Am 20. Oktober wurde die US-amerikanische Publizistin und Kriegsbefürworterin Anne Applebaum mit dem „Friedenspreis“ des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Einen Tag zuvor war Applebaum auf der Frankfurter Buchmesse aufgetreten, um ihr neues Buch „Autocracy, Inc. The Dictators Who Want To Run The World“ (Die Achse der Autokraten) zu bewerben. Ihr Buch bezieht sich auf die „Achse des Bösen“ (d. h. Iran, Irak und Nordkorea), die von US-Präsident George W. Bush heraufbeschworen wurde, um die US-Invasion im Irak zu rechtfertigen. Applebaum erweitert diese Liste um Venezuela, Syrien, Simbabwe und die Atommächte Russland und China. Mit ihrem Buch möchte Applebaum insbesondere die Beteiligung der US-Regierung am NATO-Krieg gegen Russland und an einem bevorstehenden Krieg gegen den Iran politisch unterstützen. Wir veröffentlichen hier erneut einen Artikel der bereits kurz nach der Bekanntgabe der Verleihung im Juni diesen Jahres auf der WSWS erschien.
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Am 25. Juni gab der Börsenverein des Deutschen Buchhandels bekannt, dass er seinen jährlichen „Friedenspreis“ an die US-amerikanische Journalistin und Autorin Anne Applebaum vergeben werde. Der Börsenverein ist Organisator der weltgrößten jährlichen Buchmesse in Frankfurt am Main.
Applebaum ist eine berüchtigte neokonservative Kriegshetzerin, die eng mit dem militärischen Geheimdienstapparat der USA verbunden ist. Derzeit spielt sie eine führende Rolle bei der Verbreitung von Propaganda, um die Eskalation des US-Nato-Krieges in der Ukraine gegen Russland zu rechtfertigen. Die Verleihung des Preises, der absurderweise den Namen „Friedenspreis“ trägt, an Anne Applebaum, bestätigt die Tatsache, dass das deutsche Establishment auf einen Weltkrieg zusteuert.
In all den Jahren seit 1950 verlieh der Börsenverein seinen Preis in der Regel an führende deutsche und internationale Literaten und Intellektuelle wie Alfred Grosser, Karl Jaspers, Thornton Wilder, Hermann Hesse oder Albert Schweitzer.
Aber schon die Verleihung des Friedenspreises 2022 an den radikal antirussischen ukrainischen Dichter Serhij Zhadan hat den zunehmend rechtsgerichteten politischen Kurs des Vereins offengelegt. Dass der Verband seinen Preis an den Autoren von „Himmel über Charkiw. Nachrichten vom Überleben im Krieg“ übergab, kam einer Kapitulation vor der Kriegsbegeisterung der deutschen Regierung gleich. Zhadan hat in dem Buch die Russen als „Horde“, als „Verbrecher“ und „Unrat“ bezeichnet. Über die „russischen Tiere“ heißt es darin: „Brennt in der Hölle, ihr Schweine“.
Schon die Ehrung des glühenden Nationalisten Zhadan beschrieb einen Tiefpunkt in der Geschichte des Börsenvereins. Doch die diesjährige Preisverleihung für die üble Kriegstreiberin Anne Applebaum ist beispiellos. In der Begründung der Jury heißt es lachhafterweise, Applebaum gelinge es, „historiographische Erkenntnisse mit wacher Gegenwartsbeobachtung zu verbinden“. Mit ihrem Werk leiste sie „in einer Zeit, in der die demokratischen Errungenschaften und Werte zunehmend karikiert und attackiert werden“, einen „Beitrag für die Bewahrung von Demokratie und Frieden“.
Ein kurzer Blick auf Applebaums Karriere und ihre Publikationen zeigt das genaue Gegenteil. Sie ist nicht weniger als andere heutige Journalisten tief in den US–Sicherheitsstaat eingebettet. Applebaum ist Mitglied der privaten US-amerikanischen Denkfabrik US Council on Foreign Relations. Sie ist auch Vorstandsmitglied des National Endowment for Democracy, einer CIA-Initiative, und der Renew Democracy Initiative, einer weiteren rechtsgerichteten Organisation mit engen Verbindungen zum US-amerikanischen Staatsapparat. Sie war auch schon Mitglied des Beirats des ebenso dubiosen Center for European Policy Analysis. Zwischen 2002 und 2006 war Applebaum Redaktionsmitglied der Washington Post, und derzeit schreibt sie für das US-amerikanische Magazin The Atlantic.
Im Jahr 2003 unterstützte Applebaum voll und ganz die Bombardierung des Irak durch die USA und die anschließende Besetzung des Landes. In einem Leitartikel für die Washington Post, kurz nach dem Auftritt des US-Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat, als er mit Lügen den Irak zu Unrecht beschuldigte, schrieb Applebaum, es sei „schwer vorstellbar, dass jemand noch daran zweifeln kann, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitzt“.
Applebaum ist mit Radoslaw Sikorski verheiratet, einem rechtsextremen polnischen Politiker und Außenminister von 2007 bis 2014 und von 2023 bis heute. Zusammen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und dem US-Außenminister John Kerry spielte Sikorski eine zentrale Rolle beim Maidan-Putsch 2014, der den gewählten prorussischen Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch, absetzte.
Seitdem hat Sikorski eine führende Rolle bei Polens Vorbereitungen für einen Krieg mit Russland gespielt. Insbesondere hat er im September 2022 die Sabotage der deutsch-russischen Nord-Stream-Pipeline unterstützt und gleichzeitig eingeräumt, dass die Nato dahinter steckte. Zusammen mit ihrem Mann tritt Applebaum an vorderster Front für einen totalen Krieg gegen Russland ein.
Über die Karriere dieser antikommunistischen Ideologin und Handlangerin der US-Regierung schrieb die World Socialist Web Site im Jahr 2017: „Nach der russischen Angliederung der Krim forderte sie in der Washington Post den ‚totalen Krieg‘ gegen die Atommacht Russland. Sie ist die Verkörperung von Militarismus, verbunden mit politischer Unterdrückung.“
Mit ihrer „historiographischen Arbeit“ wandelt Applebaum in den Fußstapfen altgedienter antikommunistischer Autoren wie Robert Conquest und Zbigniew Brzezinski. Sie beschönigt die Rolle des ukrainischen Faschistenführers Stefan Bandera, wenn sie sich in der Einleitung ihres Reiseberichts „Between East and West: Across the Borderlands of Europe“ im Jahr 2017 wehmütig erinnert, dass sie während ihrer Reise in die Ukraine im Jahr 1990 „in der Mitte des Hauptparks alte Frauen sah, die unter der blau-gelben ukrainischen Flagge standen und über das Schicksal von Stepan Bandera sprachen, dem Guerillaführer, der in den 1930er und 1940er Jahren für die ukrainische Unabhängigkeit gekämpft hatte“.
Im selben Jahr erschien Applebaums Buch „Roter Hunger. Stalins Krieg gegen die Ukraine“ (deutsch: 2019). Es greift die Lügen der ukrainischen rechtsextremen Diaspora auf und behauptet, dass während der sowjetischen Hungersnot von 1931 bis 1933 ein Völkermord an den Ukrainern stattgefunden habe. Im November 2017 schrieb Applebaum einen weiteren Artikel in der Washington Post, in dem sie vor der Gefahr einer sozialistischen Revolution warnte. Obwohl die Zahl der revolutionären Sozialisten gering sei, dürfe ihr Potenzial nicht ignoriert werden, argumentierte sie.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
„Erinnern wir uns“, schrieb Applebaum, „dass zu Beginn des Jahres 1917 (...) die meisten der Männer, die der Welt später als Bolschewiki bekannt werden sollten, Verschwörer und Fantasten am Rande der Gesellschaft waren. Am Ende des Jahres regierten sie Russland.“ Applebaum zufolge ist die Lehre aus 1917 klar: „Wenn ein System schwach genug und die Opposition gespalten ist, wenn die herrschende Ordnung ausreichend korrupt ist, dann können Extremisten plötzlich im Zentrum, wo niemand sie erwartet, auftreten.“
In Anbetracht von Applebaums Vorgeschichte als Russenhasserin und Kriegstreiberin müsste es zumindest einigen Journalisten und Historikern in den Sinn kommen, dass ihre Nominierung für einen „Friedens“-Preis völlig unangemessen und sogar absurd ist. Ganz im Gegenteil! Wie groß die Kriegsbegeisterung unter deutschen Akademikern und Redakteuren ist, zeigt sich daran, dass kein einziger Ton zu hören ist, der zur Mäßigung raten oder Kritik üben würde.
Nur zwei Wochen, ehe der Börsenverein die diesjährige Preisträgerin bekanntgab, verlieh die Stadt Oldenburg ihren Carl-von-Ossietzky-Preis „für Zeitgeschichte und Politik“ – ebenfalls an Applebaum. Die Jury unter dem Vorsitz eines Professors der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg lobte Applebaums „fachliche Perspektive“ und ihre „journalistische Kompetenz“. Damit habe sie „maßgeblich zur öffentlichen Auseinandersetzung mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine“ beigetragen. Carl von Ossietzky, der führende Kritiker des deutschen Militarismus in der Weimarer Republik, würde sich bei dieser Entscheidung im Grabe umdrehen!
In den deutschen Zeitungen wird die Entscheidung des Börsenvereins offenbar einhellig begrüßt. So schreibt das Online-Portal perlentaucher über die Auszeichnung: „Die Feuilletons freuen sich über die Verleihung des Friedenspreises an die Historikerin und Journalistin Anne Applebaum“. Eine „mutige Entscheidung“, kommentiert Jörg Lau in Zeit Online. „Und zwar gerade, weil sie sich einem allzu naiven Friedensdiskurs verweigert, der auch hierzulande in Bezug auf die Ukraine geführt wird.“
An der Spitze der Medienkampagne zur Überwindung des „allzu naiven Friedensdiskurses“ in Deutschland schreibt Patrick Bahners in der FAZ überschwänglich, die Auszeichnung des Börsenvereins sei ein „Signal gegen die Politik der Beschwichtigung“. Bahners geht in seinem Artikel sogar so weit, den CDU-Vorsitzenden und Ex-Blackrock-Deutschland-Chef Friedrich Merz von rechts anzugreifen. Merz hat die Kriegspolitik der Bundesregierung stets unterstützt. Dennoch wirft Bahners ihm eine Beschwichtigungspolitik vor, nur weil der CDU-Chef kürzlich sagte, der Krieg in der Ukraine müsse „irgendwann mal beendet“ werden.
Jüngste Umfragen zeigen, dass 80 Prozent der Bevölkerung in Deutschland (und 90 Prozent in Polen) eine Eskalation des Krieges in der Ukraine ablehnen. Doch der französische Präsident Emmanuel Macron ruft dazu auf, Truppen in die Ukraine zu schicken, um Russland zu bekämpfen. Die deutschen Medien sind – im Einklang mit der Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), das Land müsse „kriegstüchtig“ werden – fest entschlossen, ihren Teil dazu beizutragen, um die überwältigende Ablehnung des Krieges zu durchbrechen.
Das ist die Bedeutung der überwältigenden Unterstützung in den deutschen Zeitungen für die Verleihung des „Friedenspreises“ an die Kriegstreiberin Anne Applebaum.