ZF Friedrichshafen: IG Metall, Betriebsrat und Management planen gemeinsam den Kahlschlag

Noch vor einem Monat hatten IG Metall und Gesamtbetriebsrat bei ZF bundesweite Proteste gegen den geplanten Kahlschlag der Arbeitsplätze organisiert, an denen sich 12.000 Beschäftigte beteiligten. Jetzt planen ihre Funktionäre gemeinsam mit dem Vorstand den Kahlschlag.

4.500 ZF-Beschäftigte protestieren in Schweinfurt (29. Juli 2025) [Photo by IGM Schweinfurt]

Während die Beschäftigten ihre Bereitschaft demonstrierten, ernsthaft für ihre Arbeitsplätze zu kämpfen, dienten die Proteste dem Betriebsrat und der IG Metall als Hebel, um an der Ausarbeitung des Sanierungsprogramms beteiligt zu werden.

„Am Rande einer Aufsichtsratssitzung“, berichtete die Wirtschaftswoche, haben der ZF-Gesamtbetriebsrat unter Achim Dietrich und die IG Metall, die mit ihrer Bezirksleiterin in Baden-Württemberg, Barbara Resch, die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende stellt, gemeinsam mit dem Vorstand ein Eckpunktepapier entworfen. Das hochtrabend benannte „Bündnis für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung“ soll bis Ende September entsprechende Vorschläge erarbeiten.

Wer die IG Metall kennt, weiß, dass die Beschäftigten die Zeche dafür zahlen werden, die Profitrate im Zuge der Krise mehr als zu verdoppeln.

ZF-Vorstandschef Holger Klein hatte bereits im letzten Jahr weitreichende Kürzungen in die Wege geleitet. Der Konzern leide unter stagnierenden Aufträgen, zögerlicher Umstellung auf Elektromobilität sowie US-Zöllen. Seit Anfang 2024 seien daher weltweit schon 11.200 von über 168.000 Vollzeitstellen abgebaut worden, davon 5700 von mehr als 54.000 in Deutschland. Zusätzlich seien für weitere 4700 Vollzeitstellen in Deutschland bereits Altersteilzeitverträge vereinbart worden, oder die Beschäftigten gingen planmäßig in den Ruhestand. Doch das alles reiche nicht aus.

So hat der ZF-Vorstand Pläne, den Bereich für elektrische und hybride Pkw-Antriebe, die sogenannte „Division für Elektromobilität“ mit knapp 30.000 fast ausschließlich in Deutschland tätigen Beschäftigten, auszugliedern oder gar zu verkaufen. Klein schloss betriebsbedingte Kündigungen nicht aus und erhöhte Anfang August noch einmal den Druck.

Im ersten Halbjahr 2025 habe ZF gut 10 Prozent weniger Umsatz als im Vorjahreszeitraum gemacht, nämlich 19,7 Milliarden Euro. Hauptgrund hier ist jedoch die Ausgliederung des Bereichs Achsmontage in das Gemeinschaftsunternehmen ZF Foxconn. Obwohl sich das Ergebnis vor Zinsen und Steuern von 780 auf 874 Millionen Euro erhöht habe, bliebe dennoch ein Verlust von 195 Millionen Euro übrig. ZF-Finanzvorstand Michael Frick erklärte, auch am Jahresende würden rote Zahlen stehen. Bereits im letzten Jahr wurden über eine Milliarde Euro Verlust gemeldet, nach einem Gewinn von 126 Millionen Euro in 2023.

Die Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhne, die jetzt ausgearbeitet werden, sollen nicht nur Verluste vermeiden, sondern auch die Profite sprudeln lassen. Der ZF-Vorstand hatte als zentrale Zielgröße vorgegeben, dass jede Fabrik mindestens eine Marge von zehn Prozent erreichen müsse. Wird dieser Wert verfehlt, drohen Schließung oder Verkauf.

Aktuell liegt die Profitrate bei 4,4 Prozent im ersten Halbjahr 2025. Im Jahr zuvor hatte sie nur 3,5 Prozent betragen. Der Konzern, nach Bosch der zweitgrößte Autozulieferer in Deutschland, droht daher neben den Werken des Antriebsbereichs vor allem älteren Werken mit hoher Spezialisierung und vergleichsweise geringer Proftitmarge mit Schließung.

Am Stammsitz in Friedrichshafen am Bodensee und insbesondere in Schweinfurt und Saarbrücken befürchten die Beschäftigten massive Einschnitte. In Schweinfurt arbeiten rund 8600 Menschen, davon rund 5900 in der „Division E“. Der dortige Betriebsratsvorsitzende Oliver Moll erklärte Ende Juli, dass bis zu 4000 Arbeitsplätze wegfallen könnten. In Saarbrücken könnte mehr als jede zweite von 8500 Stellen wegfallen, wenn Teile der Produktion wie vom Vorstand geplant nach Ungarn verlagert werden. Kein Werk ist von den Abbauplänen ausgenommen.

Am Ende werde es „nicht ohne umfangreiche Zugeständnisse von Arbeitnehmern, IG Metall und Betriebsräten gehen“, erwartet daher die Wirtschaftswoche. Ein erstes Vorzeichen für das Einlenken von IGM und Betriebsräten sei die ab Montag bis zum 31. Januar 2026 erneut abgesenkte Arbeitszeit von 5500 Beschäftigten in Schweinfurt. Sie arbeiten dann wieder nur noch 32,5 Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich. Das hatten sie bereits zwischen Anfang Dezember 2024 und Ende Juni 2025 getan. Laut Betriebsratschef Moll hatte das Unternehmen dadurch rund 20 Millionen Euro gespart.

Doch ZF plant nicht, einige Millionen einzusparen, sondern Milliarden. Schon jetzt ist klar, wie die IGM- und Betriebsratsbürokraten diese massiven Kürzungen durchsetzen wollen. Die wahrscheinliche Zusicherung, die Antriebssparte „Division E“ doch im Konzern zu halten sowie der Verzicht auf „betriebsbedingte Kündigungen“ inklusive Standortsicherungen, wird mit einem Kahlschlag bei Arbeitsplätzen und massiven Lohnsenkungen für die Belegschaften einhergehen.

Management und IG Metall haben bei ZF immer viel Wert darauf gelegt, dass das Unternehmen im Besitz der Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen und nicht aggressiven Investmentfonds an der Börse ausgeliefert sei.

Doch jetzt wird offenkundig, dass ZF den gleichen kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, wie alle anderen Konzerne auch. Der Belegschaft stehen die gleichen Angriffe bevor, wie den Kolleginnen und Kollegen bei Volkswagen, Mercedes, Bosch und allen anderen Autoherstellern und Zulieferern. Die bis vor kurzem betont „familiäre“ Konzernführung wird aufgegeben und den Notwendigkeiten eines brutalen globalen Wettbewerbs angepasst. Denn das Ziel der Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen ist neben den „ausschließlich mildtätigen und gemeinnützigen Zwecken“ auch der „Erhalt des Grundvermögens und der Dividendenausschüttungen daraus“, wie es bei Wikipedia heißt.

Der „Erhalt des Grundvermögens“ bedeutet nun, dass andere Methoden und Mechanismen Einzug halten. Erstes Anzeichen ist der Weggang zweier Manager aus dem Bereich der „Division E“, von dem die Wirtschaftswoche Anfang der Woche berichtete. Markus Schwabe, der bei ZF Bereichsleiter der Geschäftseinheit Elektrifizierte Antriebstechnologie war, verließ Ende August nach 23 Jahren das Unternehmen. Und Julian Fieres, „Chefstratege der Division E“, der zuletzt auch an den Workshops mit den ZF-Aufsichtsräten teilnahm, bei denen es um die Zukunft der Sparte Division E ging, verlässt ZF Ende November.

Beide Positionen soll künftig Hassine Sioud übernehmen, der schon bei verschiedenen Autozulieferern arbeitete und im September letzten Jahres zu ZF wechselte. Sioud soll für ZF den Konzernumbau beschleunigen, die Managementstrukturen verschlanken und die „Wettbewerbsfähigkeit“ – sprich: Senkung der Personalkosten – deutlich steigern.

Die Angriffe bei ZF sind Ausdruck der internationalen Krise der Automobilindustrie. In aller Welt werden Arbeitsplätze vernichtet, soziale Errungenschaften und demokratische Rechte geschliffen und die Arbeiterklasse frontal angegriffen. Das eingesparte Geld wird zur Finanzierung von Völkermord, Krieg und wahnsinniger Aufrüstung genutzt.

Während die Bundesregierung hunderte Milliarden Euro in Aufrüstung und Krieg steckt, weitet sich das Arbeitsplatzmassaker in der Auto-, Zulieferer-, Chemie-, Stahl- und anderen Schlüsselindustrien aus. Die Gewerkschaften sorgen mit ihren Zukunfts- und Standortsicherungsvereinbarungen, mit ihren Sozialtarifverträgen und Transfergesellschaften dafür, dass der Arbeitsplatzabbau reibungslos über die Bühne geht. Widerstand dagegen wird im Keim erstickt, Proteste werden nur organisiert, um die wachsende Wut aufzufangen. Die betroffenen Belegschaften werden nach Standorten gespalten und isoliert.

Die deutsche Rüstungsindustrie hingegen macht fantastische Profite. Die IG Metall hat bereits klargemacht, dass sie die Umstellung der Auto- und Zulieferindustrie auf Rüstungsproduktion unterstützen werde. Letzte Woche hatte IGM-Bezirksleiter Thorsten Gröger, der im Dezember vergangenen Jahres bei Volkswagen den Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen vereinbart hat, den Beschäftigten des von Schließung bedrohten VW-Werks in Osnabrück geraten, für Rheinmetall zu arbeiten. „Von guter in gute Arbeit ist immer besser als in Arbeitslosigkeit“, sagte er.

Während also Arbeitsplätze, von denen die Existenz hunderttausender Familien und ganzer Regionen abhängen, vernichtet werden, werden alle gesellschaftlichen Ressourcen in Krieg und Vernichtung gesteckt. Die Verteidigung der Arbeitsplätze fällt unter diesen Bedingungen untrennbar mit dem Kampf gegen Krieg und Kapitalismus zusammen.

Das erfordert einen Bruch mit den Gewerkschaftsapparaten, die sich in Handlanger der Konzerne verwandelt haben und die Kriegs- und Aufrüstungspolitik der Regierung uneingeschränkt unterstützen.

Wir rufen daher alle ZF-Beschäftigten und alle Arbeiterinnen und Arbeiter auf, unabhängige Aktionskomitees zu gründen, die von den Beschäftigten selbst kontrolliert werden, um die Arbeitsplätze zu verteidigen und sich mit Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt zu vernetzen. Nehmt dazu Kontakt mit uns auf. Meldet euch per Whatsapp unter +491633378340 und registriert euch über das unten stehende Formular.

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