Am Freitag beteiligten sich in Italien zehntausende Autoarbeiter des transnationalen Konzerns Stellantis und vieler Zulieferer an einem landesweiten eintägigen Streik. Die zentrale Demonstration fand in Rom statt, wo mehr als 20.000 Arbeiter gegen die Drohung von Stellantis protestierten, Werke zu schließen und Arbeiter zu entlassen.
Der Grund für den Streik ist die Empörung der Arbeiter über die Tatsache, dass Stellantis über Jahre ein Vermögen dafür verschleudert hat, Regierungen zu erpressen, um Subventionen zu erhalten und dann die erpressten Gelder zu dem einzigen Zweck benutzt hat, auf Kosten der Zukunft der Arbeiter eine winzige Schicht von Investoren zu bereichern.
Die Führungen der Gewerkschaften Fim-Cisl, Fion-Cgil und Uilm-Uil sahen sich durch den enormen Druck von unten gezwungen, einen landesweiten Streik auszurufen. Allerdings war klar, dass die Gewerkschaftsbürokratie keinen echten Kampf führen, sondern lediglich die Wut der Arbeiter zerstreuen wollte, um sie leichter zu kontrollieren und zu entwaffnen.
Die Regierungen haben jahrzehntelang eine Politik mit dem Ziel betrieben, die soziale Stellung der Arbeiter zu schwächen und multinationale Konzerne zu stärken. Das hat zu einer Situation geführt, in der 24.000 Arbeitsplätze in der italienischen Autoindustrie und viele weitere in anderen Bereichen bedroht sind. Der offensichtlichste Angriff auf die Arbeiter kam von der Demokratischen Partei (PD), die am Freitag ihre Parteichefs zur Kundgebung nach Rom schickte, um sicherzustellen, dass die Forderungen der Arbeiter den Anforderungen des Kapitals untergeordnet bleiben.
Unter der PD-Regierung des damaligen Parteichefs Matteo Renzi wurde 2016 ein Arbeitsgesetz durchgesetzt, das einen Großteil der früheren Errungenschaften rückgängig machte, die sich die Arbeiter in den 1960ern und 1970ern bitter erkämpft hatten. Artikel 18 des Arbeiterstatuts, das vor willkürlichen Entlassungen schützte, wurde von der PD abgeschafft. Deren heutige Parteivorsitzende, Elly Schlein, nahm an der Kundgebung in Rom teil und appellierte an die faschistische Ministerpräsidentin Giorgio Meloni, wobei sie „die Verzögerungen und das Zögern dieser Regierung“ kritisierte und erklärte, sie müsse „mehr tun“.
Laut Schlein muss die faschistische Meloni-Regierung „mehr tun“. Allerdings enthält die Geschichte Italiens wichtige Lehren aus der 20-jährigen Herrschaft von Mussolinis faschistischem Regime. In diesen zwei Jahrzehnten wurden alle Arbeiterorganisationen rücksichtslos angegriffen, Kämpfe der Arbeiter wurden gewaltsam unterdrückt und die Arbeiter in den Zweiten Weltkrieg gezwungen. Durch ihre Teilnahme an dem Streik und ihre Appelle an die Faschisten zeigt Schlein, dass sie in keiner Weise auf der Seite der Arbeiter steht. Im Gegenteil, durch ihre Unterwürfigkeit ermutigt sie die Faschisten zu noch brutaleren Angriffen auf die Arbeiter.
Gleichzeitig hat die unkritische Unterstützung der Gewerkschaften für kapitalistische PD-geführte Regierungen es der herrschenden Klasse ermöglicht, Milliarden aus den Mitteln für Sozialfonds in die Taschen des Großkapitals umzuverteilen.
Maurizio Landini, Generalsekretär der CGIL, richtete einen weiteren Appell an die faschistische Meloni-Regierung und das Finanzkapital: „Ministerpräsidentin Meloni muss Stellantis mit Vorstandschef [Carlos] Tavares, die Zuliefererbetriebe und die Gewerkschaften zu einem echten industriellen Aufschwungsplan für die Industrie zusammenbringen.“
Wie sehr die politische Elite und die Gewerkschaftsbürokratie sich absprechen, verdeutlicht die Tatsache, dass der faschistische Wirtschaftsminister Adolfo Urso seine Absicht erklärt hat, den Gewerkschaftsapparat zu benutzen, um die Arbeiter den Bedürfnissen des Kapitals unterzuordnen: „Ich stehe den Gewerkschaften und den Arbeitern sehr nahe, sie wissen das.“
Arbeiter wissen, dass kein Faschist ihnen nahesteht. Außerdem kann keine nationale Regierung die Ursache des Problems lösen: die globale Krise des Kapitalismus. Die Stellantis-Arbeiter in Italien sind mit den gleichen Problemen konfrontiert wie diejenigen in den USA und allen anderen Ländern. Angesichts einer beispiellosen Systemkrise nutzt die Finanzoligarchie jedes Mittel, um aus den Arbeitern durch globale Umstrukturierungen, Werksschließungen, Entlassungen und Angriffe auf Sozialprogramme so viel Profit wie möglich herauszuquetschen.
Die drohenden Werksschließungen und der Stellenabbau in Italien sind Teil der allgemeinen weltweiten Kostensenkungsmaßnahmen von Stellantis. Vor kurzem hatte das Unternehmen bereits die Entlassung von 2.400 Arbeitern im Stellantis-Lastwagenwerk Warren außerhalb von Detroit angekündigt.
Der Apparat der United Auto Workers in den USA schickte eine symbolische Delegation zur Demonstration nach Rom. Genau wie ihre Pendants in Italien hat auch die UAW-Bürokratie versucht, die aufgebrachten Arbeiter durch erbärmliche Appelle an das Management von Stellantis und die Biden-Regierung von einem wirklichen Kampf gegen Arbeitsplatzabbau abzulenken. Da die Gewerkschaftsapparate durch und durch nationalistisch sind, sind sie unfähig und feindselig gegenüber einem koordinierten globalen Kampf, obwohl dies der einzige Weg ist, um den transnationalen Autokonzernen die Stirn zu bieten.
Genau wie ihre Kollegen auf der ganzen Welt sind auch italienische Arbeiter mit prekären und unsicheren Bedingungen konfrontiert. Annarita Rosa, eine Mitarbeiterin für Datenmanagement und Archivierung bei Smart Paper, deren Mann in der Autozuliefererindustrie arbeitet, ist von der Region Basilikata nach Rom gereist, um den Streik zu unterstützen.
Sie erklärte: „In dem komplexen Kontext meiner Region hat Stellantis ein großes soziales Gewicht, was Arbeitsmöglichkeiten angeht, da die Wirtschaft der Region von Stellantis und der gesamten Lieferkette abhängt. Der Streik ist motiviert von dem Wunsch, die Autoindustrie zu retten. Das Schreckliche ist, dass wir von der Regierung kein Projekt, keine Vision und keine Zukunft sehen.“
Das Stellantis-Werk in Melfi in der Region Basilikata beschäftigt etwa 6.000 Arbeiter aus der Region. Es sah sich in letzter Zeit mit erheblichen Produktionsproblemen konfrontiert, darunter weniger Schichten und häufige Produktionsausfälle. Im Jahr 2023 gingen dort 1.300 Arbeitsplätze verloren, hauptsächlich durch „freiwillige“ Abfindungspakete, die das Unternehmen anbot, um ältere und teurere Verträge loszuwerden.
Annarita erklärte zu den Folgen der Politik von Stellantis: „Sie haben einen Plan für ,freiwillige‘ Entlassungen aufgelegt. Die sozialen Schäden werden dramatisch sein; viele würden die Region verlassen müssen, da sie nicht viel zu bieten hat und seit Jahrzehnten stark ausgebeutet wird. Sie könnte möglicherweise eine riesige Atommülldeponie werden. Dem Süden fehlt es außerdem an Infrastruktur, die Lage ist ziemlich unsicher.“
Sie stellte auch Überlegungen zu den politischen Ursprüngen der derzeitigen Lage an: „Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist dramatisch, sie ist prekär, und sie erpressen uns. Es finden Massenentlassungen statt. Die meisten Arbeiter haben das Vertrauen in die Politiker verloren. Die Renzi-Regierung hat Artikel 18 abgeschafft, die Arbeiter geschwächt und zwei Schichten geschaffen... Die Arbeitgeber sparen auch bei der Sicherheit, was zu Todesfällen am Arbeitsplatz führt, und das sollte in einer zivilisierten Gesellschaft nicht normal sein.“
Annarita betonte auch den Zusammenhang zwischen Krieg und den Angriffen auf Arbeiter: „In Palästina findet ein Völkermord statt, und wer Israel weiter mit Waffen versorgt, schürt den Krieg. Das Gleiche gilt für die Ukraine... Es gibt einen Zusammenhang, weil alle Mittel, die für Krieg und Waffen verwendet werden, müssen für Arbeitsplätze, Infrastruktur und Gesundheitswesen eingesetzt werden.“
Ebenfalls in Süditalien, im Großraum Neapel, befindet sich das Werk Pomigliano d'Arco, auch bekannt als Giambattista-Vico-Werk. Es wurde 1972 gegründet, und derzeit wird dort der Fiat Panda, der Alfa Romeo Tonale und der Dodge Hornet hergestellt. Im Laufe der Jahre ist die Zahl der Beschäftigten von fast 7.000 auf derzeit 4.600 gesunken, von denen nur 3.000 tatsächlich arbeiten; die anderen erhalten Arbeitslosengeld. Mindestens 424 Arbeitsplätze sind unmittelbar bedroht.
Tommaso Pirozzi, ein Arbeiter des Werks, kritisierte die Gewerkschaftsverbände: „Sie fordern zwar mehr Sozialfonds für Stellantis und Tavares, aber wir wollen einen anderen Plan für die Industrie.“ Tommaso betonte, die „Verstaatlichung der Industrie“ sei notwendig.
Auch er nannte die Verantwortlichen für die derzeitige Situation: „In den letzten 20 Jahren waren wir in einem Zustand der Dauerkrise... Von Fiat über FCA bis zu Stellantis, eine lange Reihe von Programmen. Zuerst kam [der ehemalige Vorstandschef Sergio] Marchionne, dann Tavares, die nur ein Ziel hatten: maximalen Profit mit Hilfe des Staats, indem sie Geld aus den öffentlichen Kassen durch Entlassungsfonds (Cassa Integrazione) und Subventionen stahlen, mit der Komplizenschaft von politischen Parteien und Gewerkschaften.
Anstatt einen echten Kampf gegen Fiat/Stellantis für den Erhalt von Arbeitsplätzen zu führen und dafür zu sorgen, dass die diese Krise Arbeiter nicht auf dem Rücken der Arbeiter ausgetragen wird, haben sie in Wirklichkeit nur mehr Geldgeschenkefür Tavares gefordert.
Es erinnern sich noch alle daran, wie Marchionne in das Werk in Cassino kam – damals war die Renzi-Regierung an der Macht – und mehr Geld als Gegenleistung für nebulöse Produktionspläne forderte. Das waren aber in Wirklichkeit alles Lügen, und keine Partei oder Gewerkschaft hat je ihre Umsetzung gefordert.“