Perspektive

„Schweigen bedeutet Zustimmung“: Die Democratic Socialists of America und Trumps Staatsstreich

US-Präsident Joe Biden mit der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez (Demokratin, New York) und Senator Bernie Sanders am 22. April 2024 [AP Photo/Manuel Balce Ceneta]

Die alte lateinische Maxime Qui tacet consentire videtur – „Wer schweigt, stimmt zu“ – hat eine lange Geschichte. Sie wurde im römischen Recht anerkannt und später im Mittelalter im kanonischen Recht kodifiziert. Der Grundsatz hat sich durch die Rechts- und Politikgeschichte gezogen und wurde in Situationen herangezogen, in denen von einer Person oder Institution erwartet wurde, dass sie Einwände erhebt, dies aber nicht tat.

Die weiter gefasste Bedeutung ist klar: Schweigen angesichts schwerer Verbrechen ist keine Neutralität, sondern Mittäterschaft. Nichts zu sagen, wo Widerspruch erwartet wird, bedeutet stillschweigende Zustimmung. Genau in diesem Sinne sollte man die Weigerung der Democratic Socialists of America (DSA) und ihrer führenden Publikationen verstehen, über Trumps anhaltenden Staatsstreich zu schreiben und dagegen aufzutreten.

Drei Wochen sind vergangen, seit Trump die Nationalgarde eingesetzt hat, um Washington D.C. zu besetzen, ähnliche Maßnahmen in Chicago und anderen Städten angedroht und einen Staatsstreich der Regierung gegen die verfassungsmäßige Ordnung durchführt. In dieser ganzen Zeit haben die DSA und ihre Publikationen praktisch nichts gesagt.

Auf der Titelseite des Online-Magazins Jacobin findet sich kein einziger Hinweis auf die Worte „Nationalgarde“ oder auf die Truppenentsendung, mit der die Hauptstadt militärisch besetzt wurde. Die einzige Ausnahme von diesem Schweigen war ein Artikel, der vor drei Wochen, am 14. August, unter der Überschrift „DC verdient den Status eines Bundesstaates“ veröffentlicht wurde. Aber darin wird die Truppenentsendung nur zum Anlass genommen, um dafür zu argumentieren, dass der District of Columbia eine Vertretung im Kongress als eigener Bundesstaat bekommen sollte. Zudem wird die demokratische Bürgermeisterin Muriel Bowser gepriesen.

Democratic Left, die offizielle Publikation der DSA, erscheint nur selten und fast ausschließlich, um für die verschiedenen Kandidaten der Demokratischen Partei zu werben, die die Organisation unterstützt. Über den Truppeneinsatz in Washington und die umfassendere Verschwörung von Militär und Polizei wurde nichts publiziert. Der X-Account der DSA, der etwas häufiger zu denselben Themen postet, hat ebenfalls ein bewusstes Schweigen bewahrt, obwohl gerade der DSA-Parteitag in Chicago stattfand – genau der Stadt, die Trump öffentlich als sein nächstes Ziel bezeichnet hat.

Für dieses Schweigen gibt es mehrere miteinander verknüpfte Gründe: Erstens wartet die DSA auf die Linie der Demokratischen Partei, deren Fraktion sie ist. Die Demokraten haben versucht, Trumps Putsch herunterzuspielen. Die wichtigste Ausnahme ist der Gouverneur von Illinois, J.B. Pritzker, selbst ein Milliardär, der Trumps Handlungen mit denen Hitlers verglichen hat, ohne jedoch Vorschläge zu machen, die über die Einreichung von Klagen hinausgehen.

Bernie Sanders, der Senator von Vermont, der jahrelang als „linke“ Alternative der Demokraten beworben wurde, hat weder ein Wort über den Truppeneinsatz in Washington verloren noch über Trumps Drohungen, das Kriegsrecht auf Chicago und darüber hinaus auszuweiten. Vor einem Publikum von Tausenden Menschen in Maine am Montag, als der Labor Day stattfand, und zuvor in Chicago hielt Sanders seine übliche Wahlkampfrede. Er prangerte die „Milliardäre“ an, aber vermied sorgfältig jede Bezugnahme auf den Einsatz und die angedrohte Entsendung von Truppen im ganzen Land.

Das Hauptziel der Demokratischen Partei ist es nicht, Trumps Angriffe auf die demokratischen Rechte zurückzuschlagen, sondern den Widerstand der Bevölkerung dagegen einzudämmen und zu ersticken. Als Partei der Wall Street und der Finanzoligarchie stimmen die Demokraten mit den Grundzügen von Trumps Klassenpolitik überein. Ihre Differenzen mit Trump liegen in erster Linie in Fragen der imperialistischen Strategie.

Zweitens fördert die DSA die Gewerkschaftsbürokratie. Am Labor Day organisierte der Gewerkschaftsverband AFL-CIO mehr als 1.000 verstreute Proteste im ganzen Land, die bewusst darauf abzielten, jeden einheitlichen Widerstand gegen Trumps Putsch zu verhindern. In Washington und New York, den politischen und finanziellen Zentren des Landes, die nun von einer militärischen Besetzung bedroht sind, wurden keine Demonstrationen organisiert. Bei den Kundgebungen, die stattfanden, wurde so wenig wie möglich über den Staatsstreich selbst gesprochen.

Diese bewusste Vermeidungshaltung zeigt sich am klarsten bei Shawn Fain, dem Präsident der Autogewerkschaft UAW, dessen Wahlkampagne die DSA aktiv unterstützt hatte. In Detroit vermied es Fain sogar, Trump namentlich zu erwähnen. Er ging weder auf seinen Einsatz der Nationalgarde noch seine Drohungen mit Kriegsrecht ein. Stattdessen hat Fain die UAW auf Trumps wirtschaftsnationalistischen Kurs ausgerichtet und unterstützt Zölle und Handelskriegsmaßnahmen, die die amerikanischen Arbeiter von ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen spalten.

Drittens spricht die DSA nicht für die Arbeiterklasse, sondern für privilegierte Schichten der oberen Mittelklasse. Sie sind nicht in erster Linie besorgt über das Wachstum des Faschismus oder die Zerstörung demokratischer Rechte und der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse. Ihre Politik wird von Identitäts- und Lifestyle-Themen dominiert, die dazu dienen, die grundlegenden Klassenunterschiede in der Gesellschaft zu verschleiern. In der Praxis bedeutet das, dass sie auf Fragen von Race und Gender fixiert sind, die wachsende Gefahr von Diktatur, imperialistischem Krieg und sozialer Konterrevolution hingegen ignorieren oder herunterspielen.

Hier nimmt die Zustimmung eine spezifische Form an. Die DSA und ihr Umfeld schweigen zu Trumps Politik nicht unbedingt, weil sie mögen, was er tut, sondern weil das Anerkennen der Realität revolutionäre Konsequenzen hätte. Einzugestehen, dass ein Staatsstreich im Gange ist, würde die Mobilisierung der Massen erfordern – vor allem der Arbeiterklasse. Doch genau das ist es, was die DSA, wie die Demokratische Partei insgesamt, zu verhindern sucht.

Diese Logik wurde nach dem Putschversuch vom 6. Januar 2021 deutlich zum Ausdruck gebracht. Damals wies Jacobin-Verleger Bhaskar Sunkara die Gefahr einer Diktatur zurück und erklärte: „Was bringt es, zu sagen, dass es ein Staatsstreich ist? Ich verstehe einfach nicht, welchen Vorteil es hat, die extremsten Bezeichnungen für schlechte Dinge zu finden.“ Er fügte hinzu: „Ich habe bisher die Stabilität der republikanischen Institutionen der USA angesichts eines rechten Mobs und einer Partei erlebt, deren Führer sich für ihre Delegitimierung einsetzt.“

Was lässt sich viereinhalb Jahre später über die „Stabilität der republikanischen Institutionen der USA“ sagen? Die amerikanische Demokratie bricht vor den Augen der ganzen Welt zusammen.

Die DSA sind keine Unschuldslämmer. Seit über 50 Jahren arbeiten die Organisation und ihr Vorgänger, das Democratic Socialist Organizing Committee (DSOC), als Fraktion der Demokratischen Partei und des kapitalistischen außenpolitischen Establishments. Ihr Gründer Michael Harrington erklärte, dass Sozialisten als „linker Flügel des Möglichen“ agieren müssen – das heißt, sich an die Politik anzupassen, die die herrschende Klasse zu einem bestimmten Zeitpunkt für akzeptabel hält. Dies ist bis heute ihr Leitprinzip geblieben.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen fungiert die DSA immer offener als wichtiges Instrument der Demokratischen Partei. Ihre Mitglieder im Kongress, darunter Alexandria Ocasio-Cortez, haben den US-Imperialismus unterstützt und die Unterdrückung des Klassenkampfs durch die Biden-Regierung befürwortet, darunter auch die Illegalisierung des Bahnstreiks Ende 2022. Das DSA-Mitglied Zohran Mamdani, der kürzlich die Vorwahlen der Demokraten für das Amt des Bürgermeisters von New York gewonnen hat, wird die gleiche Rolle spielen, wenn er die Führung im Finanzzentrum des amerikanischen Kapitalismus übernimmt.

Die DSA steht zudem nicht allein da. Left Voice, die Publikation der Moreno-Tendenz, hat einen einzigen Artikel über die Einsätze veröffentlicht, unter der Überschrift „Trump militarisiert offen seine politische Agenda“, in dem die Übernahme von Washington D.C. durch die Nationalgarde nur am Rande erwähnt wird. Die Party for Socialism and Liberation (PSL) hat vor fast einem Monat eine Erklärung verfasst, in der die Besetzung von Washington ausschließlich als rassistischer Angriff betrachtet wird.

Die Rolle dieser Organisationen unterstreicht nur die grundlegende politische Tatsache, dass der Widerstand gegen Faschismus und Diktatur im Kern eine Klassenfrage ist. Die Verteidigung demokratischer Rechte kann und wird nicht von den Demokraten oder ihren pseudolinken Verbündeten kommen. Sie hängt von der unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse in den USA und international ab, die nicht nur gegen die Diktatur, sondern gegen das kapitalistische System selbst kämpfen muss.

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