„Die sozialistischen Träume verwandelten sich erst dann in den sozialistischen Kampf von Millionen Menschen, als der wissenschaftliche Sozialismus von Marx die Umgestaltungsbestrebungen mit dem Kampf einer bestimmten Klasse verknüpfte. Außerhalb des Klassenkampfes ist der Sozialismus eine leere Phrase oder ein naiver Traum.“ -- W.I. Lenin [1]
Die New York Times veröffentlichte am Montag einen sehr aufschlussreichen Artikel, der den Klassencharakter der Wahlkampagne des Demokraten Zohran Mamdani für das Bürgermeisteramt von New York City offenlegte. Der Artikel mit dem Titel, „Mamdani versucht, die mächtigsten Kapitalisten New Yorks zu umgarnen“, enthüllte, dass Mamdani, der den Democratic Socialists of America (DSA) angehört, seit seinem Sieg in der Vorwahl Anfang des Jahres unablässig auf die mächtigsten Individuen von New York zugeht, auch auf Immobilienbesitzer und die Vorstände von Pharmakonzernen. Damit will er diesen Kräften versichern, dass sein möglicher Wahlsieg keine Gefahr für ihren Reichtum oder ihr politisches Monopol darstellt.
Wie die Times berichtete, hat Mamdani während des Sommers unangkündigt bei James Whelan angerufen, dem Präsident des Real Estate Board of New York (REBNY), um ein „intimes Treffen“ zu vereinbaren, das im August stattfand. Seit seiner Gründung im Jahr 1896, vor fast 130 Jahren, fungierte das REBNY als politisches Werkzeug der New Yorker Immobilienbourgeoisie. In seiner Funktion als Präsident des REBNY agiert Whelan als Cheflobbyist der milliardenschweren Immobilienbesitzer und Baufirmen, die er repräsentiert, darunter die Kushner Companies von Donald Trumps Schwiegersohn, TF Cornerstone, die Durst Organization, Fisher Brothers, Cushman & Wakefield und die Glenwood Management Corporation.
Das Treffen mit Whelan fand in den „sonnigen Penthouse-Büros von Jed Walentas“ statt, berichtete die Times, „des [REBNY] Vorsitzenden und bekanntesten Bauunternehmers des Bezirks“. Laut „zwei Personen, die mit dem Treffen vertraut waren“, war Mamdani „höflich, wirkte ernsthaft und war schlagfertig“, und am Ende hatte er „eine Beziehung zu einigen seiner skeptischsten Kritiker aufgebaut“.
Obwohl ein Walentas nahestendes Unternehmen 100.000 Dollar an ein politisches Aktionskomitee für den (mittlerweile eingestellten) Wahlkampf von Bürgermeister Eric Adams gespendet hatte, haben sich Walentas und Mamdani laut der Zeitung mehrere Wochen später erneut getroffen.
Auch Jeffrey Gural, der ehemalige Vorsitzende von Newmark & Company und derzeitige Vorsitzende der GFP Real Estate, traf sich privat mit Mamdani. Zwar unterstützte er Mamdanis Wahlkampf zu dem Zeitpunkt nicht, aber er sagte der Zeitung, er wolle nicht, „dass Mamdani scheitert“. Er sei „sympathisch“ und „klug“.
Nichts könnte Trumps faschistische Hetztiraden, Mamdani sei ein „Kommunist“ besser entlarven als dieser Bericht. Mamdani baut keine Beziehungen mit breiten Teilen der Arbeiterklasse auf, um Massenaktionen gegen Mieterhöhungen zu organisieren und die Vermögen der milliardenschweren Immobilienbesitzer zu enteignen. Stattdessen strebt er nach dem Segen der New Yorker Bauunternehmen und Immobilienbesitzer, die zu den parasitärsten und kriminellsten Elementen der herrschenden Klasse gehören. Auch der derzeitige Bewohner des Weißen Hauses entstammt dieser Unterwelt.
Mamdanis Treffen mit den reichen Immobilienbesitzern und Bauunternehmern von New York City ist keine einmalige Angelegenheit, sondern Teil einer „Charmeoffensive“, die Mamdani nach seinem Sieg in der Vorwahl begonnen hat. Neben Immobilienbesitzern zitierte die Times auch Sully Susman, ein hohes Vorstandsmitglied von Pfizer, über ihre Erfahrungen mit Mamdani: „Als ich ihn zum ersten Mal traf, nannte ich ihm ein Zitat von Aristoteles“. In den ersten beiden Treffen mit Unternehmensvorständen habe er „das Zitat wiederholt“.
Die Times berichtete, Mamdani habe auch mit Jamie Dimon gesprochen, dem Vorstandschef von JPMorganChase, der größten Bank der USA; mit dem ehemaligen ABS Americas-Vorsitzenden und Berater unter Präsident Obama Robert Wolf; und mit Kenny Burgos, dem Leiter eines mächtigen Vermieterverbandes für Besitzer von Immobilien mit Preisbindung.
Mamdanis Sprecherin Dora Pekec bestätigte in einem Kommentar zu dem Times-Artikel, dass Mamdania „bereit ist, sich mit jedem zu treffen - auch mit denen, die anderer Ansicht sind -, um seine Agenda für erschwingliches Wohnen zu fördern.“
Mamdanis „Agenda für erschwingliches Wohnen“ ist kein Sozialismus im eigentlichen Sinne, sondern der Reformismus von Bernie Sanders in aufgewärmter Form. Mamdani hatte vor kurzem in einem Interview mit dem New Yorker erklärt:
Meine Reise zur Selbstbezeichnung als demokratischer Sozialist begann mit Bernies Kandidatur im Jahr 2016. Und sein Wahlkampf war für mich und viele andere im Land eine prägende Erfahrung. Er hat uns nicht nur diese Sprache gegeben, sondern auch die wichtigsten Grundsätze erklärt, die für mich weiterhin ein Glaube an Würde als Grundstein der Politik ist.
Genau wie vor ihm Sanders besteht Mamdanis Rolle darin, keine „politische Revolution“ durchführen, sondern die Wut der Massen über Ungleichheit und Krieg in die Kanäle der Demokratischen Partei und die Sackgasse der etablierten Politik lenken. Auf die Frage, ob es seiner Meinung nach einen echten Unterschied zwischen einem Sozialdemokraten, einem demokratischen Sozialisten oder einem liberalen Demokraten gibt, erklärte Mamdani: „Es kommt oft darauf an, ob man bereit ist, für seine Ideale zu kämpfen.“
Mit anderen Worten, sein „Sozialismus“ ist lediglich eine Frage der Einstellung - nicht der Eigentumsverhältnisse, der Geschichte, des Klassenkampfes, der politischen Klarstellung oder der Revolution. Und selbst nach diesem niedrigen Standard hat Mamdani bereits viele seiner früheren „Ideale“ aufgegeben, darunter seine Forderung nach Etatkürzungen bei der Polizei. Er hat angekündigt, die Milliardenerbin Jessica Tisch, eine überzeugte Unterstützerin Israels, als Polizeichefin zu behalten, und er hat Wirtschaftsführern versichert, er distanziere sich von der Phrase „globalisiert die Intifada“.
Mamdanis Pragmatismus kennt scheinbar keine Grenzen. Letzte Woche wurde er in einem Interview für CNN von Kaitlan Collins gefragt, ob Trump „Anerkennung verdient, weil er den Waffenstillstand ausgehandelt hat“ - nachdem er, genau wie Biden vor ihm, Israel genug Waffen und diplomatische Rückendeckung gegeben hat, um hunderttausende Palästinenser zu ermorden und zu verstümmeln.
Darauf antwortete Mamdani: „Wissen Sie, ich würde sagen: Die Nachricht von dem Waffenstillstand gibt mir Hoffnung.“ Anschließend setzte er den gewaltsamen Aufstand gegen die israelische Besatzung am 7. Oktober mit dem von den USA gedeckten Massenmord und dem Aushungern einer Enklave gleich, in der zuvor 2,3 Millionen Menschen lebten. Er erklärte, er verabscheue jede Gewalt, „ob es sich um das schreckliche Kriegsverbrechen der Hamas am 7. Oktober oder den Völkermord der israelischen Regierung an den Palästinensern seither handelt“.
Auf Collins' Nachhaken, wann denn Trump „Anerkennung“ für den betrügerischen Waffenstillstand verdiene, antwortete Mamdani: „Wenn der Völkermord aufhört und die Geiseln zurückkommen, ist das etwas Lobenswertes. Diese Dinge müssen gemeinsam getan werden.“
Collins fragte, ob vielleicht „nach einer Woche, falls die Geiseln zurückgekehrt [sind und] die Kämpfe aufgehört haben“, dann der Punkt erreicht sei, an dem Mamdani Trump Anerkennung zollen würde.
Darauf antwortete Mamdani: „Wenn es Bestand hat, dann ja.“
Mamdanis Äußerungen gegenüber CNN - er habe „Hoffnung“ und stellte Trump sogar „Anerkennung“ in Aussicht - sind nicht nur politisch bankrott, sondern in perverser Weise falsch. Wie die Palästinenser weiterhin dokumentieren, feuern israelische Panzer noch immer auf Zivilisten, Drohnen attackieren weiterhin Flüchtlingslager und Wohngebiete, und die Belagerung geht unvermindert weiter. Nichts an dieser Lage ist ein echter Waffenstillstand. Es ist nur eine vorübergehende Pause, die zynisch als „Frieden“ bezeichnet wird, während die Maschinerie des Völkermordes und der ethnischen Säuberungen im Gazastreifen und dem Westjordanland weiterläuft.
Mamdani versichert nicht nur Immobilienmagnaten wie James Whelan und Jed Walentas, sondern auch dem imperialistischen Staat und seinen Verbündeten, dass sein „Sozialismus“ keine Gefahr für die US-Außenpolitik oder die anhaltende Zerstörung des Gazastreifens darstellt. Die grundlegend gleiche Funktion erfüllen er und die Democratic Socialists of America auch im Inland, indem sie die Wut der Bevölkerung desorientieren, demobilisieren und in harmlose parlamentarische Kanäle lenken.
Am 25. Oktober beginnen die Bürgermeisterwahlen, der 4. November ist der letzte Tag, an dem persönlich Wahlzettel abgegeben werden dürfen. Laut den jüngsten Umfragen der Quinnipiac University liegt Mamdani mit 46 Prozent deutlich vor seinem Parteikollegen Andrew Cuomo, dem bevorzugten Kandidaten des Establishments, der 33 Prozent erhält. Der Republikaner Curtis Sliwa liegt mit 15 Prozent auf dem dritten Platz.
W. I. Lenin, „Kleinbürgerlicher und proletarischer Sozialismus“, in: Lenin Werke, Bd. 9, Berlin 1957, S.446-447.