehnte Tatiana (Angeliki Papoulia), die Chatila in einem Park kennengelernt hat, muss dafür herhalten. Allerdings glaubt sie Chatila nicht, dass er und Reda Malik nur nach Italien helfen wollen. „Wie viel Geld werdet ihr dafür kriegen?“ fragt sie und verlangt schnell einen Anteil.

Nachdem diese Aktion in die Wege geleitet ist, kommt Chatila auf einen noch ehrgeizigeren und gefährlicheren „Menschenschmuggel“–Plan, der ihnen auf einen Schlag das gesamte benötigte Geld bescheren soll. Die Dinge laufen natürlich nicht wie geplant.

Reda ist der sensiblere oder zumindest derjenige der beiden Cousins, dem das Gewissen schlägt. In Gesellschaft des völlig abhängigen Abu Love (Mouataz Alshaltouh) nimmt er Drogen, um sich darüber hinwegzutrösten. „Chatila, wir sind schlechte Menschen“, klagt Reda, als ihr verzweifelter Plan Gestalt annimmt. Chatilas Antwort ist lediglich ein Hinweis auf „die Scheiße, in der wir stecken“. Auch um sich zu trösten, träumt Reda von ihrem zukünftigen Leben in Deutschland, dem vermeintlichen Schlaraffenland. „Erzähl mir von unsrem Café“, fordert er Chatila auf, der sich darauf einlässt und Bilder von einem „kleinen Lokal in einem arabischen Viertel“ malt, mit „Nabila in der Küche“, usw.

Zum Schluss wiederholt Abu Love Verse von dem berühmten palästinensischen Dichter Mahmoud Darwisch „The Mask Has Fallen“. „Die Maske ist gefallen“, rezitiert er. „Du hast keine Brüder, mein Bruder. Du hast keine Schlösser, kein Wasser, keine Medizin, keinen Himmel, kein Blut, kein Segel.“

Diese Zeilen erhalten angesichts des Völkermords im Gazastreifen eine ganz neue Bedeutung. Israel setzt den Genozid mit Unterstützung der USA und der anderen Großmächte durch, und die arabischen bürgerlichen Regime billigen ihn voll und ganz. Der „demokratische“, „friedliche“ Mantel ist gefallen, an seine Stelle ist etwas Grausames, Blutiges getreten.

Schlussszene in "To a Land Unknown" [Photo]

„To a Land Unknown“ ist scharfsinnig, unsentimental, realistisch, konkret und gelegentlich komisch. Er malt keine schönen Bilder, und er ist auch nicht im Geringsten zynisch. Chatila und Reda und auch die meisten anderen, sind durchaus vernünftige, emphatische, ja sogar liebenswerte, gutmütige Menschen. Schreckliche Umstände (wie 75 Jahre zionistischer Gewalt) führen zu schrecklichen Ergebnissen.

Der intensive Film ist aufrichtig und authentisch. Hier kommt zweifellos die schmerzhafte, quälende palästinensische Erfahrung ins Spiel. Dabei ist es nicht unbedingt so, dass Unterdrückung adeln würde. Der Film „To a Land Unknown“ zeigt dies gut. Wenn der Künstler unter diesen schwierigen Bedingungen jedoch das Leben und den Kampf ernst nimmt, kann er eine persönliche und gesellschaftliche Ehrlichkeit zum Ausdruck bringen, die zwingend und unwiderstehlich ist. Mit einem berühmten französischen Autor könnte er sagen: „Aber vor allem will ich wahrhaftig sein.“

Der Film beleuchtet die Situation der palästinensischen Flüchtlinge, die physische und psychische Notlage der Sanspapiers und der Verzweifelten im Allgemeinen und bietet nebenbei einen Einblick in das soziale Elend in Griechenland, das zum Teil dem verrotteten „linken“ Syriza-Regime geschuldet ist, das einen sozialen Wandel versprochen hatte und sich dann den Banken und dem Großkapital an den Hals geworfen hat.

Die Bedingungen, die wir in Athen sehen, unterscheiden sich nicht so sehr von denen an unzähligen anderen Orten. Die Drogen, die tägliche Gewalt, die Verzweiflung, der Kampf ums Überleben. Der Kapitalismus fügt dies der Bevölkerung überall zu. Die herrschende Elite legt die Hände in den Schoß oder verweist auf die Erbsünde und die Verkommenheit der menschlichen Natur, um damit nur die Verbrechen zu entschuldigen, die sie selbst aufgrund ihres Profitstrebens, ihrer Rücksichtslosigkeit und ihrer Korruption begeht. Filme wie dieser weisen in eine andere Richtung. Sie zeigen auf das bestehende System und auf seine gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen.

Mit „To a Land Unknown“ und „A World Not Ours“ hat Fleifel nun zwei gehaltvolle, bewegende, aufrüttelnde Spielfilme geschaffen. Darüber hinaus hat er eine Reihe von beeindruckenden Kurzfilmen, sowohl Spiel- als auch Dokumentarfilmen, gedreht: „Xenos“ (2014), „A Man Returned“ (2016), „A Drowning Man“ (2017) und „3 Logical Exits“ (2020). Es ist schwierig, einen anderen Filmemacher zu nennen, der in den letzten zwölf Jahren mehr erreicht hat.

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