Die World Socialist Web Site trifft zuweilen auf Arbeiter, die durch die wirtschaftsnationalistische Propaganda von UAW-Präsident Shawn Fain verwirrt sind. Fain behauptet, die von Präsident Trump verhängten Zölle auf importierte Autos und Autozubehör würden den amerikanischen Autoarbeitern zugute kommen.
Ein entlassener Arbeiter des Jeep-Fertigungswerks von Stellantis in Toledo (Ohio) hat der World Socialist Web Site vor kurzem geschrieben. Wir veröffentlichen nachstehend den Brief und die Antwort der WSWS.
Ich bin entlassen worden, nicht wegen der Zölle, sondern wegen der Misswirtschaft! Stellantis und sein Management waren schon lange vor den Zöllen das Problem. Die Konzerne haben den Freihandel ausgenutzt, und das hätte schon vor langer Zeit korrigiert/behoben gehört! Meiner Meinung nach muss es jetzt geschehen, damit die USA künftig im Bereich der Produktion eine bessere Zukunft hat! Es wird sich früher oder später auszahlen!
Nur damit das klar ist: Ich mag Trump nicht und habe ihn nicht gewählt, aber ich glaube, dass die Zölle korrigiert werden müssen! – TB
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Lieber TB,
Vielen Dank für deine Zuschrift an die World Socialist Web Site. Du wirfst wichtige Fragen auf in Bezug auf die Zölle und die notwendige Strategie für den Kampf gegen die Entlassungen, die einen so verheerenden Tribut für das Leben der Arbeiter fordern.
UAW-Präsident Shawn Fain hat in zahlreichen Erklärungen behauptet, Präsident Trump habe „Geschichte geschrieben“, indem er Zölle auf Autoimporte eingeführt hat, die „tausende neue Jobs schaffen“ werden. Fain behauptet, der Angriff auf die Arbeitsplätze in der Autoindustrie habe 1994 mit dem Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens begonnen.
Schauen wir uns diese Argumente näher an.
Die UAW fordert die Arbeiter auf, „amerikanisch zu kaufen“, aber tatsächlich gibt es so etwas wie ein „amerikanisches“ Auto gar nicht. Alle heute produzierten Fahrzeuge sind das Produkt der kollektiven Arbeit von Arbeitern in vielen verschiedenen Ländern.
Nehmen wir als Beispiel den Jeep Gladiator, der in Toledo gebaut wird. Die Endmontage findet zwar in Ohio statt, aber die Teile kommen aus der ganzen Welt. Der Motor und Teile des Getriebes werden beispielsweise in der Gießerei Etobicoke in Toronto produziert. Das achtstufige Automatikgetriebe (ZF 8HP) wird von der ZF Friedrichshafen AG in Deutschland entwickelt und in Mexiko montiert. Andere Teile des Motors und Stanzteile werden im Motorenwerk Saltillo in Mexiko produziert. Viele elektronischen Teile kommen aus Asien, u.a. aus Japan, China und Südkorea.
Diese weltweite Arbeitsteilung hat eine hoch integrierte globale Arbeiterklasse geschaffen. Um gegen transnationale Konzerne zu kämpfen, muss die Arbeiterklasse eine internationale Strategie verfolgen, die sie über alle Grenzen hinweg im gemeinsamen Kampf gegen die Unternehmer vereint. Dies erfordert einen Kampf gegen alle Formen von Nationalismus, die die Arbeiter vor den Karren ihrer „eigenen“ Unternehmerbande spannen und sie gegen die Arbeiter in anderen Ländern aufbringen.
Die einzige progressive Lösung für den Konflikt zwischen der Weltwirtschaft und dem nationalstaatlichen System besteht darin, dass die Arbeiterklasse die Kontrolle über die Banken und riesigen Konzerne übernimmt und die Produktion auf rationaler, geplanter und internationaler Basis organisiert, um die Bedürfnisse der Menschen und nicht den privaten Profit zu befriedigen. Das bedeutet einen Kampf gegen die unternehmensfreundlichen und nationalistischen Gewerkschaftsbürokratien und den Aufbau von demokratischen Aktionskomitees in den Fabriken und an den Arbeitsplätzen als Teil der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees.
Diese Komitees werden die Bürokraten entmachten und die Arbeiter selbst ans Ruder bringen, damit sie über ihre beste Kampfstrategie bestimmen können. Sie werden es Arbeiterinnen und Arbeitern im ganzen Land und weltweit ermöglichen, Informationen auszutauschen, Netzwerke aufzubauen und ihre Kämpfe gegen die international organisierten Autokonzerne und Banken zu koordinieren.
Fain plappert Trumps Behauptungen nach, die massiven Zölle würden die US-amerikanischen Exporte nicht verringern, die Lieferketten nicht ernsthaft beeinträchtigen und nicht zu einer neuen Welle von Entlassungen in der amerikanischen Autoindustrie führen. Zweifellos ist dir bekannt, dass Stellantis im Zuge von Trumps Zollkriegsankündigungen in den USA bereits 900 Entlassungen angekündigt hat als Teil von Tausenden von neuen Stellenstreichungen in Nordamerika.
Angeblich werden die Zölle die Autokonzernchefs zwingen, die Produktion in die USA zurückzuholen, was zu neuen, gut bezahlten und sicheren Arbeitsplätzen in der US-Autoindustrie führen soll. Aber der Handelskrieg wird die Märkte in einer Abwärtsspirale in Richtung Rezession oder sogar Depression schrumpfen lassen, was zahlreiche Wirtschaftswissenschaftler bereits einräumen. Und selbst wenn die Autokonzernchefs neue Werke in den USA errichten, werden diese in hohem Maße automatisiert sein, und an den relativ wenigen neu geschaffenen Arbeitsplätzen werden noch ausbeuterische Bedingungen herrschen als zuvor.
Solange die kapitalistischen Bosse die Eigentümer der Fabriken bleiben, werden sie die Auswirkungen der „Rückführung“ der Produktion gegen die Arbeiter richten und sie zur Steigerung ihrer Gewinnspanne nutzen.
Was sind die weitergehenden Auswirkungen von Trumps Handelskriegspolitik, die Fain propagiert? Trump hat deutlich gemacht, dass die „nationale Sicherheit“ im Mittelpunkt seiner Zollpolitik steht. Die treibende Kraft hinter den Zöllen ist Trumps „America First“-Politik, die eine „Festung Amerika“ für den Kampf gegen seine wirtschaftlichen Rivalen schaffen soll, vor allem gegen China. Das steckt auch hinter seinen Forderungen, Grönland und den Panamakanal zu besetzen und sogar Kanada zum 51. Bundesstaat zu machen. Außerdem hat er mit einer Militärintervention in Mexiko gedroht. Das Ausmaß von Trumps Zöllen, die gegen vermeintliche Freunde und Feinde gleichermaßen verhängt werden, kommt einem kriegerischen Akt gleich.
Die Propagierung von Wirtschaftsnationalismus durch die United Auto Workers (UAW) stand immer im Zusammenhang mit der Unterstützung für den US-Militarismus. Fain prahlt oft mit der Rolle der UAW im Zweiten Weltkrieg als Teil des „Arsenals der Demokratie“. Er hat für Fotos posiert, auf denen er ein T-Shirt mit einem B-24-Bomber trägt. Das Weiße Haus hat seinerseits erneut Fains Unterstützung für die Zölle gepostet. Nicht ohne Grund hat Joe Biden die Bürokratien von AFL-CIO und UAW als seine „heimische Nato“ gelobt.
Die Unterstützung der UAW für Zölle und Protektionismus soll einerseits die Wut der Arbeiter über den Arbeitsplatzabbau gegen die Arbeiter in anderen Ländern lenken und andererseits die wirkliche Ursache für die Angriffe auf Arbeitsplätze und den Lebensstandard vertuschen: das kapitalistische System, das die UAW verteidigt.
Fain und die UAW-Bürokraten sind sich sehr wohl bewusst, dass ein Handelskrieg ihre Beitragsbasis reduzieren wird und den Geldvorrat, von dem sie ihre sechsstelligen Gehälter und gut gepolsterten Spesenkonten finanzieren, bedroht. Deshalb wollen sie die herrschende Elite, einschließlich des Militärs, von ihrer Nützlichkeit bei der Unterdrückung des Widerstands und der Kontrolle über die Arbeiter überzeugen, wenn es zu einem militärischen Konflikt mit China oder anderen Rivalen der globalen kapitalistischen US-Hegemonie kommt. Ein zentraler Aspekt des „Arsenals der Demokratie“ im Zweiten Weltkrieg, den Fain nicht erwähnt, war das Streikverbot, das die Gewerkschaftsführer den Arbeitern für die Dauer des Krieges auferlegten.
Die Finanzierung dieser neuen Kriege erfordert die Zerstörung aller verbliebenen Sozialprogramme wie Medicare und Social Security und die Verarmung der Arbeiterklasse. Eine von Trumps Lügen lautet, dass das Ausland die Zölle zahlt. Tatsächlich sind Zölle jedoch eine indirekte Steuer für die Verbraucher, die die Arbeiter und ihre Familien in der Form von höheren Preisen für die Waren bezahlen.
Trumps Angriffe auf demokratische Rechte, Massenabschiebungen und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit unter Verletzung des 1. Zusatzartikels zielen darauf ab, diese faschistische Agenda durchzusetzen, die keinen Rückhalt in der Bevölkerung hat. Die gleichen illegalen Methoden werden auch zum Einsatz kommen, um Streiks und andere Formen von Protest zu unterdrücken.
Ökonomen sind sich seit langem darüber im Klaren, dass die Verabschiedung des Smoot-Hawley-Tariff-Gesetzes von 1930, das einen Zusammenbruch des Welthandels auslöste, ein wichtiger Faktor für das Ausmaß und die Dauer der Großen Depression war. Die Politik der nationalen Autarkie oder Selbstversorgung ging mit einem massiven Anwachsen des Militarismus einher und schuf damit die Grundlagen für den Zweiten Weltkrieg. Genau wie in den 1930ern führt die Logik des Wirtschaftskriegs zum Weltkrieg.
Was ist der Grund für diesen scheinbar wahnsinnigen Kurs der Trump-Regierung auf einen Weltkrieg, der das Ende der Zivilisation herbeiführen könnte? Trumps Aufstieg ist das Ergebnis einer tiefen Krise des US-amerikanischen Kapitalismus.
Trumps Zölle zerstören die letzten Überreste der wirtschaftlichen Vereinbarungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg getroffen wurden, um eine Wiederholung der katastrophalen Handelskriege der 1930er-Jahre zu verhindern. Von zentraler Bedeutung für das System, das 1944 in Bretton Woods (New Hampshire) errichtet wurde, war die Rolle des US-Dollars als Weltreservewährung. Das beruhte auf der damals unangefochtenen industriellen Vormachtstellung der USA, die sich wiederum in ihren riesigen Goldreserven widerspiegelte.
In den letzten 80 Jahren hat diese wirtschaftliche Vormachtstellung immer weiter abgenommen, was die zentrale Rolle des US-Dollars im globalen Finanzsystem in Frage stellt. In Wirklichkeit sind die USA nach wiederholten Rettungsaktionen für die Wall Street und die Banken bankrott, haben Schulden in Höhe von 36 Billionen Dollar und ein jährliches Außenhandelsdefizit in Höhe von einer Billion Dollar.
Die amerikanische Kapitalistenklasse hat ihre riesigen Profite in zunehmendem Maße nicht durch die Produktion nützlicher Waren erzielt, sondern durch Finanzspekulationen und -manipulationen. Dieser Prozess der parasitären Finanzialisierung seinen Höhepunkt mit Trumps Regierung von, durch und für die milliardenschwere Oligarchie erreicht, sowie auch mit seiner Förderung halbkrimineller Spekulationsformen wie den Kryptowährungen.
Fain unterstützt all dies, indem er Trumps Zölle propagiert.
Fains Behauptung, der Abbau von Arbeitsplätzen in der amerikanischen Auto- und Fertigungsindustrie habe 1994 mit NAFTA begonnen, ist eine Lüge. Tatsächlich fanden mindestens seit Ende der 1970er Angriffe auf die Arbeitsplätze und den Lebensstandard der Autoarbeiter statt. Erinnert sei nur an die Schließung von Chrysler Dodge Main in Detroit, GM Fleetwood, Cadillac und Dutzende anderer Fabriken.
Die Deindustrialisierung von großen Teilen des mittleren Westens der USA in den 1980ern war eine bewusste Politik der amerikanischen Konzerne, die sowohl von den Demokraten als auch von den Republikanern unterstützt wurde. Das Ziel dabei war, die Arbeiterklasse zu schwächen und ihren Lebensstandard zu senken. Sie resultierte in einer enormen Bereicherung der Banker und Investoren der Wall Street und einer massiven Zunahme der sozialen Ungleichheit.
Gleichzeitig beschleunigte der technologische Fortschritt den Prozess der weltweiten wirtschaftlichen Integration und den Aufstieg transnationaler Konzerne. Diese Veränderungen, die das Potenzial hatten, das Leben der Arbeiter zu verbessern, wurden stattdessen benutzt, um den Lebensstandard zu senken, indem die Arbeiter in den USA gegen die Arbeiter in Billiglohnländern ausgespielt wurden.
Das alles begann lange vor NAFTA. Das Inkrafttreten von NAFTA war Teil der Bestrebungen der USA, einen nordamerikanischen Handelsblock gegen ihre wichtigsten wirtschaftlichen Rivalen aufzubauen. Gleichzeitig wurde NAFTA benutzt, um die Ausbeutung der Arbeiter in den USA, Kanada und Mexiko zu verschärfen.
Doch statt für eine Strategie zur Vereinigung der Arbeiter über die Grenzen hinweg zu kämpfen, vertrat die UAW eine nationalistische Strategie mit dem Ziel, die amerikanischen Autokonzerne zu stärken, indem Löhne gekürzt und die Produktivität erhöht wurden, angeblich um Arbeitsplätze zu „retten“. Gleichzeitig warf die UAW ausländischen Arbeiter vor, sie würden amerikanische Arbeitsplätze „stehlen“.
Die Politik folgt einer Logik. Während Fain behauptet, er lehne Trumps Angriffe auf Einwanderer und studentische Aktivisten ab, bedeutet seine Unterstützung für Trumps wirtschaftsnationalistische Agenda, dass sich die UAW hinter eine faschistische Regierung stellt, die sich auf einen Weltkrieg vorbereitet.
Die WSWS ruft die Arbeiterklasse zum Arbeitskampf und zu politischen Maßnahmen – unabhängig von den beiden von den Konzernen kontrollierten Parteien – auf. Nur so können sie ihre Interessen verteidigen.
Ein echter Kampf zur Verteidigung von Arbeitsplätzen muss auf einer globalen Strategie basieren, die Arbeiter in den USA mit ihren Klassenbrüdern in Kanada, Mexiko und im Rest der Welt vereint. Dies erfordert den Aufbau von Aktionskomitees in allen Fabriken und Betrieben, um die Macht von dem UAW-Apparat an die Arbeiter zu übergeben. Wir rufen zum Aufbau einer politisch unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse auf, die für eine Arbeiterregierung und den Sozialismus kämpft.