Frankfurter Buchmesse im Dienst des Kriegs gegen Russland

Die Frankfurter Buchmesse, die vom 15. bis 19. Oktober stattfand, stand stark im Zeichen der deutschen Kriegspolitik gegen Russland. Wie ein Team der World Socialist Web Site feststellte, stieß dies viele Besucher ab.

Wie schon seit 2022 waren russische Verlage von der Messe ausgeschlossen. Der Ukraine wurde hingegen viel Platz eingeräumt. Finanziell unterstützt von der Bundesregierung und der Stadt Frankfurt verfügte der ukrainische Messeauftritt sogar über eine eigene Bühne. Dort machten sowohl Wolfram Weimar (CDU), Kulturstaatsminister beim Bundeskanzler, als auch die Präsidentin des deutschen Bundestags, Julia Klöckner (CDU), und Ex-Nato-Chef Jens Stoltenberg ihre Aufwartung. Nach Berichten einer Besucherin traten sogar ukrainische Soldaten in voller Uniform auf.

Verherrlichung Stepan Banderas auf der Frankfurter Buchmesse 2025

Weimers Vorgängerin Claudia Roth (Grüne) stellte Fördermittel in Höhe von 900.000 Euro für ein deutsch-ukrainisches Bücherprojekt in Aussicht. Was damit gefördert werden soll, konnte man an den ukrainischen Ständen gut sehen, wo es rechte Kriegsverherrlichung und Literatur über Stepan Bandera, die Leitfigur des ukrainischen Faschismus, gab.

Friedenspreis für Karl Schlögel in der Paulskirche

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ging in diesem Jahr an den Osteuropahistoriker und rechten Propagandisten Karl Schlögel, der der Aufrüstung und dem militärischen Sieg über Russland das Wort redet. Die ganze Woche über war Schlögel in den Medien und Veranstaltungen mit seinem Mantra präsent, dass die ukrainischen Soldaten „Helden“ seien, die „den Europäern beibringen, was auf sie zukommt“.

Das WSWS-Team erinnerte vor der Buchmesse mit Plakaten an den in der Ukraine inhaftierten Sozialisten und Kriegsgegner Bogdan Syrotjuk und verteilte einen Artikel, der die Verleihung des „Friedenspreises“ an den Kriegshetzer Schlögel kritisiert.

In seiner Dankesrede für den mit 25.000 Euro dotierten Preis wurde Schlögel den Erwartungen gerecht, die in ihn gesetzt worden waren. Er hielt eine Kriegsrede, die den militärischen Sieg über Russland zur Schicksalsfrage Europas erklärte. Wie viele ehemalige Maoisten, die in Deutschland Karriere machten – er war von 1972 bis 1980 führendes Mitglied der maoistischen KPD, die Stalin verherrlichte und die „sozialimperialistische“ Sowjetunion zum „Hauptfeind“ erklärte –, ist Schlögel zu einem rabiaten Befürworter der Wiederkehr des deutschen Imperialismus geworden.

Er begnügte sich nicht damit, den russischen Präsidenten Putin zur „Gestalt des Bösen“ zu erklären. Er denunzierte auch jeden, der hinter Putins Politik „einen tieferen Sinn“ – Einkreisungsängste, Sicherheitsbedürfnis, u.ä. – sehen will. Die Ukraine und ihre Soldaten verklärte Schlögel dagegen zu reinen Lichtgestalten. Niemand sei mehr interessiert am Frieden als sie. Die Front werde von einem „Heer von Freiwilligen“ – angesichts der brutalen Zwangsrekrutierung eine offenkundige Lüge – verteidigt:

Sie bringen uns bei, dass Landesverteidigung nichts mit Militarismus zu tun hat. … [Sie] lehren uns, dass das, was geschieht, nicht Ukraine-Konflikt heißt, sondern Krieg. Sie helfen uns zu verstehen, mit wem wir es zu tun haben: mit einem Regime, das die Ukraine als unabhängigen Staat vernichten will und das Europa hasst. Sie zeigen uns, dass dem Aggressor entgegenzukommen nur dessen Appetit auf noch mehr steigert und dass Appeasement nicht zum Frieden führt, sondern den Weg in den Krieg ebnet.

Vergleiche zwischen der heutigen deutschen Kriegsoffensive und jener der Nazis sowie Hinweise auf Neonazis in der ukrainischen Führung sind für Schlögel russische Feindpropaganda: „Verglichen damit erscheint die Propaganda aus sowjetischen Zeiten überholt und geradezu harmlos.“

Dem vielgereisten Historiker, der in seinen Büchern großen Wert auf die persönliche Anschauung legt, sind offensichtlich die riesigen Denkmäler für Stepan Bandera und andere Nazi-Kollaborateure entgangen, die in der Ukraine verherrlicht werden. Oder, was wahrscheinlicher ist, er stimmt mit der Verherrlichung dieser Faschisten überein. Schließlich hatte er bereits vor zehn Jahren seinen Historikerkollegen Jörg Baberowski vehement verteidigt, als dieser Hitler bescheinigte, er sei „nicht grausam“ gewesen.

In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau hatte sich Schlögel bereits vorher für den Einsatz von Bundeswehr-Truppen in der Ukraine ausgesprochen – auch gegen den Willen der deutschen Bevölkerung. Auf die Frage des Reporters: „Wäre ein Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine legitim, um einen Frieden abzusichern?“ antwortete Schlögel: „Ja. Aber er wird eine heftige Auseinandersetzung in Deutschland auslösen.“

Die feierliche Verleihung des Friedenspreises, die alles versammelte, was in Frankfurt und Hessen Rang und Namen hat, wurde vom ZDF im Fernsehen live übertragen. Zum Schluss befragte die ZDF-Reporterin Daniel Cohn-Bendit, den einstigen Studentenführer in Frankreich, späteren Mitbegründer der Grünen und heutigen Europapolitiker, nach seiner Meinung über Karl Schlögel. Cohn-Bendit unterstützte Schlögels Aufforderung zur Kriegsbereitschaft mit den Worten: „Es gibt viele, die den Frieden wollen, aber wenige, die bereit sind, für den Frieden zu kämpfen.“

Seit dem russischen Angriffskrieg sei klar, so Cohn-Bendit: „Europa muss eine Macht werden; Europa muss in der Lage sein, sich zu verteidigen. Es ist nicht eine Soft-Power, damit können wir uns nichts kaufen. (…) Wenn wir die Demokratie schützen wollen, dann müssen wir in der Lage sein, uns zu verteidigen.“ Dass es dafür eine Bereitschaft gebe, das habe er heute in der Paulskirche gespürt.

Messe-Besucher äußern sich gegen Krieg

WSWS-Team vor der Frankfurter Buchmesse 2025

Eine ganz andere Erfahrung machte das Team der World Socialist Web Site vor den Toren der Buchmesse. Mehrere Besucher, die erst eilig vorbeiliefen, kamen zurück und holten sich den Flyer, als sie realisierten, dass es sich um den Kampf gegen Krieg und gegen die allgemeine Kriegspropaganda handelte.

Viele äußerten ihre Besorgnis vor einem neuen großen Krieg und sprachen sich gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht aus, die dieser Tage in Berlin verhandelt wird. „Sogar per Losverfahren will man die Jugend in die Bundeswehr zwingen. Das finde ich so erbärmlich,“ sagte eine Besucherin. Am selben Tag berichtete die Beratungsstelle der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), dass ihre Büros derzeit „geradezu geflutet“ werden: Die Aufrufe ihrer Homepage stiegen von 24.000 im Mai auf 125.000 im September.

Es gab auch – meist gut betuchte – Messebesucher, die erkennen ließen, dass sie die Aufrüstung unterstützen. Ein Mann, der sich als stolzer Nationalist zu erkennen gab, erklärte: „Schlögel – das ist unser Mann für die Ukraine!“ Eine Frau sagte: „Ich war mein Leben lang Pazifistin, aber jetzt halte ich es für notwendig, gegen die russische Gefahr aufzurüsten und zu kämpfen.“ Auf die Frage, was sie zu tun gedenke, wenn die erste Atombombe in der Luft sei, hatte sie keine Antwort.

Aber sehr viele, besonders junge Besucher reagierten auf das von Schlögel verbreitete Motto „Si vis pacem para bellum“ (Wenn du Frieden willst, bereite Krieg vor) mit Ablehnung und Widerstand. Schlögel hatte das auch in der Paulskirche verkündet.

Dazu sagte Hans, ein WSWS-Leser, der mithalf, die Flyer zu verteilen: „Dieser Spruch hat im 20. Jahrhundert noch nie gestimmt, und heute, wo es Atomwaffen gibt, da fällt mir dazu nichts mehr ein. Wir wissen ja alle aus der Geschichte, dass das noch nie funktioniert hat, im Gegenteil.“

Regina aus Heidelberg sagte dazu, ihr falle immer der Spruch ein: „Die Waffen bringen die Reichen, und die Armen liefern die Leichen.“ „Das ist es ja genau“, fuhr sie fort. „Es ist eine reine Profitgeschichte. Wir haben doch alle Großeltern oder Onkels, die im Krieg geblieben sind oder die verletzt zurückgekommen sind, als Invalide. Wir haben doch noch all die Traumata in den Familien. Es gab ja zwei Weltkriege.“

Eine junge Frau namens Jana, die beruflich mit Gehörlosen und Taubstummen arbeitet, sagte: „Ich bin jetzt Anfang 30, und ich mache mir große Sorgen um die Zukunft. Ich hatte immer gehofft, dass gerade Deutschland irgendwie aus der Geschichte gelernt hat, aber offenbar ist das nicht der Fall.“ Ihre Eltern hätten sich schon immer prinzipiell gegen Krieg geäußert. „Auch gegen diese schreckliche Aufrüstung, denn letztendlich hat doch die Geschichte gezeigt, dass Kriege immer unschuldige Opfer fordern.“

Jana kaufte sich das Buch Die Logik des Zionismus: Vom nationalistischen Mythos zum Genozid in Gaza. Sie betonte, dass man aktuell am Gaza-Krieg die ganze Sinnlosigkeit sehen könne. Jetzt werde behauptet, dass „ein bisschen Pause ist – nach zwei Jahren Blutvergießen! Aber was ist jetzt mit all den Leuten, die umgebracht worden sind? Was ist mit denen? Spielt das alles jetzt keine Rolle mehr?“

Jana sagte, sie denke, dass „Krieg immer nur zu mehr Hass und Extremismus führt“. Sie erinnerte an einen Ausspruch von US-Präsident Biden zum Ukrainekrieg: „Biden sagte einmal: ‚In der Ukraine kämpfen wir bis zum letzten ukrainischen Soldaten.‘ Und ich dachte mir, dass es dort weder um seine Kinder noch um seine Landsleute geht, die letztendlich das Kanonenfutter stellen. Mit welchem Recht werden solche Entscheidungen getroffen? Letztendlich stecken da immer wirtschaftliche Interessen dahinter. Das finde ich ganz schrecklich. Sie reden von Menschenrechten, aber im Kapitalismus machen sie mit Krieg und Waffen sehr viel Geld – und auf wessen Kosten?“

Hans, der beim Verteilen lebhafte Diskussionen mit Jugendlichen führte, erklärte uns, eins habe er von der WSWS gelernt: wie wichtig es sei, sich mit den historischen Hintergründen zu befassen. Er sagte: „Ich denke, das Problem besteht darin, dass man sich viel zu wenig mit den komplexeren geopolitischen Zusammenhängen befasst, die hinter diesem Krieg, zum Beispiel in der Ukraine, stecken. Jetzt einfach den russischen Angriffskrieg mit Hitlers Vernichtungskrieg gleichzusetzen, was die Medien ja heute tun, das geht schon rein wissenschaftlich nicht auf. Das ist historisch alles falsch.“

Er selbst sei hergekommen, weil er der Meinung sei, dass die Öffentlichkeit erfahren müsse, was für Charaktere die großen Medien mittlerweile hofieren, und welche Kriegspropaganda damit verbunden sei. „Wenn wir hier von Leuten wie Karl Schlögel reden: Er ist ein rechter Kriegshetzer. Und man muss wissen, dass er sich offen mit Holocaust-Verharmlosern wie Jörg Baberowski zusammengetan hat. Da sollten alle Alarmglocken schrillen.“

„Manche Dinge muss man offen aussprechen“, fuhr Hans fort. „Schlögel spricht einer Eskalation des Kriegs das Wort. Wenn es nach ihm ginge, würden wir sofort gegen Russland aufmarschieren.“ Die Geschichte zeige jedoch, dass zuvor „der Westen das Ganze mit seiner Umkreisung Russlands durch die Nato provoziert hat. Russland ist mit seinen Ressourcen ein heiß begehrtes Ziel. Das ist für die deutsche Bourgeoisie nichts Neues. Aber heute, in einer neuen kapitalistischen Krise, kommt das alles wieder hoch.“

Hans berichtete uns von seinen eigenen Erfahrungen, zuletzt als Leiharbeiter, und stellte fest: „Die Kriegsentwicklung geht derzeit auch mit einer enormen sozialen Polarisierung einher, also der Kluft zwischen Reich und Arm.“ Es sei ihm wichtig, die Propaganda zurückzuweisen, „dass jetzt die Ausländer oder die Flüchtlinge schuld an allem sind. Der sogenannte Mittelstand bricht weg, weil er von den Großkapitalisten weggepustet wird, und die Politik zeigt mit dem Finger auf die Ausländer. Aber das ist die übliche faschistische Vorgehensweise.“

Zur Zeitarbeit erklärte Hans: „Sie ist überall im Vormarsch. Und das ist im Grunde so ein Ding zwischen Marktwirtschaft und organisierter Kriminalität. Da setzen sich mafiöse Strukturen durch.“ Er betonte, dass ihn die Lektüre der WSWS, die er seit Jahren lese, weitergebracht habe. „Das kann ich nur jedem empfehlen, der das alles ein bisschen besser verstehen will. Es ist wichtig, nicht an der Oberfläche zu bleiben, sondern sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und sich besonders mit der Geschichte der trotzkistischen Bewegung vertraut zu machen.“

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