Trumps Drohung, Grönland einzunehmen, könnte Handelskrieg zwischen den USA und der EU auslösen

Wiederholt drohte der neue US-Präsident, die Kontrolle über Grönland zu übernehmen. Seither sind die Spannungen zwischen der Trump-Regierung und Dänemark weiterhin hoch. Die geopolitische und wirtschaftliche Bedeutung der Tatsache, wer die Kontrolle über das selbstverwaltete dänische Territorium hat, macht den Ausbruch eines Handelskriegs zwischen Europa und den USA zu einer realen Möglichkeit.

Trump erwähnte Grönland in seiner Amtsantrittsrede am 20. Januar zwar nicht ausdrücklich, doch dänische Kommentatoren vermerkten, dass er erklärt hatte: „Die Vereinigten Staaten werden sich einmal mehr als eine wachsende Nation betrachten – als Nation, die unseren Reichtum vergrößert, unser Territorium ausdehnt, unsere Städte aufbaut, unsere Erwartungen erhöht und unsere Flagge an neue und wunderschöne Horizonte trägt.“

US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen mit der dänischen Ministerpräsidentin 2019 [Photo: US Government / Flickr]

Später erklärte Trump im Gespräch mit Reportern im Weißen Haus: „Grönland ist ein wunderbarer Ort. Wir brauchen es für die internationale Sicherheit. Und ich bin sicher, Dänemark wird sich anschließen... Grönland ist nicht für uns notwendig, sondern für die internationale Sicherheit. Da sind überall russische Boote. Da sind überall chinesische Boote – Kriegsschiffe – und sie [Dänemark] können das nicht aufrechterhalten.“

Der US-Imperialismus wirft aus geopolitischen und sicherheitsrelevanten Gründen seit langem ein Auge auf Grönland. Die USA sind dort seit über 80 Jahren militärisch präsent, und der Luftwaffenstützpunkt Thule (mittlerweile in Pituffik Space Base umbenannt) diente im Kalten Krieg als wichtiges Operationszentrum für ballistische Raketen sowie als Atomwaffenlager. Da Grönland in der Arktis zwischen Nordamerika und Russland liegt, wächst seine militärische Bedeutung angesichts des rapide eskalierenden dritten Weltkriegs, den der US-Imperialismus zur Aufrechterhaltung seiner globalen Hegemonie vorantreibt.

Grönlands Bedeutung hängt auch mit seinem Reichtum an natürlichen Rohstoffen zusammen. Diese sind von entscheidender Bedeutung für den Bau moderner Waffen zur Kriegsführung und um die Vorherrschaft über wichtige Wirtschaftszweige zu halten. Zudem liegt Grönland in der Nähe arktischer Seewege, die sich aufgrund des Klimawandels rasch für den Gütertransport öffnen.

Anfang Januar hatte Trump gedroht, er schließe auch den Einsatz wirtschaftlicher und militärischer Gewalt nicht aus, wenn es um die Ansprüche der USA auf Grönland und den Panamakanal geht. Am 15. Januar telefonierte er 45 Minuten lang mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Berichten zufolge drohte er dabei, hohe Zölle auf dänische Exporte in die USA zu erheben. Die USA sind der größte Exportmarkt Dänemarks und haben darin in den letzten Jahren Deutschland überholt. In den ersten elf Monaten des Jahres 2024 gingen mehr als 17 Prozent aller dänischen Exporte an die USA. Dabei handelt es sich vor allem um Medikamente, Impfstoffe und Seetransport, die vor allem über die Großreederei Maersk transportiert werden.

Die US-amerikanische Journalistin und Autorin Anne Applebaum, die sich einen Tag nach Trumps Telefonat mit Frederiksen in Kopenhagen aufhielt, schrieb im Atlantic: „In privaten Gesprächen war das am häufigsten verwendete Adjektiv zur Beschreibung des Telefonats mit Trump ,rau‘. Das am häufigsten benutzte Verb war ,drohen‘.“ Die Financial Times schrieb am Freitag unter Berufung auf Informationen aus fünf EU-Quellen, das Telefonat habe Dänemark in den „Krisenmodus“ geworfen.

Frederiksen und ein Großteil von Dänemarks politischem Establishment tun was sie können, um die Spannungen herunterzuspielen, und sie betonen ihren Wusch nach einer weiteren engen Zusammenarbeit mit Washington. Frederiksens Regierung (eine Koalition aus ihren eigenen Sozialdemokraten mit den rechten Liberalen und den Moderaten) hat ihre Entschlossenheit bekräftigt, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen und Dänemarks Militärpräsenz in der Arktis auszuweiten.

Der Außenminister und Parteivorsitzende der Moderaten, Lars Løkke Rasmussen, führte am Freitag ein 20-minütiges Telefongespräch mit Außenminister Marco Rubio, das sich hauptsächlich um die Ukraine, Dänemarks Rolle in der Nato und den Nahen Osten drehte. Er betonte, bei dem Gespräch habe ein „guter und konstruktiver Ton“ vorgeherrscht, und das Thema Grönland sei auf Washingtons Wunsch nicht erwähnt worden. Rasmussen fügte hinzu, Dänemark sei bereit, mehr zur Nato beizutragen, schloss aber vorerst die von Trump geforderte Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des BIP aus.

Im Dezember, nur wenige Stunden nachdem Trump die Kontrolle über Grönland als „absolute Notwendigkeit“ für die USA bezeichnet hatte, kündigte der dänische Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen eine deutliche Ausweitung der Verteidigungsausgaben für Militäroperationen in Grönland an. Das Paket im Wert von schätzungsweise 12 bis 15 Milliarden Kronen (etwa 1,7 bis 2,1 Milliarden Euro) umfasst den Kauf von zwei Langstreckendrohnen und zwei militärischen Inspektionsschiffen sowie die Modernisierung eines Flughafens an der Westküste der Insel, damit er F-35-Kampfflugzeuge aus US-amerikanischer Produktion aufnehmen kann.

Poulsen bezeichnete den Zeitpunkt der Entscheidung absurderweise als „Ironie des Schicksals“ und fügte hinzu: „Wir haben viele Jahre nicht genug in die Arktis investiert, und jetzt planen wir eine stärkere Präsenz.“

Letzte Woche erklärte Poulsen in einem Facebook-Post, er erwarte, dass das Ausgabenpaket für die Arktis das erste von vielen sein werde, und dass die zusätzlichen Militärausgaben von 200 Milliarden Kronen, die für den Zeitraum zwischen 2024 und 2033 zusätzlich zum normalen Militäretat eingeplant sind, möglicherweise auf bis zu 300 Milliarden Kronen erhöht werden sollten. Er erklärte: „Die Frage ist nicht, ob wir das Geld auftreiben können. Das Geld wird sich finden.“

Während Kopenhagen seine Präsenz in der Arktis durch eine Ausweitung der Militäroperation in Grönland festigen will, nutzen Trump und seine rechtsextremen Verbündeten bewusst die in Grönland seit langem bestehenden Bestrebungen zur Unabhängigkeit von Dänemark aus. Grönland war vom frühen 18. Jahrhundert bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine dänische Kolonie und erhielt erst 1979 eine begrenzte Selbstverwaltung. Im Jahr 2009 wurden diese Befugnisse durch ein Abkommen mit Kopenhagen zur Selbstverwaltung ausgeweitet, das den Weg zur vollständigen Unabhängigkeit ebnen soll.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wuchs der Widerstand gegen die dänische Herrschaft stetig an. Enthüllungen über Verbrechen während und nach der Kolonialzeit fachten diesesn Widerstand noch an. So waren grönländische Mädchen zwangssterilisiert und die lokale Bevölkerung zwangsweise umgesiedelt worden, und es hatte Versuche kultureller Assimilierung gegeben. Doch selbst die meisten Befürworter der vollständigen Unabhängigkeit halten sie für ein längerfristiges Ziel, vor allem weil Grönland auf einen jährlichen Zuschuss aus Kopenhagen in Höhe von rund fünf Milliarden Kronen (700 Millionen Euro) angewiesen ist, die es zur Finanzierung seiner öffentlichen Dienstleistungen und seiner Sozialprogramme braucht.

Einige hoffen nun, diese Finanzquelle durch Verträge mit amerikanischen Bergbau- und Ölkonzernen zur Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe der Insel ersetzen zu können. Der Trump-freundliche Sender Fox News ließ letzte Woche den grönländischen Regierungschef Mute Egede zu Worte kommen, der sein Eintreten für die Unabhängigkeit Grönlands erläuterte. Egedes Regierung unter der Unabhängigkeitspartei Inuit Ataqatigiit wird spätestens für April 2025 Parlamentswahlen ansetzen. Obwohl des Selbstverwaltungsabkommen mit Dänemark von 2009 vorsieht, dass Grönland ein Unabhängigkeitsreferendum durchführen kann, das im Falle einer Zustimmung dem dänischen Parlament vorgelegt wird, hat Egede noch keinen Zeitrahmen für eine solche Abstimmung vorgelegt.

Das letzte, was die politischen Establishments auf beiden Seiten des Atlantiks kümmert, ist das Schicksal der geringen Zahl an Einwohnern Grönlands von 57.000. Während Trump am aggressivsten die Forderung des US-Imperialismus nach territorialer Expansion zum Ausdruck bringt, mit der er versucht, seinen rapiden wirtschaftlichen Niedergang durch Einsatz militärischer Gewalt auf der ganzen Welt auszugleichen, reagieren die europäischen Imperialisten darauf, indem sie angesichts der zunehmenden Krise des Kapitalismus rücksichtslos ihre eigenen Klasseninteressen durchsetzen.

Die Regierungen in Deutschland, Frankreich und in der Europäischen Union können sich kaum als Verteidiger demokratischer Rechte und der „Rechtsstaatlichkeit“ aufspielen, nachdem sie Israels Völkermord an den Palästinensern in Gaza uneingeschränkt unterstützt haben. Sie haben auch dem diktatorischen Selenskyj-Regime in der Ukraine militärische und finanzielle Unterstützung in zweistelliger Milliardenhöhe gewährt, während dieses hunderttausende junge Männer in den Tod schickt und Gegner des Nato-Kriegs gegen Russland einsperrt.

Die Empörung in Berlin, Paris und Kopenhagen über Trumps Drohungen beruht darauf, dass die Einnahme Grönlands durch die USA die europäischen Imperialisten daran hindern würde, ihrerseits die reichen natürlichen Rohstoffe auszubeuten und die künftigen Handelsrouten in der Arktis zu nutzen.

Hochrangige Vertreter der EU haben angedeutet, dass Brüssel das Instrument zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen (IBZ) anwenden könnte, sollte Trump Zölle gegen Dänemark verhängen. Dieses Instrument wurde ursprünglich zum Einsatz gegen China eingeführt. Damit kann die EU auf feindliche Handelsmaßnahmen eines Drittlands gegenüber einem EU-Mitgliedsstaat als Block reagieren. Das IBZ „gibt der EU eine breite Palette möglicher Gegenmaßnahmen, wenn sich ein Land weigert, die Zwangsmaßnahmen einzustellen“, darunter „Zölle, Einschränkungen des Handels mit Dienstleistungen und Aspekten im Zusammenhang mit dem Handel von geistigen Eigentumsrechten, sowie auch Einschränkungen des Zugangs zu ausländischen Direktinvestitionen und des öffentlichen Auftragswesens“.

Eine Reaktion der EU wird jedoch durch scharfe Differenzen innerhalb Europas selbst erschwert. Es ist völlig unwahrscheinlich, dass alle Mitgliedsstaaten bereit sind, eine harte Haltung gegenüber Trump einzunehmen. Der US-Präsident genießt u.a. bei den rechtsextremen Regierungen in Ungarn und Italien großen Rückhalt.

Grönland könnte sich auch zu einem militärischen Krisenherd entwickeln, wenn die europäischen Großmächte angesichts von Trumps aggressivem Vorstoß, die Insel für die USA zu erobern, versuchen würden, ihre Interessen in der Arktis zu verteidigen. Der österreichische General und Leiter des Militärausschusses der EU, Robert Brieger, erklärte in der Welt am Sonntag, die EU könnte in Zukunft Soldaten an der Seite von Amerikanern in Grönland stationieren. Grönland ist kein EU-Mitglied, da es 1985 aus der Union ausgetreten ist, hat aber den Status eines assoziierten Überseegebiets. Der Einsatz von EU-Soldaten wäre daher nicht weniger provokativ als Trumps Entsendung von US-Truppen.

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