Parteiaustritt der „Grünen Jugend“-Führung signalisiert weiteren Rechtsruck der deutschen Politik

Vergangene Woche erklärte der zehnköpfige Bundesvorstand der Grünen Jugend (GJ) in einem Statement, zum nächsten Bundeskongress Mitte dieses Monats alle Ämter niederzulegen, geschlossen aus der Mutterpartei Bündnis 90/Die Grünen auszutreten und einen „neuen, dezidiert linken Jugendverband“ zu gründen. Es folgten Rück- und Austrittserklärungen dutzender Vorstandsmitglieder auf Landesebene in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hamburg und Niedersachsen.

Svenja Appuhn und Katharina Stolla, die zurückgetretene Bundessprecherinnen der Grünen Jugend [Photo: GJ-Pressefoto / Elias Keilhauer]

Die GJ-Spitze um Svenja Appuhn (26) und Katharina Stolla (26) reagiert damit auf die vernichtenden Wahlergebnisse der Grünen in diesem Jahr und die völlige Diskreditierung der Partei in den Augen junger Wählerinnen und Wähler. Bei den Europawahlen hatten sich die Grünen im Vergleich zu 2019 fast halbiert, in Sachsen erhielt die Partei 5,1 Prozent der Stimmen. In Thüringen und Brandenburg scheiterten die Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde, woraufhin die Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang zurücktraten. Der GJ-Vorstand gab gegenüber der Presse an, seine Entscheidung bereits mehrere Wochen zuvor unabhängig davon getroffen zu haben.

Das Austrittsstatement fordert, „die Wirtschaft endlich in den Dienst der Menschen zu stellen“, und erklärt, „dass es wieder eine starke linke Kraft in Deutschland braucht, die gerade diejenigen anspricht, die sich in den letzten Jahren abgewandt haben“. Zugleich betont die GJ-Führung, dass man keinen Groll gegen die Partei hege und ihr keinen Schaden zufügen wolle.

Die Trennung vollzog sich völlig einvernehmlich, da sich sowohl die ausgetretenen „Rebellen“ als auch der Rumpf der Partei um Wirtschaftsminister Robert Habeck politische Vorteile davon versprechen. Während Habeck die Option einer grün-schwarzen Bundesregierung vor Augen hat und als „Rüstungsindustrieminister“ offen die Interessen der deutschen Waffenkonzerne ins Zentrum stellt, versuchen die GJ-Vorstände, die Wut über die von ihrer Partei mitverursachte soziale Katastrophe für ihren eigenen politischen Aufstieg zu missbrauchen.

Die Parteispitze beeilte sich, einen weiteren Rechtsruck der Grünen zu verkünden. Felix Banaszak, der 2022 in Nordrhein-Westfalen die schwarz-grünen Regierungsverhandlungen mitgestaltet hatte und zusammen mit der Habeck-Vertrauten Franziska Brantner das Amt des Parteivorsitzenden anstrebt, appellierte an CDU/CSU: „Parteien im demokratischen Spektrum müssen miteinander koalitionsfähig sein.“

Die langjährige Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast begrüßte in der Talkshow Maischberger den Austritt der GJ-Vorstände mit den Worten: „Wer Sozialismus-Ideen hatte, war bei den Grünen von Anfang an falsch.“

In dasselbe Horn stieß der notorisch rechte ehemalige Grünen-Politiker Boris Palmer, der das Ende einer vermeintlichen „feindlichen Übernahme“ der Partei durch eine „woke Bewegung“ bejubelte und erklärte: „Wer Politik gegen die Wirtschaft und mit Marx’ Theorien machen will, ist bei einer grünen Partei einfach völlig falsch aufgehoben.“ Medienberichten zufolge strebt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann Palmers Rückkehr in die Partei an.

Tatsächlich haben die ex-grünen Nachwuchspolitiker mit Marx und dem Sozialismus jedoch nicht das Geringste am Hut. Wie ein Statement auf der Homepage der Gruppe feststellt, sind alle Mitglieder „innerhalb der letzten zehn Jahre den Grünen beigetreten“. Die politische Grundlage für den Parteibeitritt dieser Personen ist also die rechte Regierungsbilanz der Grünen in 14 Bundesländern, die Bombardierung Serbiens, die Invasion Afghanistans, die Einführung von Hartz IV und die EU-Osterweiterung.

Weit davon entfernt, gegen die Regierungspolitik der Ampel-Koalition mobil zu machen, hat sich die Grüne Jugend in den zentralen Fragen vollständig hinter die Bundesregierung gestellt und die Eckpunkte der bisherigen Politik der Grünen – Verteidigung der Europäischen Union (EU), Unterstützung für Israel und den Nato-Stellvertreterkrieg in der Ukraine – aktiv mitgetragen.

So stellte sich die Grüne Jugend in einem Beschluss ihres Bundeskongresses vom 1. Oktober 2022 explizit hinter die deutsche Kriegspolitik in der Ukraine, forderte die weitere „militärische Unterstützung“ des ukrainischen Regimes und wies Forderungen nach einem Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine als „Diktatfrieden“ zurück. Inzwischen erwägen die Nato-Mächte, der Ukraine grünes Licht für den Einsatz der von ihnen glieferten Langstreckenraketen auf Ziele innerhalb Russlands zu geben, und nehmen einen Atomkrieg unverhüllt in Kauf.

Der letzte Bundeskongress der Grünen Jugend am 22. Oktober 2023 unterstützte auch den israelischen Vernichtungsfeldzug in Gaza. Der Beschluss mit dem Titel „Solidarität mit Israel“ bezeichnet den zionistischen Staatsapparat als „Schutzraum jüdischen Lebens“, der das „Recht“ habe, sich „zu verteidigen und die Geiseln zu befreien“. Unter dieser verlogenen Parole hat die rechtsextreme Netanjahu-Regierung seitdem mit Unterstützung des Westens einen Völkermord in Gang gesetzt, der wissenschaftlichen Schätzungen zufolge bereits Hunderttausende das Leben gekostet und einen umfassenden Krieg in der ganzen Region heraufbeschworen hat.

Derselbe Beschluss wiederholt die westliche Kriegspropaganda, wonach es sich bei den Bewohnern des Gaza-Streifens um „menschliche Schutzschilde“ handele und die palästinensischen Kämpfer „Stützpunkte in Schulen und Krankenhäusern“ errichtet hätten. Er schließt: „Es ist richtig, dass die Bundesregierung Israel unterstützt: finanziell, humanitär und auch militärisch.“

Mit ihrem Austritt versucht die GJ-Führung, diese Unterstützung der Bundesregierung zu vertuschen und zugleich die rechten Kernaspekte der grünen Politik in einer neuen Verpackung weiterzuverfolgen. Um das politische Vakuum der kollabierten Linkspartei auszunutzen, soll dies mit einem gelegentlichen Lippenbekenntnis gegen die soziale Ungleichheit verbunden werden, wovon die grüne Mutterpartei endgültig Abstand genommen hat.

Arbeiter und Jugendliche sollten diese Täuschungsversuche zurückweisen und keinerlei Illusionen in die neue Formation hegen. Ihre politische Grundlage wird darin bestehen, die geopolitischen Interessen des deutschen Imperialismus zu unterstützen und dies mit einiger sozialer Demagogie zu bemänteln. Nachdem sie die Kriegspolitik der Grünen vollständig unterstützt haben, versuchen diese Nachwuchspolitiker nun, die Wut über die dadurch verursachte soziale Katastrophe für ihren eigenen Aufstieg zu missbrauchen.

Die Alternative zur Politik von Krieg und Sozialkahlschlag, die von allen bürgerlichen Parteien verfolgt wird, liegt im Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) und ihrer Jugendorganisation, den International Youth and Students for Social Equality (IYSSE).

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