Am vergangenen Samstag unterband der Oberste Gerichtshof der USA mit einer zwischen Mitternacht und 1 Uhr morgens erlassenen Dringlichkeitsverfügung einen Versuch der Trump-Regierung, erneut Dutzende von venezolanischen Migranten in ein Foltergefängnis in El Salvador abzuschieben. Als Grundlage diente ein Dekret, in dem Trump sich auf den Alien Enemies Act von 1798 berief.
Aufgrund dieser Entscheidung, an der sowohl das Timing als auch das offenkundige Misstrauen gegenüber der Exekutive außergewöhnlich war, musste mindestens ein Bus voller Migranten bei der Ankunft am Flughafen von Abilene (Texas) umkehren und zu einem Haftzentrum der Immigration and Customs Enforcement (ICE) zurückkehren.
Ebenso außergewöhnlich wie der Erlass der Verfügung mitten in der Nacht war der Widerspruch der beiden faschistischsten Richter des Obersten Gerichtshofs, die von Samuel Alito verfasst und von Clarence Thomas unterstützt wurde. Die beiden verurteilten die siebenköpfige Mehrheit des Gerichts, zu der offenbar alle drei von Donald Trump eingesetzten Richter gehörten, weil sie auf Warnungen der American Civil Liberties Union (ACLU) reagiert hatten, die Massenabschiebung würde bereits in wenigen Stunden oder sogar Minuten stattfinden. Dass diese Warnungen zutrafen, war für Alito und Thomas offenbar nicht von Belang.
Am Mittwoch begann eine rasante Aufeinanderfolge juristischer Manöver, als Anwälte von zwei venezolanischen Migranten, die im Bluebonnet Detention Center in Anson (Texas) festgehalten werden, Habeas-Corpus-Anträge gegen die Abschiebung ihrer Klienten einreichten. Dabei folgten sie dem Verfahren, das der Oberste Gerichtshof letzte Woche vorgegeben hatte.
Bundesrichter James Hendrix, den Trump in seiner ersten Amtszeit ernannt hatte, wies den Antrag einen Tag später zurück und erklärte, er habe Zusicherungen der Regierung erhalten, in der sie „unmissverständlich geantwortet“ habe, sie wolle die beiden nicht abschieben. Ihre Anwälte legten beim Berufungsgericht des Fünften Gerichtsbezirks, dem konservativsten Berufungsgericht des Landes, Berufung ein, doch das Berufungsgericht wies sie ab.
Ebenfalls am Donnerstag erfuhren Einwanderungsanwälte, dass eine Gruppe von mehr als zwei Dutzend venezolanischer Migranten von der ICE aus dem ganzen Land in den südlichen Distrikt von Texas gebracht worden war. Sie wurden dann mit Bussen in die Einrichtung Bluebonnet im nördlichen Distrikt von Texas gebracht, offenbar um eine einstweilige Verfügung gegen Abschiebeflüge zu umgehen, die im südlichen Bezirk erlassen wurde.
Die ICE demonstrierte ein weiteres Mal ihr falsches Spiel, als sie jedem Migranten einen Zettel mit der Mitteilung übergab, dass sie sofort abgeschoben würden. Da der Text nur auf Englisch abgedruckt war, konnten viele ihn nicht lesen. Das war ein Versuch, der Vorgabe des Obersten Gerichtshofs nachzukommen, die jeglichen Inhalts beraubt wurde, da die Migranten in der Mitteilung nicht einmal darüber informiert wurden, dass sie gegen ihre Abschiebung Berufung einlegen können.
Am Freitag erschienen die ACLU-Anwälte erneut vor Richter Hendrix, diesmal jedoch mit einem ungewöhnlichen Antrag: Der Richter solle sein Entscheidung für oder gegen ihre Klienten bis spätestens 13:30 Uhr fällen, damit sie noch Zeit haben, Berufung einzulegen, bevor irgendein Abschiebeflug starten könne.
Als Hendrix diese Frist nicht einhielt, legten die Anwälte der Migranten Berufung beim Berufungsgericht des Fünften Gerichtsbezirks mit der gleichen Dringlichkeitserklärung ein: „Entscheiden Sie schnell, damit wir beim Obersten Gerichtshof Berufung einlegen können.“ Danach wandten sich die ACLU-Anwälte direkt an den Obersten Gerichtshof, wo die Mehrheit des Gerichts sich der Sache annahm, wobei sie sowohl den Fünften Gerichtsbezirk als auch den ihm zugewiesenen Richter Samuel Alito umging, bevor das Justizministerium auch nur eine Stellungnahme in dieser Sache einreichen konnte.
Angesichts dieser Umstände ist die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, sich überhaupt mit der Angelegenheit zu befassen und dann den Abschiebeflug per Dringlichkeitsverordnung vorübergehend zu untersagen, bis die Angelegenheit von den unteren Gerichten geklärt werden kann, ungewöhnlich und vielleicht sogar beispiellos. Die Entscheidung wurde so schnell gefällt, dass sie noch erlassen wurde, bevor Alito seinen fünfseitigen Widerspruch verfassen konnte. Er erklärte nur, sein Widerspruch werde noch kommen, und veröffentlichte ihn später am gleichen Tag.
Mark Allen Stern, der Kommentator des Magazins Slate in juristische Fragen, schrieb dazu:
Die Entscheidung der Mehrheit, sofort einzuschreiten, deutet auf Skepsis gegenüber der Wahrheitstreue des Justizministeriums hin. Vernichtend ist auch, dass die Mehrheit nicht einmal wartete, bis das Justizministerium einen Schriftsatz bei Gericht einreichte, bevor sie handelte. Die einzige plausible Erklärung für die Anordnung des Gerichts ist, dass eine Mehrheit befürchtete, die Regierung würde die Migranten nach El Salvador verschleppen, wenn sie nicht sofort eingreift.
Diese Befürchtung war durchaus begründet. NBC News berichtete am Sonntag, es habe Videoaufnahmen erhalten, auf denen mehrere Busse mit Migranten aus Venezuela zu sehen sind, die am späten Freitagabend auf dem Weg zum Flughafen Abilene waren, der etwa 48 km vom Haftzentrum Bluebonnet entfernt liegt, eskortiert von fast zwei Dutzend Polizeifahrzeugen. Das Video zeigt, wie die Fahrzeugkolonne den Flughafen Abilene passiert, ihn umrundet und dann in Richtung des ICE-Gefängnisses zurückfährt.
Der leitende Anwalt der ACLU für Einwanderungsfragen, Lee Gelernt, erklärte nach dem Gerichtsbeschluss: „Diese Männer standen kurz davor, ihr Leben in einem schrecklichen Gefängnis im Ausland zu verbringen, ohne jemals ein ordentliches Verfahren erhalten zu haben. Der Fall ist noch lange nicht entschieden. Aber für den Moment sind wir erleichtert, dass das Gericht es der Trump-Regierung nicht erlaubt hat, sie heimlich zu verschleppen.“
Die Intervention des Obersten Gerichtshofs bedeutet jedoch nur einen vorübergehenden Aufschub – selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Trump-Regierung daran hält. Vertreter des Weißen Hauses haben bereits ihre Wut über die Entscheidung geäußert. Trump selbst veröffentlichte auf Truth Social einen Post, in dem er den „SCHWACHEN und UNFÄHIGEN Richtern und Strafverfolgungsbeamten, die es zulassen, dass dieser unheilvolle Angriff auf unsere Nation weitergeht“, sarkastisch „Frohe Ostern“ wünscht.
Das Justizministerium reichte später am Samstag einen Antrag beim Obersten Gerichtshof ein, in dem es die Richter aufforderte, ihre eigene Dringlichkeitsanordnung aufzuheben. Es wies jedoch darauf hin, dass die Trump-Regierung in der Zwischenzeit die juristische Grundlage, auf der sie die Vollmacht für die Abschiebeflüge beansprucht, ändern wolle. Sie wolle andere einwanderungsfeindliche Gesetze nutzen, solange der Rechtsstreit um den Alien Enemies Act weitergeht.
US-Generalstaatsanwalt D. John Sauer schrieb: „Die Regierung hat zugestimmt, die Inhaftierten, die Habeas-Corpus-Klagen einreichen, nicht gemäß dem AEA [Alien Enemies Act] abzuschieben. Dieses Gericht sollte den derzeitigen administrativen Aufschub aufheben und es den unteren Gerichten ermöglichen, sich in erster Instanz mit den relevanten juristischen und faktischen Fragen zu befassen – einschließlich der Entwicklung eines angemessenen Tatsachenprotokolls.“
Auch diese Formulierung ist bemerkenswert, da sie faktisch zugibt, dass die Regierung bereit war, Dutzende von Migranten aus Venezuela in ein Gefängnis in einem Drittland (El Salvador) abzuschieben, ohne die notwendige juristische und faktische Grundlage dafür geliefert zu haben.
Zudem hatte die Trump-Regierung in dem aufsehenerregendsten Abschiebefall, in dem es um Kilmar Armando Abrego Garcia aus Maryland geht, nicht einmal den Alien Enemies Act angewandt. Der eingewanderte Arbeiter, der sein halbes Leben in den USA verbracht, mit einer amerikanischen Staatsbürgerin verheiratet ist und drei Kinder mit ihr hat, wurde von ICE-Agenten festgenommen und in einen der früheren Abschiebeflüge nach El Salvador gesetzt.
Die Aufmerksamkeit der Medien konzentrierte sich in diesem Fall auf den Besuch des demokratischen US-Senators von Maryland, Chris Van Hollen, in El Salvador, wo er sich schließlich mit Abrego Garcia treffen und seiner Familie bestätigen konnte, dass er noch am Leben und gesund ist.
Van Hollen trat am Sonntagmorgen in fast allen Interviewsendungen im Fernsehen auf, in denen er die gesetzlose immigrantenfeindliche Politik der Trump-Regierung attackierte und die Verweigerung eines ordnungsgemäßen Verfahrens für Abgrego Garcia als Bedrohung für die demokratischen Rechte aller Amerikaner – Staatsbürger und Nicht-Staatsbürger –bezeichnete.
Das ist sicherlich richtig, aber man darf sich bei der Verteidigung dieser Rechte weder auf die Gerichte noch auf die Demokraten verlassen. Die Perfidie der Demokraten wurde selbst während Van Hollens Besuch in El Salvador deutlich, als der demokratische Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, die Konzentration auf den Fall von Abrego Garcia als „Ablenkung des Tages“ kritisierte und erklärte, die Demokraten sollten stattdessen die Aufmerksamkeit auf die wirtschaftlichen Folgen von Trumps Zollkrieg lenken.
Er erklärte mit Blick auf Trump und die Republikaner: „Das ist die Debatte, die sie wollen.“ Es würde so aussehen, als würden die Demokraten „die MS-13 verteidigen“ und „jemanden, der in El Salvador aus den Augen, aus dem Sinn ist“.