Thyssenkrupp Stahl: IG Metall setzt mit „Sozialtarifvertrag“ Kahlschlag durch

Die IG Metall hat bei Thyssenkrupp Stahl mit einem „Sozialtarifvertrag“ den Abbau von 11.000 Stellen sowie Lohnsenkungen von rund 8 Prozent besiegelt. Es ist offensichtlich, dass die Verteidigung von Arbeitsplätzen und Löhnen nicht mit, sondern nur gegen den IGM-Apparat und seinen Betriebsräten möglich ist.

Wir rufen daher alle Thyssenkrupp-Beschäftigten auf, sich unabhängig von den Funktionären an allen Standorten in Aktionskomitees zu organisieren, zu vernetzen und den Kampf gegen die drohende vollständige Zerschlagung des Stahlbereichs aufzunehmen. Meldet euch per Whatsapp unter +491633378340 und registriert euch über das am Ende des Artikels stehende Formular.

Thyssenkrupp-Kokerei und -Hochofenwerk Schwelgern im Duisburger Norden [Photo by Rainer Halama / wikimedia / CC BY-SA 3.0]

Am Freitag endete die Abstimmung über den sogenannten „Sozialtarifvertrag“, den die Gewerkschaftsführer hinter verschlossenen Türen mit der Konzernspitze im Juli vereinbart hatten. Die IG Metall erklärt, 77 Prozent hätten dem Kahlschlag zugestimmt. In Wirklichkeit hat gerade einmal rund ein Drittel der Belegschaft dafür gestimmt.

Denn rechnet man die Zahlen konkret durch, relativiert sich die vermeintlich hohe Zustimmung. Laut Angaben der IG Metall beteiligten sich lediglich 62 Prozent ihrer Mitglieder in den Werken des Stahlriesen an der Abstimmung, wobei 77 Prozent für die Annahme stimmten. Geht man wohlwollend davon aus, dass noch 75 Prozent aller Stahlbeschäftigten Mitglied der IG Metall sind, so hat nur etwa jeder Dritte unter dem Druck der Gewerkschaft für den Kahlschlag gestimmt.

Ein Rückblick auf die Bestimmungen des Tarifvertrags macht deutlich, warum bereits viele der IG Metall den Rücken gekehrt haben, mehr als ein Drittel der verbliebenen IGM-Mitglieder nicht abstimmten und jeder Vierte, der sich beteiligte, gegen den Sozialtarifvertrag stimmte.

Die IG Metall schrieb in ihrem Sozialtarifvertrag weitgehend den Forderungskatalog des Konzerns fest, den sie im Juli öffentlich gemacht und damals noch als „Giftliste“ bezeichnet hatte. Zum Teil ging sie sogar noch über die Konzernforderungen hinaus. So bei der Arbeitszeitverkürzung von 34 auf 32,5 Stunden – gefordert hatte der Konzern 33 Stunden.

Angesichts der heftigen Teuerung geht das für nicht wenige Beschäftigte an die Existenz. Insgesamt verliert jeder Arbeiter mehrere Tausend Euro im Jahr, bis zu 5.500 Euro. Urlaubs- und Weihnachtsgeld wurden zusammen um rund 1.500 Euro gekürzt, und auch die tarifliche „Sonderzahlung für Beschäftigungssicherung“ wird einbehalten. Die Jubiläumszahlungen wurden fast vollständig zusammengestrichen.

Insgesamt sind es 11.000 Stellen, die beseitigt werden. Zuletzt waren in der Stahlsparte noch 26.000 Arbeiter beschäftigt. Die Gewerkschaft beschloss mit dem Konzern die Schließung der beiden Bochumer Standorte an der Castroper und Essener Straße, letzterer schon Ende dieses Jahres. In Duisburg sollen die Hochöfen 8 und 9 außer Betrieb gehen. Der „9er“ war erst 2018, nach umfassender Modernisierung, wieder angeblasen worden und stand danach im Zentrum der Experimente des Konzerns mit „grünem Wasserstoff“.

Dass die Angriffe auf Jobs und Löhne trotz der geringen Zustimmung durchgesetzt werden können, werten die Funktionäre des Betriebsrats und der IG Metall als Erfolg.

Der Leiter der Gewerkschaft in NRW, Knut Giesler, der den Deal mit dem Konzern führend eingefädelt hat, erklärte, es sei ihm bewusst, dass das Abstimmungsergebnis mit „schmerzhaften Einschnitten“ für alle Arbeiter verbunden sei. Doch diese seien nötig, „um die Stahlsparte zukunftsfest aufzustellen“.

Gesamtbetriebsratschef Tekin Nasikkol lobte ebenfalls den Kahlschlag: „Wir sind an unsere Schmerzgrenze gegangen und leisten unseren maximalen Beitrag für eine hoffentlich positive Zukunft des Stahls.“

Die beiden Gewerkschaftsfürsten haben gut reden. Beide streichen als Lohn für ihre Arbeit sechsstellige Jahresvergütungen ein. Weder der eine noch der andere wird auch nur auf einen Cent seiner üppigen Bezüge verzichten müssen.

Deshalb sind sie auch nicht beunruhigt, wenn jetzt „der Ball beim Vorstand“ liegt, wie Nasikkol hinzufügte. Und Giesler bemerkte, jetzt sei „die Thyssenkrupp AG aufgefordert, ihren Teil dazu beizutragen“. Es brauche eine Finanzierungszusage der geplanten Maßnahmen und Investitionen.

Gingen sie vor und während der Abstimmung im Betrieb damit hausieren, dass eine Annahme des „Sozialtarifvertrags“ die Zukunft der Belegschaft sichern werde – was schon der reine Betrug war –, wird aus diesen Kommentaren deutlich, dass überhaupt nichts sicher ist.

Aus einem aktuellen Flyer der IG Metall geht hervor, dass die Umsetzung des Vertrags an eine Bedingung geknüpft ist. Der Konzern müsse die Finanzierung des Geschäfts sicherstellen, was offensichtlich noch nicht der Fall ist. Denn die geplante Umstellung des Duisburger Stahlwerks auf „grünen Stahl“, der auf der Grundlage von Wasserstoff erzeugt wird, ist in den letzten Monaten wieder mehr als fraglich geworden.

Obwohl bereits 750 Millionen von 2 Milliarden Euro an Steuergeldern für den Umbau an den Konzern geflossen sind, steht die Umstellung in den Sternen. Jüngst zog Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm in Zweifel, ob die Umstellung auf den Betrieb mit „grünem Wasserstoff“ tatsächlich finanziert wird. Auf die Frage der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, ob die Grünstahl-Anlage auf jeden Fall fertig gebaut werde, erklärte Russwurm: „Was heißt ‚auf jeden Fall‘?“ Es gebe eine „Grenze dessen, was der Konzern stemmen kann“.

Das ficht Nasikkol und Giesler offenbar nicht an. Sie vertrauen darauf, dass der Konzern die Dienste des Gewerkschaftsapparats bei der Drecksarbeit braucht, die in den Werken ansteht.

In dem bereits erwähnten Flyer der IG Metall heißt es dazu: „Jetzt geht es darum, die Details festzulegen, insbesondere zum Personalabbau und zur Stellenversetzung.“ Diese seien „äußerst komplex“ und würden nun von „Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber“ mit dem Vorstand verhandelt. Am Ende stehe ein „Interessenausgleich und Sozialplan“. Sobald diese erreicht seien, sei auch klar, „welche Arbeitsplätze abgebaut werden“.

Das heißt, die persönliche Unsicherheit jedes einzelnen Beschäftigten geht weiter. IG Metall und Betriebsrat werden vor nichts zurückschrecken, um den Arbeitern, die dann auf der Abschussliste stehen, beim Weg auf die Straße zu helfen.

Bereits im Zuge des „Freiwilligenprogramms“ aus dem Spätsommer 2020 setzten die Betriebsräte ältere Stahlarbeiter unter enormen Druck, um sie aus den Werken zu drängen. Einige berichteten sogar von „Hausbesuchen“, bei denen die Betriebsräte die Arbeiter dazu drängten, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. „Wenn du nicht interessiert bist, setzen sie dich unter Druck“, schrieb ein Arbeiter damals wütend der WSWS.

Die Thyssenkrupp-Arbeiter stehen vor einer wichtigen Entscheidung. Wenn sie nicht der IGM-Bürokratie und dem Betriebsrat in den Arm fallen, ist nicht ein Arbeitsplatz sicher. Im Gegenteil, der jetzige Kahlschlag erleichtert den nächsten. Wenn Thyssenkrupp der Meinung ist, dass die Umstellung auf „grünen Stahl“ nicht profitabel bewerkstelligt werden kann, werden Russwurm und Thyssenkrupp-Konzernchef Miguel Lopez den Stahlbereich abstoßen oder zerschlagen. Nur eine Rumpfbelegschaft wird dann noch Stahl für Kriegsmaterial und Waffen produzieren.

Der Apparat der IG Metall und des von ihm geführten Gesamtbetriebsrates wird das alles wie bislang durchsetzen. Das Ergebnis der Abstimmung über den Sozialtarifvertrag spiegelt dies teilweise wieder.

Von den rund 10.000 IGM-Mitgliedern, die dem Abkommen zugestimmt haben, waren sich die meisten bewusst, dass die Gewerkschaft, der sie jeden Monat einen Teil ihres Lohns überweisen, ohnehin nicht für sie kämpfen wird. Gerade ältere Kolleginnen und Kollegen dürften damit liebäugeln, mit einem „blauen Auge“ davonzukommen und sich halbwegs abgesichert in die Rente zu retten, nachdem sie Jahrzehnte ihres Lebens und ihrer Gesundheit für den Stahl gegeben haben.

Doch die Belegschaft – insbesondere die jüngeren Arbeiterinnen und Arbeiter – muss sich der Abwärtsspirale entgegenstellen. An allen Standorten müssen Aktionskomitees aufgebaut werden, in denen sich die Beschäftigten unabhängig ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft organisieren, die wirklich kämpfen wollen; die nicht akzeptieren wollen, dass ihre Lebensgrundlage den Profiten der Aktionäre und den Kriegsvorbereitungen der Bundesregierung untergeordnet wird.

Die Aktionskomitees müssen sich untereinander vernetzen und Kontakt mit Stahlarbeitern anderer Konzerne – HKM, Salzgitter, Arcelor, Saarstahl, Voestalpine, Tata Steel, Vallourec usw. – genauso wie mit den Beschäftigten anderer Industrien wie der Auto- und Zulieferindustrie aufnehmen. Alle, in Deutschland, Europa und der Welt stehen vor den gleichen Problemen und den gleichen Aufgaben.

Wenn sich Arbeiter jetzt nicht dem IGM-Apparat und seinen Handlangern in den Betriebsräten entgegentreten, gibt es nur einen Weg – bergab.

Wir appellieren daher an die Thyssenkrupp-Beschäftigten an allen Standorten: Werdet aktiv, meldet euch per Whatsapp unter +491633378340 und registriert euch über das am Ende des Artikels stehende Formular.

Loading