Erstmals seit dem Ende der Nazi-Diktatur ist eine rechtsextreme Partei bei einer deutschen Landtagswahl stärkste Kraft geworden. Die AfD erhielt am Sonntag in Thüringen fast ein Drittel der abgegebenen Stimmen und lag damit knapp 10 Prozent vor der CDU, der zweitstärksten Partei. In Sachsen erreichte die AfD ebenfalls über 30 Prozent und verfehlte den Wahlsieg hinter der CDU nur knapp.
Die AfD wird in Thüringen von Björn Höcke geführt, der laut Gerichtsbeschluss als Faschist bezeichnet werden darf und wegen Verwendung verbotener Nazi-Parolen verurteilt wurde. Der Geschichtslehrer war vor zehn Jahren aus dem westdeutschen Hessen ins ostdeutsche Thüringen gezogen, um dort den Landesverband der AfD zu gründen. Auch der Spitzenkandidat in Sachsen, Jörg Urban, zählt zum Höcke-Flügel der Partei.
Der Wahlerfolg der AfD hat aber weniger mit dem Möchtegern-Hitler Björn Höcke zu tun, als mit dem Rechtsruck sämtlicher etablierten Parteien. Sie schüren alle Migrantenfeindlichkeit und Nationalismus, um explosive soziale Spannungen in rechte Kanäle zu lenken, Unterstützung für ihre verbrecherischen Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten zu mobilisieren und die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse zu zerschlagen.
Unmittelbar vor den Wahlen, nach einem Anschlag in Solingen mit mutmaßlichem islamistischem Hintergrund, erreichte ihre ausländerfeindliche Kampagne einen neuen Höhepunkt. Politiker aller Parteien überboten sich gegenseitig mit rechtsradikalen Forderungen nach mehr Abschiebungen, Verschärfung des Asylrechts und mehr Vollmachten für die Polizei. Das ermöglichte es der AfD, trotz einer Rekordwahlbeteiligung von 74 Prozent ihren Stimmenanteil auszubauen.
Vor allem die arbeiterfeindliche und militaristische Politik der angeblich „linken“ Parteien und die systematische Unterdrückung des Klassenkampfs durch die Gewerkschaften im Namen der Sozialpartnerschaft versetzen die rechten Demagogen in die Lage, soziale Empörung, Existenzängste, den Hass auf die Arroganz der Herrschenden und selbst die Opposition gegen Krieg für ihre reaktionären Ziele auszuschlachten.
Der Ukrainekrieg, der von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird, spielte im Wahlkampf eine zentrale Rolle. Die AfD spielte sich als „Friedenspartei“ auf, obwohl sie für mehr Aufrüstung, die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die unverzügliche Wiederherstellung der „Verteidigungsfähigkeit Deutschlands“ eintritt. Sie lehnt die Nato-Offensive gegen Russland nur ab, weil sie den deutschen Imperialismus aus der militärischen Abhängigkeit von den USA befreien will, damit er seine geostrategischen Interessen aus eigener Kraft verfolgen kann.
Die Ampel-Parteien, die in Berlin die Bundesregierung bilden, und Die Linke erlebten ein Wahldesaster. Während die SPD ihr miserables Ergebnis der letzten Landtagswahl von rund 7 Prozent etwa halten konnte, flogen die Grünen in Thüringen aus dem Landtag. In Sachsen gelang ihnen der Wiedereinzug nur knapp. Die FDP versank mit 1 Prozent in der Bedeutungslosigkeit.
Noch drastischer war der Einbruch der Linkspartei. In Sachsen verfehlte sie die Fünf-Prozent-Hürde, zieht aber aufgrund der Direktmandatsklausel im sächsischen Wahlrecht trotzdem in den Ladtag ein, da sie in Leipzig zwei Direktmandate gewonnen hat. In Thüringen, wo sie mit Bodo Ramelow seit zehn Jahren den Ministerpräsidenten stellt, fiel sie von 31 auf 13 Prozent. Das war die Quittung für Ramelows rechte Politik, der systematisch Flüchtlinge abgeschoben, Sozialkürzungen umgesetzt und sogar die Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine gefordert hat.
Mit dem ihm eigenen Zynismus bezeichnete Ramelow die Wahl nach Bekanntwerden der ersten Prognosen als „Festtag der Demokratie“, weil sich so viele Wähler wie noch nie beteiligt hätten. Er versprach, er werde jetzt „alles tun“, um Mario Voigt von der CDU bei der Bildung einer Regierung zu helfen. Ramelow stellt sich damit hinter die CDU von Friedrich Merz, die sich mit der AfD und der Bundesregierung einen Wettkampf um die rechteste Politik liefert.
Die höchsten Stimmengewinne verbuchte das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), eine Abspaltung der Linkspartei, die in Thüringen auf Anhieb 16 und in Sachsen 12 Prozent der Stimmen erhielt.
Das BSW ist, wie wir gezeigt haben, keine Alternative zur Ampel. Es verbindet Flüchtlingshetze und Staatsaufrüstung mit der Ablehnung des Ukrainekriegs und sozialer Demagogie. Noch am Wahlabend bekräftigten Wagenknecht, die sächsische Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann und die thüringische Katja Wolf ihre Bereitschaft, mit der CDU und den anderen etablierten Parteien in Koalitionsverhandlungen einzutreten. Ein Regierungsbündnis mit der AfD schlossen sie zwar (noch) aus, ließen aber die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Partei in Sachfragen offen.
Das Anwachsen der AfD ist im Osten Deutschlands, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, besonders ausgeprägt. Das hängt mit den bitteren Erfahrungen zusammen, die hier mit allen etablierten Parteien gemacht wurden.
Das begann mit dem industriellen Kahlschlag nach der Deutschen Einheit, dem 8000 Betriebe und Millionen Arbeitsplätze zum Opfer fielen, setzte sich fort mit der Agenda 2010 der Bundesregierung von SPD und Grünen, die Ostdeutschland in ein riesiges Experimentierfeld für Niedriglohnarbeit verwandelte, und gipfelte in den wirtschaftlichen Folgen der Russlandsanktionen und des Ukrainekriegs.
Die sozialen Folgen sind mit Händen zu greifen. Auch 34 Jahre nach der Deutschen Einheit ist der Lebensstandard im Osten deutlich niedriger als im Westen. Vor allem in ländlichen Gebieten dominieren Überalterung, zerfallende Infrastruktur, Ärzte- und Lehrermangel und bittere Armut. Mit viel Staatsgeld geförderte industrielle Leuchtturmprojekte brachen immer wieder zusammen. Nun drohen Autowerke, Chiphersteller sowie zahlreiche andere Fabriken im Strudel des globalen Wirtschaftskriegs unterzugehen. Allein in Sachsen gerieten im vergangenen Jahr 14 größere Unternehmen in eine schwere Krise, gingen Pleite oder schlossen ihren Standort.
Das Anwachsen rechtextremer Parteien ist aber nicht auf den Osten Deutschlands beschränkt. In bundesweiten Umfragen liegt die AfD zwischen 16 und 19 Prozent. In fast allen imperialistischen Ländern finden sich ähnliche Entwicklungen. Donald Trump in den USA, Giorgia Meloni in Italien, Marine Le Pen in Frankreich und Geert Wilders in den Niederlanden sind Bespiele dafür.
Der Grund für die Rückkehr von Faschismus und Krieg ist die tiefe Krise des Weltkapitalismus. Der Gegensatz zwischen den Superreichen, die das Wirtschaftsleben dominieren, und der Arbeiterklasse hat ein Ausmaß erreicht, dass sich nicht mehr mit Demokratie vereinbaren lässt. Und der Kampf um Rohstoffe, Märkte und Profite treibt die imperialistischen Großmächte wie im Ersten und Zweiten Weltkrieg zur gewaltsamen Neuaufteilung der Welt.
Dieselbe Krise schafft aber auch die Voraussetzungen für die sozialistische Revolution. Weltweit wächst der Widerstand der Arbeiterklasse und der Jugend gegen Sozialabbau, Entlassungen und Krieg. Die entscheidende Aufgabe besteht darin, ihn mit einer internationalen, sozialistischen Perspektive zu bewaffnen. Dafür kämpft die Sozialistische Gleichheitspartei.