Bruch der Ampel leitet neue Phase des Klassenkampfs ein

Wenige Stunden nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA ist in Deutschland die Ampel-Koalition zerbrochen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) feuerte am Mittwochabend Finanzminister Christian Lindner (FDP). Kurz darauf traten mit Ausnahme von Verkehrsminister Volker Wissing auch die anderen FDP-Minister zurück.

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Zwischen der US-Wahl und dem Scheitern der Ampel besteht ein enger Zusammenhang. Experten erwarten, dass Trumps zweite Amtszeit von neuen Handelskriegsmaßnahmen gegen Europa und einem teilweisen Rückzug der USA aus dem Krieg gegen Russland in der Ukraine geprägt sein wird. Sie drängen darauf, dass die Bundesregierung die deutsche Wirtschaft im Handelskrieg mit Milliardensummen unterstützt und die Rüstungsausgaben gewaltig erhöht, um den Krieg in der Ukraine fortsetzen und militärisch auf eigenen Beinen stehen zu können. Das erfordert massive Angriffe auf die Arbeiterklasse, die die Kosten von Handelskrieg und Krieg zu tragen hat.

In seiner Begründung für den Rausschmiss Lindners ging Bundeskanzler Scholz auf Trumps Wahlsieg ein und zog daraus den Schluss: „Klar ist, Deutschland wird seiner Verantwortung gerecht werden müssen. Wir müssen in Europa mehr denn je zusammenhalten und gemeinsam weiter in unsere eigene Sicherheit und Stärke investieren. Denn die Lage ist ernst. Es herrscht Krieg in Europa. Im Nahen Osten erhöhen sich die Spannungen.“

Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner bei der Unterzeichung des Koalitionsvertrags im Dezember 2021 [Photo by Sandro Halank / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0]

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) traf sich noch am Mittwoch mit seinem französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu in Paris, um über einen engeren Schulterschluss bei der europäischen Verteidigung und eine engere Verzahnung der Verteidigungsindustrien zu beraten. Als nächstes soll in Berlin ein Fünfertreffen stattfinden, an dem auch die Verteidigungsminister Großbritanniens, Polens und Italiens teilnehmen.

Gleichzeitig, fuhr Scholz fort, trete „unsere Wirtschaft auf der Stelle. Unsere Unternehmen brauchen Unterstützung, und zwar jetzt.“ Berechnungen zufolge würde allein die von Trump angedrohte zehnprozentige Erhöhung amerikanischer Importzölle auf Produkte aus der EU das BIP Deutschlands mit 127 Milliarden Euro belasten. Dabei vergeht schon jetzt keine Woche, in der in der Auto-, Zulieferer-, Stahl-, Chemie- und anderen Industrien nicht der Abbau tausender Arbeitsplätze angekündigt wird.

Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), äußerte sich ähnlich wie Scholz. „Mit dem Wahlsieg von Donald Trump beginnt der ökonomisch schwierigste Moment in der Geschichte der Bundesrepublik, weil zur inneren Strukturkrise nun massive außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen auf uns zukommen, auf die wir nicht vorbereitet sind,“ schrieb er auf der Website seines Instituts.

Er warnte vor „protektionistischen Zöllen und Einfuhrbeschränkungen, die das Wachstum in Deutschland und Europa weiter belasten werden,“ und verlangte: „Wir müssen kurzfristig massiv in Verteidigungskapazitäten investieren und mit Frankreich und anderen willigen europäischen Partnern vorangehen, um eine europäische Verteidigung aufzubauen.“

Nach dem Rauswurf Lindners erhob Scholz heftige Vorwürfe gegen seinen entlassenen Finanzminister. Er habe sich notwendigen Kompromissen verantwortungslos widersetzt, „Gesetze sachfremd blockiert“ und „kleinkariert parteipolitisch taktiert“. Statt „seriös und verantwortungsvoll zu handeln“, kümmere er sich nur „um die eigene Klientel“ und „um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei“. „Wer in eine Regierung eintritt, der muss seriös und verantwortungsvoll handeln, der darf sich nicht in die Büsche schlagen, wenn es schwierig wird.“

Die Ampel hatte sich seit Monaten über den künftigen Haushalt gestritten. Sie war sich einig, den Ukrainekrieg und die Wirtschaft mit Milliardenbeträgen zu unterstützen. Aber über die Frage der Finanzierung gab es heftige Differenzen. Lindner bestand darauf, keine zusätzlichen Schulden aufzunehmen. Anfang November spielte er den Medien ein Papier zu, das auf massive Einschnitte bei Renten, Sozialleistungen und Umweltvorschriften drängt, um die Aufrüstung sowie Steuersenkungen für die Reichen zu finanzieren.

Scholz hält diesen Kurs für zu riskant. Er fürchtet, eine derart offene Verknüpfung von Aufrüstung, Steuergeschenken an die Reichen und Sozialabbau werde heftigen Widerstand in der Arbeiterklasse provozieren, den auch die Gewerkschaften nicht mehr unterdrücken können. Er schlägt deshalb eine vorübergehende Aussetzung der Schuldenbremse vor, um zusätzliche Kredite aufnehmen zu können und damit mehr Manövrierraum zu gewinnen, um den Widerstand gegen seine arbeiterfeindliche und militaristische Politik zu ersticken.

„Niemals, niemals dürfen wir innere, äußere und soziale Sicherheit gegeneinander ausspielen,“ donnerte er gegen Lindner, der eine Lockerung der Schuldenbremse strikt ablehnt. Scholz warf Lindner vor, „milliardenschwere Steuersenkungen für wenige Spitzenverdiener und zugleich Rentenkürzungen für alle Rentnerinnen und Rentner“ anzustreben. „Das gefährdet unseren Zusammenhalt, das gefährdet am Ende sogar unsere Demokratie.“

Das ist natürlich reine Demagogie. Scholz ist Kanzler einer Partei, die seit 1998 mit nur vier Jahren Unterbrechung das Arbeits- und die wichtigsten Sozialministerien führt und für die größte soziale Umverteilung zugunsten der Reichen seit Bestehen der Bundesrepublik verantwortlich ist. Die einstige Arbeiterpartei stützt sich heute auf politische Karrieristen, Staatsfunktionäre, Gewerkschaftsbürokraten und andere Mitglieder der wohlhabenden Mittelschicht. Sie ist derart verhasst, dass sie in den Umfragen nur noch auf 15 Prozent kommt und hinter der rechtsextremen AfD liegt.

Wie die amerikanischen Demokraten, die mit ihrer Arroganz gegenüber dem sinkenden Lebensstandard der Arbeitermassen, ihrer Unterstützung für die Kriege in der Ukraine und in Gaza und ihrer flüchtlingsfeindlichen Abschiebepolitik dem Faschisten Trump den Weg zurück ins Weiße Haus geebnet haben, stärkt auch die SPD mit ihrer Politik die rechtesten Elemente.

Scholz hat eng mit Lindner zusammengearbeitet, als die Inflation die Reallöhne wegfraß und Mieten und Energiepreise explodierten. Inzwischen hat er den ehemaligen Deutschlandchef der US-Großbank Goldman Sachs, Jörg Kukies, zu Lindners Nachfolger als Finanzminister ernannt. Kukies hatte bereits für Scholz gearbeitet, als dieser noch Bundefinanzminister war, und diente ihm seit 2021 als Staatssekretär im Bundeskanzleramt.

Scholz hat sich auch hilfesuchend an CDU-Chef Friedrich Merz gewandt, den ehemaligen Chef des deutschen Ablegers von BlackRock, dem größten Vermögensverwalter der Welt. Er hat Merz gebeten, „bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung“ „konstruktiv“ mit seiner Minderheitsregierung zusammenzuarbeiten und sie bei der Verabschiedung entsprechender Gesetze zu unterstützen.

Am 15. Januar will Scholz dann im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kann dann den Bundestag auflösen und Neuwahlen im März ansetzen, in denen die CDU laut derzeitigen Umfragen die besten Siegesaussichten hat. Auch die rechtsextreme AfD, die sich durch den Wahlerfolg Donald Trumps gestärkt fühlt, hätte gute Erfolgschancen.

CDU, CSU, AfD und auch die FDP drängen allerdings darauf, dass Scholz die Vertrauensfrage bereits in der kommenden Woche stellt, so dass die Bundestagswahl im Januar stattfinden kann. Ihre Möglichkeiten, dies zu erreichen, sind aber beschränkt, da das Grundgesetz der vorzeitigen Auflösung des Bundestags enge Schranken setzt.

Doch unabhängig davon, wie die politischen Manöver und Auseinandersetzungen in den kommenden Wochen verlaufen, sind nach dem Wahlerfolg Donald Trumps alle etablierten Parteien dabei, die Achse der offiziellen Politik weit nach rechts zu verschieben. Für Aufrüstung, Krieg und die Stützung der Aktienkurse stehen gewaltige Summen zur Verfügung, während die Opposition dagegen unterdrückt wird. Darin stimmen alle im Bundestag vertretenen Parteien überein.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) sagt dieser Allparteienkoalition den Kampf an. Sie stellt der Allparteienkoalition für Krieg und Kürzungen die internationale Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus entgegen, die für die Reorganisation der Gesellschaft auf sozialistischer Grundlage kämpft. Das ist die einzige Möglichkeit, eine Katastrophe zu verhindern.

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