Folgen des Wirtschaftskriegs der USA: Produktionsstopp bei VW durch Chipmangel

Der globale Wirtschaftskrieg, mit dem die USA die Welt und insbesondere China überziehen, trifft Europas Autoindustrie erneut hart. Nach den US-Zöllen und dem Absatzeinbruch in China sind es nun Lieferengpässe bei wichtigen Halbleitern, die die Automobil- und Zulieferkonzerne treffen.

Nexperia-Chipproduktion in Hamburg [Photo by Nexperia]

Nexperia, der weltweit größte Anbieter einfacher Halbleiterchips, unterliegt einem Exportstopp der chinesischen Regierung. Nexperia fertigt weltweit die Hälfte dieser Standardchips. In der Autoindustrie hat der Konzern bei diesen für moderne Fahrzeuge unverzichtbaren Halbleitern einen Marktanteil von 40 Prozent. Daher sind die Auswirkungen enorm. Denn die Mikrochips sind in fast jedem elektrischen Gerät enthalten, in Fensterhebern, Airbags, LED-Scheinwerfern, Motorsteuerungen, Bremsen, dem Batteriemanagement bei Elektro- und Hybridfahrzeugen usw.

Der jüngste Konflikt um den niederländischen Chiphersteller Nexperia, der zum chinesischen Wingtech-Konzern gehört, trifft den Volkswagen-Konzern besonders hart. Am Mittwoch warnte der Konzern, zu dem neben VW u. a. auch Porsche und Audi gehören: „Vor dem Hintergrund der dynamischen Lage können Auswirkungen auf die Produktion kurzfristig nicht ausgeschlossen werden.“ Nexperia sei zwar kein direkter Lieferant, doch würden einige Nexperia-Bauteile in Fahrzeugkomponenten der Zulieferer verwendet.

Der Produktionsstillstand am heutigen Freitag in Wolfsburg stehe allerdings nicht in Zusammenhang mit den Lieferengpässen bei Nexperia. „Im Rahmen einer vorgesehenen Inventurmaßnahme auf den Fertigungslinien der Modelle Golf und Tiguan im Werk Wolfsburg, wird […] die Produktion temporär ruhen“, erklärte ein Sprecher der Presse. Doch inzwischen soll auch am kommenden Mittwoch die Produktion in Wolfsburg sowie im Werk Zwickau stillstehen. Laut Informationen der F.A.Z. verhandelt VW bereits mit der Bundesagentur für Arbeit über Kurzarbeit ab November.

Andere deutsche Autohersteller wie BMW und Mercedes halten sich noch bedeckt bezüglich möglicher Auswirkungen und wiegeln ab.

Zu den betroffenen Zulieferern, die VW erwähnt, gehört auch der Bosch-Konzern, der größte Autozulieferer der Welt. Ihm fehlen jetzt die Chips für viele Zulieferteile und Steuergeräte. „Wie andere Kunden von Nexperia stellt auch uns die aktuelle Situation vor große Herausforderungen“, schreibt ein Sprecher. Expertenteams stünden im Austausch mit Nexperia und anderen Lieferanten, Vorlieferanten und betroffenen Kunden, um mögliche Produktionseinschränkungen zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten.

Auch der Bosch-Rivale ZF Friedrichshafen hat gleich nach Bekanntwerden der Probleme bei Nexperia eine Taskforce eingerichtet. Das österreichische Industriemagazin schreibt: „Bosch, Continental und andere Zulieferer melden, dass ihre Vorräte an Bauteilen nur noch für etwa zwei Wochen reichen. Danach drohen Stillstände – und ein Szenario wie zu Hochzeiten der Corona-Lieferkettenkrise.“

Die Lieferengpässe bei den Halbleitern in den Jahren 2021 bis 2023 hatten die Wirtschaftsleistung in Deutschland (BIP) 2022 um 100 Milliarden Euro oder 2,4 Prozent gesenkt.

„Wenn Nexperia keine Halbleiter mehr liefert, trifft das weite Teile der deutschen Industrie“, sagt Wolfgang Weber, der Chef des Branchenverbands der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI. Die Lagerbestände könnten schon bald aufgebraucht sein. Dann drohe nicht nur ein Produktionsstopp in der Autoindustrie, dann könnten auch die nächsten Industriezweige in Bedrängnis geraten. In der Elektroindustrie werde deshalb ebenfalls nach Alternativen gesucht. „Aber so schnell wird es nicht gehen“, sagt Weber. Betroffen wären dann Hunderttausende von Industriearbeitern.

Handelskrieg der USA gegen China

Hintergrund dieser aktuellen Krise ist die letzte Volte des Wirtschafts- und Handelskriegs der USA gegen China.

In einem beispiellosen Vorgehen hatte die niederländische Regierung im September 2025 auf Druck der US-Regierung unter Präsident Donald Trump die Kontrolle über Nexperia übernommen. Nexperia war aus dem niederländischen Philips-Konzern hervorgegangen und wurde 2018 vom chinesischen Elektronikkonzern Wingtech übernommen. An Wingtech sind mehrere chinesische Staatsunternehmen beteiligt.

Die USA hatten daher unter Präsident Joe Biden Wingtech bereits Ende 2024 auf eine Export-Sanktionsliste gesetzt. Im Sommer 2025 drohten die USA, diese Sanktionen auf Nexperia auszudehnen. Die Folgen wären weitreichend. Nexperia wäre dann von US-Vorprodukten und Wartungsdienstleistungen abgeschnitten.

Das Industriemagazin berichtet, dass ein internes Schreiben des US-Handelsministeriums an die Niederlande deutlich machte: „Eine Ausnahme von der Sanktionsliste gebe es nur, wenn [Nexperia-] CEO Zhang abgesetzt werde.“ Das passierte dann Anfang Oktober. Der 50-jährige Zhang, der in China wegen illegaler Geschäfte schon zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, ist mit 15 Prozent Mehrheitseigner bei Wingtech, das er selbst gegründet hat.

Die Kontrolle über das Unternehmen übertrug die niederländische Regierung einem gerichtlich eingesetzten Treuhänder. Die rechtliche Grundlage für die Zwangsübernahme ist ein Relikt aus dem Kalten Krieg, das „Gesetz zur Sicherstellung der Warenverfügbarkeit“ aus dem Jahr 1952. Das Gesetz war noch nie zuvor angewendet worden. Es erlaubt dem Staat, in Firmenstrukturen einzugreifen, wenn die wirtschaftliche Sicherheit in Gefahr ist. Die Regierung unterstellte Zhang Missmanagement und den Abzug von Technikexpertise und Produktion von Europa nach China.

Gleichzeitig warfen europäische Manager Zhang vor, in großem Umfang Materialien zur Chipherstellung bei einem chinesischen Schwesterunternehmen, das ihm selbst gehört, bestellt zu haben – zu überhöhten Preisen und entgegen ihrem Rat. Die Manager versuchten, Zhang zu entmachten, und wandten sich an das Unternehmensgericht (Ondernemingskamer), das sich in den Niederlanden mit betrieblichen Konflikten befasst.

Der niederländische Wirtschaftsminister Vincent Karremans erklärte nach dem chinesischen Exportstopp für Nexperia, die „Chinesen“ brächten da einiges durcheinander. Auch betonte er, die Entscheidung, bei Nexperia einzugreifen und Zhang absetzen zu lassen, habe er „ohne Rücksprache mit irgendeinem anderen Land getroffen“.

Der abgesetzte CEO Zhang hat laut Berichten von Bloomberg und der South China Morning Post angeordnet, dass seine Mitarbeitenden im chinesischen Werk Anweisungen der neuen Konzernführung aus Europa ignorieren. Wenige Tage später warnte der neue CEO Stefan Tilger, ein deutscher Manager, in einem Schreiben an Kunden: Man könne derzeit nicht mehr garantieren, dass Chips aus chinesischer Produktion noch den ursprünglichen Qualitätsstandards entsprechen.

Nach dem Willen der niederländischen Regierung soll Tilger nun die US-Regierung überzeugen, den Konzern von der Sanktionsliste zu streichen.

China hat auf dieses beispiellose Vorgehen nun mit einem Exportstopp der Chipkomponenten Nexperias geantwortet. Zwar werden jährlich rund 100 Milliarden der einfachen Standardchips im Hamburger Werk von Nexperia gefertigt. Doch die Chips befinden sich noch auf Halbleitermaterialscheiben (Wafers) und müssen zerteilt sowie in kleine Gehäuse eingesetzt werden. Dieses so genannte „Packaging“ lässt Nexperia in seinen Fabriken in China machen, weil es relativ arbeitsintensiv ist. Von dort kommen die Chips nun aber nicht zurück nach Deutschland und Europa.

In den europäischen Hauptstädten wird indessen eifrig nach Mitteln und Wegen einer politischen Deeskalation gesucht. Deutschland ist einerseits wirtschaftlich eng mit China verflochten und will die wirtschaftlichen Beziehungen mit China zumindest derzeit nicht gefährden. Andererseits arbeiten die europäischen Regierungen daran, solche strategischen Abhängigkeiten abzubauen.

Schon im Falle des Ukraine-Kriegs musste Deutschland auf Druck anderer Nato-Mächte, insbesondere der USA, russische Energielieferungen absetzen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, waren die Nord Stream-Pipelines, die russisches Gas nach Deutschland transportierten, gesprengt worden – mutmaßlich von ukrainischen Geheimagenten mit Billigung der USA.

Die Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) hat daher EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič beauftragt, China zum Dialog zu bitten, um eine „schnelle Lösung“ der Handelsrestriktionen zu finden. Am Rande des gestrigen EU-Gipfels drohte Merz aber auch: „Die chinesische Staatsführung muss wissen, dass wir das nicht akzeptieren, was da gerade passiert.“

Gestern hat das Bundeswirtschaftsministerium Vertreter der Autohersteller, Zulieferer sowie von Maschinenbaukonzernen, Fabrikausrüstern und aus der Automatisierungstechnik zu einem Krisengipfel zusammengerufen. Während diese fieberhaft „schnelle und pragmatische“ Lösungen entwickeln wollen, arbeitet die Bundesregierung parallel daran, langfristig die Abhängigkeiten von China zu reduzieren und eine europäische Technologieautonomie auszubauen.

Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies (SPD), Mitglied im VW-Aufsichtsrat, forderte, dass in Europa eigene Kapazitäten für die Produktion von Schlüsselkomponenten wie Halbleiter, Batteriezellen und grüne Materialien aufgebaut und strategisch abgesichert werden.

Doch der Versuch, die Globalisierung rückgängig zu machen ist zum Scheitern verurteilt. Wie die Chips, die von Hamburg nach China, und dann in Zulieferkonzerne und von dort in die Autofabriken gelangen, gibt es Abertausende von Komponenten, die mehrmals um die Welt reisen. Ein im engeren Sinne „deutsches Auto“ gibt es nicht mehr und kann es nicht mehr geben.

Der einzige Weg, den internationalen Handelskrieg und Krieg, der auf dem Rücken der Belegschaften ausgetragen wird, zu beenden, ist nicht die nationale Isolierung, die utopisch und reaktionär zugleich ist. Notwendig ist die internationale Vereinigung der Arbeiter – in den USA, Europa und auch China. Denn auch die Arbeiter der Nexperia-Fabriken in China sind Opfer dieses Handelskriegs.

Die Gewerkschaften in allen Ländern – in Deutschland vor allem die IG Metall – tun alles in ihrer Macht Stehende, um die Arbeiter zu spalten und zu zwingen, mit ihren Kollegen in den USA, China und weltweit zu konkurrieren. Die Autoarbeitergewerkschaft in den USA, die UAW, unterstützt die Zollpolitik Trumps, die IG Metall fordert in Deutschland, die Autokonzerne mit Subventionen – etwa über den vergünstigten Industriestrompreis – und Zöllen im Handelskrieg zu unterstützen.

Doch die Arbeiter haben überall die gleichen Klasseninteressen: Sichere Jobs, von denen sie und ihre Familien gut leben können, gute Gesundheitsversorgung und auskömmliche Renten. Um diese Interessen gegen die Profitinteressen der Konzerne durchzusetzen, müssen von den Gewerkschaftsapparaten unabhängige Aktionskomitees aufgebaut werden.

Dazu meldet euch bei uns. Füllt das Formular aus oder schreibt eine Nachricht über WhatsApp an die +491633378340.

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