Russische Neostalinisten und Maoisten stellen sich gegen die Kampagne für die Freiheit des ukrainischen Sozialisten Bogdan Syrotjuk

Am 25. April wurde der ukrainische Sozialist und Kriegsgegner Bogdan Syrotjuk in seiner Heimatstadt Perwomajsk in der Region Nikolajew (Mikolajiw) vom Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) verhaftet. Bogdan leitete die Junge Garde der Bolschewiki-Leninisten (YGBL), die sowohl gegen das Selenskyj- als auch das Putin-Regime kämpft.

Bogdan Syrotjuk Mitte April 2024

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale begann eine internationale Kampagne zur Verteidigung Bogdans und forderte seine sofortige Freilassung und das Ende seiner politischen Verfolgung. Die YGBL, die in der Ukraine und Russland sowie weiteren Ländern der ehemaligen Sowjetunion aktiv ist, hat auch an Organisationen in Russland appelliert, die sich als „links“ und „sozialistisch“ bezeichnen, um Hilfe bei der Berichterstattung über den Fall zu erhalten. Die überwiegende Mehrheit reagierte ablehnend.

Positiv hervorzuheben sind der Telegram-Kanal von Boris Kagarlitzkis Website „Rabkor“ (die das IKVI offen gegen politische Verfolgung verteidigt hatte) sowie die Organisationen Internationale Marxistische Tendenz (IMT) und Revolutionäre Arbeiterpartei (RRP), die Erklärungen zur Unterstützung Bogdans veröffentlichten. Eine Handvoll kleinere Organisationen und öffentliche Seiten haben zugestimmt, die Kampagne zu unterstützen. Doch die meisten bekannten Organisationen wie die Russische Arbeiterfront (RTF), die Union der Marxisten (SM), „Herold des Sturms („Westnik Buri“), Wasili Sadonins „Es gibt einen Ausweg“ („Wychod Jest“) und viele andere kleine Gruppen und Organisationen ignorierten uns. Einige kleinere Organisationen antworteten uns zwar, allerdings überwiegend ablehnend.

Ihre Antworten lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Sie halten es für einen Fehler, in Russland Informationen über Bogdans Verfolgung zu verbreiten, und argumentieren, dies würde Bogdan nur schaden, da sie „Beweise“ (!!!) für Bogdans Beziehungen nach Russland liefern würden. So schrieb die „Lenin Crew“, die sich als „orthodoxe Marxisten“ bezeichnen und versuchen, den Trotzkismus mit seinem Todfeind, dem Stalinismus, zu vereinen: „Bogdans Schicksal tut uns sehr leid. Aber wir glauben, dass sich Kommunisten aus Russland an keiner öffentlichen Reaktion beteiligen sollten, da dies nur ein weiteres Druckmittel zur Verfolgung wäre, ... ein weiterer Beweis für seine Beziehungen nach Russland.“

Unseren unglückseligen „Linken“ entgeht ein wichtiges Detail: Bogdan Syrotjuk wird vorgeworfen, er würde im Auftrag des russischen Staats handeln, der in die Ukraine einmarschiert ist. Mit der Behauptung, russische Sozialisten würden mit einer prinzipiellen Reaktion auf Bogdans Verhaftung Beweise liefern, die „ihn mit Russland in Verbindung bringen“, akzeptieren sie einfach die Gleichsetzung der russischen Regierung mit der russischen Arbeiterklasse, die wir – wie alle Sozialisten – zurückweisen.

In unserer Antwort erklärten wir, dass Bogdan – genau wie die YGBL und das ganze Internationale Komitee der Vierten Internationale – ein prinzipientreuer Gegner des russischen Überfalls auf die Ukraine und des ganzen russischen Regimes ist. Die realen Tatsachen sprechen also für Bogdan und gegen die betrügerischen Anschuldigungen eines Landesverrats. Zweitens betonten wir, dass wir Bogdan nur durch ein offenes Hinweisen auf seine wirkliche internationalistische Position zur Kriegsfrage schützen können, weil Bogdan für die Einheit der Arbeiter in Russland und der Ukraine kämpft. Wenn wir versuchen, diese Tatsachen zu vertuschen, würden wir ihm jede Argumentation zur Verteidigung seiner Unschuld nehmen. Doch diese Gruppen reagierten auf die Klarstellung mit Schweigen. Nur eine von ihnen erklärte in wenigen Sätzen, warum sie ihre Position nicht überdenken wird.

Andere weigerten sich rundheraus, den Kampf für Bogdans Freiheit zu unterstützen. Einige erklärten faktisch ihre Unterstützung für das Putin-Regime und seinen reaktionären Einmarsch in die Ukraine, andere für die Nato und die ukrainische Regierung. Die neostalinistischen Sozialchauvinisten der Kommunistischen Arbeiterpartei Russlands (RKRP) wiederholten zuerst die Argumente der Lenin Crew, man wolle keine „Beweise“ für Beziehungen zu Russland liefern, danach verteidigten sie zynisch die russische Invasion:

...Seid konsequent! Wenn euer Genosse von Anfang an gegen die MSO [Militärische Spezialoperation] war, solltet ihr euch jetzt nicht beschweren! Leider, aber es ist ganz logisch, dass er seine Ladung abgekriegt hat! Jetzt hat er die Chance, am eigenen Leib zu erfahren, wessen Regime reaktionärer ist. Nur die „reaktionären“ Truppen des furchtbaren, schrecklichen Putin werden ihn befreien. Wir sind, gelinde gesagt, keine Fans von Wladimir Wladimirowitsch [Putin], aber die Position eures Genossen ist offen gesagt dumm. Kopiert nicht mechanisch die Taktik der Bolschewiki des frühen 20. Jahrhunderts! Denkt nach! Die Bolschewiki haben ihre Taktik an bestimmte Bedingungen geknüpft, die absolut nicht mit den heutigen Bedingungen vergleichbar sind.

Ein noch ekelhafteres Beispiel für sozialchauvinistische Rhetorik ist schwer vorstellbar. Wir zitieren sie nur, damit Arbeiter und Jugendliche in Russland und anderen Teilen der Welt sich daran erinnern, wie sich Sozialchauvinisten benehmen, wenn sozialistische Kriegsgegner in einem Land verfolgt werden, das von ihrer eigenen Regierung überfallen wurde. Zweifellos teilen diese Position auch viele andere, die lieber schweigen und befürchten, dass ihr Bündnis mit kremlfreundlichen Kräften gefährdet würde, wenn sie sich offen für einen ukrainischen Antikriegsgegner und Sozialisten aussprechen.

Die zweite Reaktion kam von der Maoistischen Ural-Union, die bis vor kurzem Teil der bekannten Maoistischen Partei Russlands war. Auch sie weigerte sich, Bogdan zu verteidigen. Ihre Antwort soll hier ganz zitiert werden: 

Wir halten es für inakzeptabel, sich in die Angelegenheiten der Arbeiterklasse eines anderen Staates einzumischen. Wir glauben auch, dass jede Hilfe für euren Genossen aus Russland schädlich wäre. Das ist eine Sache der ukrainischen Politik. Die Berichterstattung darüber und die Verteidigung eures Genossen sollten von ukrainischen Politikern und ukrainischen Medien übernommen werden. Wir halten es für inakzeptabel, den ukrainischen Sicherheitsdiensten mit Beweisen für die Verbindung eures Genossen zu den Russen zu helfen. Wir halten es für noch inakzeptabler, der russischen Propaganda Gründe zu liefern, um die Ukraine zu dämonisieren und sie zu einem Hort der Gräueltaten und des Bösen zu erklären. Das Allerletzte, was man will, ist, den russischen Imperialismus zu unterstützen, und es ist wichtig für die ukrainischen Kommunisten, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen. Die Geschichte eures Genossen ist zweifellos unangenehm, aber der volksfeindliche Charakter des ukrainischen Regimes sollte von Ukrainern für Ukrainer entlarvt werden.

Die Antwort ist ein Hohn auf den marxistischen Grundsatz des Internationalismus, der seit den Tagen des Kommunistischen Manifests (1847) lautet: „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“ Dem stellen die Maoisten das Prinzip entgegen: „Proletarier aller Länder, mischt Euch nicht in die Angelegenheiten der Arbeiterklasse eines anderen Staates ein!“ Offen gesagt, handelt es sich hier um eine ultranationalistische, antisozialistische Position, die die Maoisten als eine Organisation entlarvt, die nichts mit der Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse zu tun hat.  

Zudem entpuppen sich die Maoisten mit dieser Antwort als Verbündete der ukrainischen Regierung und der Nato. Statt einem Antikriegsaktivisten in der Ukraine zu helfen, isolieren sie Bogdan und versuchen, in der Ukraine und Russland Unterstützung für ihn abzublocken. Der wirkliche Grund für ihre Weigerung, die Kampagne zu seiner Freilassung zu unterstützen, ist ihre Ablehnung gegenüber den Prinzipien des internationalen Sozialismus, die Bogdan verteidigt. 

Die Reaktion der russischen Neostalinisten und Maoisten, die die angebliche „Linke“ in Russland noch immer dominieren, ist ein Bruch der grundlegendsten Prinzipien der sozialistischen Bewegung. Der Widerstand der sozialistischen Arbeiterbewegung gegen Krieg ging mehr als ein Jahrhundert lang mit umfassenden Verteidigungskampagnen einher. Ein Beispiel ist die Kampagne zur Freilassung von Thomas Mooney und Warren Billings. Die beiden Arbeiter saßen jahrelang für ihren Widerstand gegen den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg im Gefängnis. Diese Kampagnen hatten immer internationalen Charakter und beruhten auf demokratischen Grundprinzipien wie: Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle. Arbeitsplätze können nicht verteidigt werden, wenn demokratische Rechte, vor allem von Kriegsgegnern, missachtet werden.

Indem sie eine Verteidigung von Bogdan Syrotjuk ablehnen, offenbaren alle diese angeblich „linken“, „sozialistischen“ und „kommunistischen“ Organisationen ihre erbitterte Feindschaft gegenüber der Arbeiterklasse, demokratischen Rechten und dem sozialistischen Kampf gegen Krieg. 

Ihre Reaktion sollte Arbeitern und Jugendlichen in Russland und weltweit als Lehrstück für den Charakter dieser Kräfte dienen, die aus den Trümmern des Stalinismus emporgekommen sind.

Die YGBL wird sich nicht von ihrem Kampf für die Befreiung unseres Genossen abschrecken lassen. Wir werden unsere Bemühungen verdoppeln, unseren Genossen zu befreien, und Unterstützung unter Arbeitern und Jugendlichen in Russland und anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion mobilisieren. Seine Verteidigung ist untrennbar mit dem Kampf gegen Krieg und den Angriffen auf demokratische Rechte verbunden. Von diesem Standpunkt ist die Entwicklung der Kampagne in Russland von besonderer Bedeutung.

Wir fühlen uns den gleichen Aufgaben verpflichtet, die sich Bogdan gestellt hat: die Vereinigung der russischen und ukrainischen Arbeiterklasse zum Kampf für den Sozialismus. Daher sind wir überzeugt, dass diese Kampagne dazu beitragen wird, das internationalistische sozialistische Bewusstsein in der Arbeiterklasse zu erhöhen. Die Arbeiterklasse in Russland, der Ukraine und im Rest der Welt muss sich als politische Kraft verstehen, die ihre eigenen politischen Ziele verfolgen kann, in diesem Fall die Verteidigung von Bogdans demokratischen Rechten. Zweitens sind wir überzeugt, dass sich die Bande der Solidarität und Freundschaft zwischen russischen und ukrainischen Arbeitern erneuern werden, wenn sie sehen, dass es in beiden Ländern sozialistischen Widerstand gegen den Krieg gibt. Daher müssen die Arbeiter in der Ukraine und Russland von der Verhaftung Bogdans erfahren und sich zusammen für seine Freilassung einsetzen. Bogdan kämpft für Frieden und Sozialismus und wurde vom Kiewer Regime zu Unrecht für seine mutige Haltung verhaftet.

Grafik der Jungen Garde der Bolschewiki-Leninisten zu Ehren ihres fünfjährigen Bestehens

Wir appellieren an Arbeiter, Jugendliche und alle, die sich als Sozialisten betrachten und zurecht über dieses Verhalten der russischen Organisationen der „linken Bewegung“ empört sind: Wenn ihr denkt, eine Organisation des Proletariats sollte sich nicht so verhalten, sondern sich zu jeder Zeit und in jeder Hinsicht als wirklich sozialistische Organisation zeigen und keine Kompromisse bei den Prinzipien machen, die die marxistische Bewegung seit 175 Jahren vertritt und heute von ihren Nachfolgern in der trotzkistischen Bewegung hochgehalten werden, wenn ihr selbst bereit seid, den Kampf für diese Prinzipien aufzunehmen: Schließt Euch der Jungen Garde der Bolschewiki-Leninisten an! Verbreitet die Informationen über die Inhaftierung unseres Genossen Bogdan Syrotjuk in der Ukraine! Unterzeichnet die Petition für Bogdans Freilassung! Kämpft für die Einheit der russischen und ukrainischen Arbeiterklasse auf Grundlage der Perspektive des Sozialismus und für Frieden zwischen Russland und der Ukraine!

Freiheit für Bogdan Syrotjuk!

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