Der Fall des US-Dollars auf den internationalen Devisenmärkten entwickelt sich zu einem Kollaps. Dies wird begleitet von einem anhaltenden Anstieg des Goldpreises, der praktisch täglich neue Rekordhöhen verzeichnet, und einem weiteren Rückgang an der Wall Street. Der Wirtschaftskrieg von US-Präsident Trump verschärft fortlaufend die Krise des gesamten globalen Finanzsystems.
Unmittelbarer Auslöser für den jüngsten Rückgang des US-Aktienmarktes und die Abkehr vom Anleihemarkt waren die erneuten Angriffe der Trump-Regierung auf den US-Notenbankchef Jerome Powell und die Drohung, ihn zu entlassen.
Trump hat Powell aufgefordert, die Zinssätze zu senken. Dahinter steht offenbar das unmittelbare Ziel, die Wall Street zu unterstützen, und das längerfristige Ziel, einen Sündenbock für eine immer wahrscheinlicher werdende Rezession in den USA auszumachen. Die Arbeitslosenquote steigt und macht Trumps Behauptungen zunichte, sein Zollkrieg würden die amerikanische Wirtschaft ankurbeln.
Notenbankchef Powell, der von Trump während seiner ersten Amtszeit ernannt wurde, steht schon seit einiger Zeit in der Kritik. Die Angriffe nahmen am vergangenen Freitag an Schärfe zu, als Kevin Hassett, Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats, erklärte, Trump werde die Frage der Entlassung Powells „weiter prüfen“. Am Vortag hatte Trump erklärt, er habe das Recht dazu, Powells Position infrage zu stellen.
Trump sagte zu Reportern: „Wenn ich will, dass er rausfliegt, dann wird er sehr schnell rausfliegen - glauben Sie mir.“
Am Montagmorgen, kurz nach Öffnung der Börse, meldete Trump sich erneut mit einem Beitrag auf seiner Social-Media-Plattform zu Wort. Er behauptete, die Inflation sei rückläufig, „aber es könnte zu einer Verlangsamung der Wirtschaft kommen, es sei denn, Mr. Too Late, ein großer Verlierer, senkt die Zinssätze, JETZT!“
Der Schritt gegen Powell sorgt in Finanzkreisen in den USA wie international für zunehmende Nervosität, denn dies würde das Ende der so genannten Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed bedeuten. Für die Aktienmärkte besteht die Hauptaufgabe der Fed und anderer Zentralbanken darin, durch ihre Zinspolitik einen Anstieg der Inflation zu verhindern, und dies wäre bei einer Absetzung Powells Geschichte.
Trumps Vorstoß, Powell zu entlassen, unterstreicht die gegensätzlichen und in sich widersprüchlichen Ziele der Regierung - was wiederum darauf hindeutet, dass die sich verschärfende Finanzkrise außer Kontrolle gerät.
Einerseits haben Trump und andere Mitglieder seiner Regierung erklärt, der Dollar sei überbewertet, was dazu geführt habe, dass amerikanische Waren auf den Weltmärkten nicht mehr gehandelt werden können und sich das Handelsdefizit der USA vergrößert.
Andererseits wollen sie unbedingt, dass der Dollar die globale Reservewährung bleibt. Dieser Status ermöglicht es den USA, ihren rasch wachsenden Schuldenberg von derzeit 36 Billionen Dollar auf eine Weise zu finanzieren, wie es kein anderes Land kann.
Die entscheidende Bedeutung des globalen Leitwährungsstatus wurde von Trump im Präsidentschaftswahlkampf hervorgehoben. Trump betonte, diesen Status zu verlieren, käme dem Verlust eines Krieges gleich.
Die von ihm geforderte Zinssenkung würde jedoch zu einem weiteren Verfall des Dollars auf den internationalen Märkten führen und seinen Status untergraben. Das Ganze endet mutmaßlich im Chaos, wenn die Zinssenkung im Zuge der Absetzung von Powell eingeleitet würde.
Einer der Faktoren, die zur Rolle des Dollars als Reservewährung beitragen, ist das internationale Vertrauen in die amerikanischen Institutionen und die so genannte Rechtsstaatlichkeit. Sollte Powell aufgrund einer politischen Entscheidung entlassen werden, für die es nach Aussage des Notenbankchefs keine Rechtsgrundlage gibt, so wäre dies ein Zeichen dafür, dass die Gesetzlosigkeit, welche die Regierung in allen anderen Bereichen kennzeichnet, auch auf das Finanzsystem übergreift.
Die sich anbahnende Krise spiegelte sich auf allen Finanzmärkten in den USA und weltweit wider.
Wie es das Wall Street Journal formulierte: „Der ‚Sell America‘-Handel hat sich am Montag intensiviert.“
Der Dow-Jones-Index fiel um fast 1.000 Punkte, verlor 2,5 Prozent und ist nun auf dem Weg zu seinem schlechtesten April seit 1932.
Der Leitindex S&P 500 fiel um 2,4 Prozent, wobei mehr als neun von zehn der in ihm enthaltenen Aktien im Minus lagen, und der NASDAQ fiel um 2,6 Prozent.
Am stärksten betroffen waren die Mitglieder der so genannten Magnificent Seven, die in den letzten zwei Jahren den Aufstieg des Marktes angeführt haben. Der Chiphersteller Nvidia verlor 4,5 Prozent und Amazon 3,1 Prozent. Tesla fiel um weitere 5,8 Prozent, so dass der Gesamtverlust für das Jahr bei 44 Prozent lag.
Der Wertverlust des Dollars setzte sich fort. Gegenüber den wichtigsten Währungen verlor er gestern 1,5 Prozent an Wert, während der Euro und der Yen an Wert gewannen.
Auch der Anleihemarkt gab nach: Die Rendite der Staatsanleihen, die sich umgekehrt zu den Kursen entwickelt, stieg um 0,08 Prozent auf 4,41 Prozent.
Gold erreichte gestern mit 3.430 US-Dollar pro Feinunze ein weiteres Rekordhoch. Dieser rasante Anstieg ist Ausdruck des zunehmenden Vertrauensverlustes in den US-Dollar als Weltreservewährung. Seit August 1971 fungiert der Dollar als Fiat-Währung. Das heißt, sie hat keine Grundlage im realen Wert, im Gold, sondern beruht auf der wirtschaftlichen und finanziellen Macht des amerikanischen Staates.
Da das US-Finanzsystem jedoch zunehmend unter Druck gerät - die Finanzkrise von 2008, das Einfrieren des Marktes für Staatsanleihen im März 2020 und der Zusammenbruch dreier bedeutender Banken im März 2023 sind die bemerkenswertesten Beispiele - wird seine längerfristige Stabilität in Frage gestellt.
Jedes andere Land wäre bereits bankrott erklärt worden, da die Zinskosten für die US-Schulden auf 1 Billion Dollar pro Jahr angestiegen sind und zum größten Posten im Staatshaushalt werden.
Diese grundlegenden Prozesse spiegeln sich in den gegenwärtigen Umwälzungen wider. Sie führen zu einer erheblichen Veränderung in der Funktionsweise der Finanzmärkte.
Bei früheren Gelegenheiten wurden Marktturbulenzen von einer Flucht in US-Staatsanleihen begleitet, da das Finanzkapital einen sicheren Hafen in der vermeintlich sichersten Finanzanlage der Welt suchte. Diesmal geht die Bewegung jedoch mit jeder neuen Wendung in die entgegengesetzte Richtung.
Dies wirft nun in Finanzkreisen Fragen zu den Auswirkungen auf.
Carol Schlief, leitende Marktstrategin bei BMO Private Wealth, einem kanadischen Bank- und Investmentunternehmen, kommentierte den breit angelegten Charakter der Rückgänge gegenüber dem Wall Street Journal:
Das ist besorgniserregend. Die größere Frage, die die Menschen zu beurteilen versuchen: Ist der US-Exzeptionalismus wirklich nur kurzfristig verschwunden, oder wird er ein mittel- oder längerfristiger Faktor sein?
Die derzeitige Talfahrt wurde durch Trumps Ankündigung umfassender „reziproker Zölle“ am 2. April ausgelöst. Mit Ausnahme von China, wo die Zölle weiterhin 145 Prozent betragen, wurden diese Zölle für drei Monate ausgesetzt, um Verhandlungen zu ermöglichen. Dies führte zu einer Abschwächung des Ausverkaufs. Da es jedoch keine Anzeichen für Gespräche oder Vereinbarungen gibt, wächst die Besorgnis wieder.
RJ Grant, der Leiter des globalen Aktienhandels bei Stifel & KBW, sagte dem Journal:
Angeblich hat es viele Verhandlungen gegeben, aber es wurden noch keine Abschlüsse bekannt gegeben. … Je länger sich das hinzieht, desto mehr Angst und Unruhe wird es auf den Märkten geben.
Aber es ist mehr als nur Angst und Unruhe im Spiel.
Dies sind nur die ersten Ausdrücke dafür, dass die gesamte Wirtschafts- und Finanzordnung der Nachkriegszeit am Ende ist. Die herrschende Klasse reagiert bereits auf diesen Zusammenbruch, wie sie es in der Geschichte immer getan hat, indem sie ihre Angriffe auf die Arbeiterklasse verschärft, faschistische und autoritäre Herrschaftsformen durchsetzt und gemäß der objektiven Logik des Handelskriegs aufrüstet, d. h. sich auf die Fortsetzung als militärischen Konflikt vorbereitet.
Die Arbeiterklasse muss sich nun selbst rüsten, und zwar politisch, indem sie den bewussten Kampf für ein internationales sozialistisches Programm aufnimmt. Dies ist der einzig gangbare und historisch fortschrittliche Weg aus der sich vertiefenden Krise ist, die das kapitalistische Weltsystem erfasst hat.