Der Bericht des Sonderermittlers Jack Smith, der die Rolle von Donald Trump bei der versuchten Umkehrung des Wahlergebnisses im Jahr 2020 untersucht, ist eine unwiderlegbare Zusammenfassung der Fakten aus dem Strafverfahren gegen Trump. Der Ex-Präsident, der in nur wenigen Tagen als wiedergewählter Präsident ins Weiße Haus einzieht, ist offensichtlich der vier Anklagepunkte schuldig, derer er strafrechtlich angeklagt wurde. Der schwerwiegendste Vorwurf darunter betrifft die Verschwörung zur Anstiftung eines gewaltsamen Angriffs auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021, um auf diesem Wege die Bestätigung seiner Wahlniederlage zu verhindern,
Der Bericht wurde am frühen Dienstagmorgen veröffentlicht, nachdem um Mitternacht eine einstweilige Verfügung der Bundesbezirksrichterin Aileen Cannon aus Florida ausgelaufen war, die zuvor die Veröffentlichung untersagt hatte. Cannon, die von Trump ernannt wurde, gab ihren außergewöhnlichen Versuch auf, die Veröffentlichung des Smith-Berichts zum 6. Januar 2021 zu verhindern, nachdem ein Berufungsgericht festgestellt hatte, dass sie dazu nicht befugt war. Cannon war für den Fall zuständig, den Smith gegen Trump wegen illegaler Aufbewahrung von Geheimdokumenten in seinem Anwesen in Mar-a-Lago angestrengt hatte. Die Richterin hatte somit keine Zuständigkeit für einen Fall, der in Washington D.C. im Zusammenhang mit den Ereignissen vor dem Angriff auf das Kapitol angestrengt wurde.
Auch wenn der Bericht von Smith wenig wirklich neue Fakten enthält, sind seine Formulierungen und Schlussfolgerungen dennoch von großer Bedeutung. Der Mann, der am 20. Januar 2025 als Präsident vereidigt werden soll, ist ein politischer Verbrecher, der sich des schwersten Angriffs auf die amerikanische Verfassung und die amerikanische Demokratie seit dem Bürgerkrieg schuldig gemacht hat.
Trump versuchte, die Bestätigung seiner Wahlniederlage 2020 zu verhindern durch eine Kombination aus unbegründeten Klagen, absichtlichen Lügen über Wahlbetrug, die Organisation von Listen mit falschen Wahlleuten in sieben umkämpften Bundesstaaten. Er versuchte ferner, Maßnahmen des Justizministeriums bzw. von Vizepräsident Mike Pence - der am 6. Januar 2021 den Vorsitz bei der Bestätigung der Wahlleute durch den Kongress führte - zu behindern. All dies geschah mit dem Ziel, die von den Wählern gewählten Wahlleute abzulehnen und durch Trump-freundliche Wahlleute zu ersetzen.
Einige Zitate geben einen Eindruck von den Argumenten, die vorgebracht werden:
Der Kern von Trumps Obstruktionsplan war ein falsches Narrativ über ergebnisverändernden Wahlbetrug, das er und seine Gefolgsleute im Laufe von zwei Monaten häufig wiederholten und weit verbreiteten. Entscheidend ist, dass Trumps Darstellung des Wahlbetrugs nicht nur objektiv falsch war – sondern er wusste, dass sie falsch war.
Trumps falsche Behauptungen wurden wiederholt entlarvt, oft direkt von den Personen, die am besten in der Lage sind, ihren Wahrheitsgehalt festzustellen. Mitarbeiter seines eigenen Wahlkampfteams sagten Herrn Trump, dass seine Behauptungen unbegründet seien; dies taten auch staatliche Vertreter, ein Beamter des Weißen Hauses, der mit Herrn Trump in seiner Eigenschaft als Kandidat zu tun hatte, und sogar sein eigener Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten.
Als ein Berater des Weißen Hauses ihm mitteilte, dass Rudy Giuliani (im Bericht als „Mitverschwörer 1“ bezeichnet) nicht in der Lage sein würde, seine Behauptungen über Wahlbetrug vor Gericht zu beweisen, antwortete Trump: „Die Details spielen keine Rolle.“ Mit anderen Worten: Die Rufe „Stoppt den Diebstahl“, um seine faschistischen Anhänger zu motivieren, war der Zweck der Übung, und es ging nie darum, Beweise für vermeintlichen Betrug zu erbringen.
Zudem dokumentiert der Bericht, dass Trump bereits vor der Wahl die Behauptung vom Betrug aufnahm. Seine eigenen Wahlkampfmitarbeiter hatten ihm mitgeteilt, dass die ersten Ergebnisse in vielen Bundesstaaten eine Führung für ihn anzeigen würden, bevor die Briefwahlstimmen ausgewertet wurden, bei denen wiederum viele Stimmen für Biden zu erwarten waren.
Trump deutete durch seine Reaktion an, dass er, falls diese Vorhersage zuträfe - was letztlich der Fall war - einfach den Sieg für sich reklamieren würde, bevor alle Stimmen ausgezählt seien und ein Gewinner feststünde.
Hier zeigten die Beweise, dass Herr Trump schon vor der Wahl beschloss, dass er einen Betrug bezüglich des Wahlergebnisses behaupten würde, falls er nicht zum Sieger erklärt würde. Und er hielt sich an diesen Plan, indem er falsche Behauptungen aufstellte, von denen er wusste, dass sie unwahr sind.
Der Bericht zeigt den Zusammenhang zwischen Trumps systematischen Lügen und seiner Anstiftung zu dem gewaltsamen Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021.
Es ist hervorzuheben, dass Trumps wissentlicher Betrug die gesamten Verschwörungen durchdrungen hat, die hier verhandelt werden. Es handelte sich nicht um einen Fall, in dem Herr Trump lediglich ein oder zwei Fakten in einer Handvoll Einzelfällen falsch dargestellt hat. Er und seine Mitverschwörer haben wiederholt gezielt und wissentlich falsche Behauptungen über Wahlbetrug in ihren Anrufen und Treffen mit Staatsbeamten aufgestellt, um sie zu veranlassen, die Wahlergebnisse in ihren Staaten zu kippen; gegenüber seinem eigenen Vizepräsidenten, um Herrn Pence zu veranlassen, seine Pflicht während des Feststellungsverfahrens im Kongress zu verletzen; am 6. Januar als Aufruf zum Handeln an die wütende Menge, die er an der Ellipse versammelt und zum Kapitol geschickt hatte, um das Feststellungsverfahren zu stören.
In dem 137-seitigen Dokument werden die Fakten des Falles dargelegt und die rechtlichen Fragen untersucht. Widerlegt werden Trumps Behauptungen, seine Handlungen seien lediglich Meinungsäußerungen, die durch den ersten Verfassungszusatz geschützt seien, sowie verschiedener Behauptungen über das Privileg der Exekutive und die Immunität des Präsidenten, die später durch die für Trump sprechende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA im Juli letzten Jahres untermauert wurden.
Wie auch in Medienberichten betont wird, gibt es jedoch nur wenig Neues in Bezug auf den tatsächlichen Inhalt des Falles. Es stellt sich also die Frage: Warum wurde dieses Verfahren nicht innerhalb weniger Tage nach Trumps Ausscheiden aus dem Amt eingeleitet? Warum wurde er nicht schon lange vor seiner erneuten Nominierung als Präsidentschaftskandidat durch die Republikanische Partei und vor seiner Wiederwahl im vergangenen November angeklagt, verurteilt und ins Gefängnis gesteckt?
Trump wurde am 13. Januar 2021 vom Repräsentantenhaus mit einem Amtsenthebungsverfahren konfrontiert, eine Woche nach dem Angriff auf das Kapitol, bei dem die Mitglieder des Repräsentantenhauses um ihr Leben fürchten mussten.
Lediglich zehn Republikanische Abgeordnete tanzten aus der Reihe und stimmten für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump – bereits diese Zahl zeigt die fortschreitende Verwandlung der Republikanischen Partei in das persönliche Instrument des Möchtegern-Diktators an. Einen Monat später weigerte sich der Senat, Trump zu verurteilen. Der Vorsitzende der Republikanische Minderheitsfraktion Mitch McConnell erklärte, dass Trump als Ex-Präsident nicht mehr angeklagt werden könne, sondern nun als Privatperson der Strafjustiz unterliege.
Die politische Hauptverantwortung liegt jedoch bei der Demokratischen Partei. Es dauerte etwa zweieinhalb Jahre nach der Anklageerhebung, bis das Justizministerium unter Präsident Biden mit Hilfe von Sonderermittler Smith endlich eine Anklage gegen Trump erwirkte. Eine Berufung nach der anderen verzögerte ein mögliches Verfahren.
Die Biden-Regierung hat die Strafverfolgung von Trump aus zwei miteinander zusammenhängenden Gründen verzögert. Sie suchte die parteiübergreifende Zusammenarbeit mit der Republikanischen Partei, damit diese ihr zentrales politisches Anliegen unterstützte, nämlich den imperialistischen Krieg gegen Russland in der Ukraine vorzubereiten, anzuzetteln und letztlich zu führen. Und aus demselben reaktionären Grund versuchte sie, die wichtigsten Institutionen des kapitalistischen Staates, den militärischen Geheimdienstapparat, zu schützen. Bei jeder echten Untersuchung von Trumps Bemühungen, als Diktator und Präsident an der Macht zu bleiben, wäre die Verwicklung der Geheimdienste in den gescheiterten Putschversuch ans Licht gekommen.
Der Bericht des Sonderermittlers Jack Smith entspricht ebenso wie der Bericht des von den Demokraten geleiteten Sonderausschusses des Repräsentantenhauses vom 6. Januar genau dieser politischen Vorgabe. Die Rolle irgendeiner Regierungsbehörde bei dem gescheiterten Staatsstreich findet keine Erwähnung, es gibt keine Diskussion über die Bemühungen hochrangiger Pentagon-Beamter, den Einsatz der Washingtoner Nationalgarde zum Schutz des Kapitols zu blockieren, oder über die Maßnahmen des FBI und anderer Geheimdienste, die über den geplanten Angriff im Voraus umfassend informiert waren. Trump wird - zu Recht - als zentraler Verschwörer benannt. Aber er hätte nichts tun können ohne seine Tausende Unterstützer und loyalen Anhänger in der gesamten Bundesregierung, im Kongress und in den Gerichten, insbesondere im Obersten Gerichtshof.
Im Einklang mit diesem politischen Mandat erörtert der Sonderermittler eine Anklage gegen Trump wegen Aufruhrs oder Anstiftung zum Aufruhr und lehnt sie sodann mit der fadenscheinigen Begründung ab, dass seit dem Bürgerkrieg keine derartige Anklage erhoben worden sei. Ein ähnlicher Grund wird für die Ablehnung der Anklage wegen Anstiftung zur Gewalt und Anstiftung zu gewalttätigen Angriffen auf Bundesbeamte angeführt.
Der Bericht räumt zwar ein, dass solche Anklagen angemessen wären und die Gewalttätigkeiten für Herrn Trump „ebenso vorhersehbar war, wie er sie verursachte“. Aber der Sonderermittler hat entschieden, dass die vier gegen Trump erhobenen Anklagen ausreichend sind und zusätzliche Anklagen nur zu „unnötigen Rechtsstreitigkeiten“ führen würden. Dies bedeutet wohl, dass solche Anklagen aufgegeben wurden, weil man befürchtete, dass Trumps Anhänger, welche die Mehrheit am Obersten Gerichtshofs stellen, eingreifen würden - was schließlich auch schon geschehen ist - um den Fall zu entkräften.
Und so wird in fünf Tagen der Putschist wieder ins Weiße Haus einziehen. Wie die World Socialist Web Site schon jüngst in einem Artikel bemerkte: „Vier Jahre nach seinem Versuch, die Ergebnisse der Wahl 2020 zu kippen, wird Trumps Amtseid als Präsident, in dem er verspricht, ‚die Verfassung der Vereinigten Staaten zu bewahren, zu schützen und zu verteidigen‘, die erste Lüge seiner zweiten Amtszeit sein.“
Trump wird nicht allein an die Macht zurückkehren. Er stellt ein Kabinett aus offenen Faschisten, imperialistischen Kriegstreibern, Milliardären und offenen Verteidigern des gescheiterten Putsches von 2021 zusammen. Dieselben Anwälte, die einen Antrag nach dem anderen gestellt haben, um die Veröffentlichung des Smith-Berichts zu unterdrücken, wurden von Trump nominiert, um Spitzenpositionen im Justizministerium zu besetzen. Dort werden sie jede weitere Untersuchung der faschistischen Rechten unterdrücken und die enormen repressiven Kräfte des kapitalistischen Staates ausschließlich gegen die Arbeiterklasse und die sozialistische Linke mobilisieren.
Die Demokratische Partei wird keinen Finger rühren, um sich Trumps Amoklauf gegen demokratische Rechte entgegenzustellen. Die Demokraten wollten, wie Biden nach dem Staatsstreich vom 6. Januar sagte, eine „starke“ Republikanische Partei, und sie haben sie bekommen. Der Bericht macht Bidens Einladung an Trump ins Weiße Haus und sein Versprechen, „alles zu tun, was wir können, um sicherzustellen, dass Sie bekommen, was Sie brauchen“, nur noch schlimmer. Das Ziel der Demokraten ist es, mit Trump zusammenzuarbeiten, um das Programm der militärischen Aggression auf der ganzen Welt fortzusetzen, das die amerikanische herrschende Klasse begonnen hat.
Die Verteidigung der demokratischen Rechte und der Kampf gegen die Trump-Regierung obliegen allein der amerikanischen und internationalen Arbeiterklasse.