Catherine Connolly wurde von den irischen Wählern mit einem Erdrutschsieg zur zehnten Präsidentin der Republik Irland gewählt. Das Ergebnis war eine Demütigung für die Regierungskoalition aus Fine Gael und Fianna Fáil.
Connolly, eine unabhängige linke Parlamentsabgeordnete (Teachta Dála, TD), gewann 63,8 Prozent der Erststimmen. Heather Humphries von Fine Gael erhielt 29,5 Prozent und Jim Gavin von Fianna Fáil 7,2 Prozent.
Das Amt des irischen Präsidenten (Uachtarán na hÉireann), das 1937 eingeführt wurde, ist zwar prestigeträchtig, hat aber eine weitgehend zeremonielle Rolle. Der Präsident ist das offizielle Staatsoberhaupt sowie der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, und seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Derzeitiger Amtsinhaber ist Micheal D. Higgins
Auch wenn die Wahlbeteiligung bei nur 49,5 Prozent lag, hat das Ergebnis eine enorme Kluft zwischen den politischen Ansichten der irischen Arbeiterklasse und denen der herrschenden Elite offengelegt. Connolly hat sich wiederholt gegen den Völkermord in Gaza ausgesprochen, weitgehend linke Ansichten in sozialen und demokratischen Fragen vertreten und ist eine Verfechterin der Neutralität Irlands.
In Irland fanden gemessen an der Bevölkerungszahl die weltweit größten Demonstrationen gegen den Völkermord in Gaza statt. Bei der letzten Demonstration Anfang Oktober zogen Zehntausende durch das Stadtzentrum von Dublin.
Connolly wurde 1957 in Galway als neuntes von vierzehn Kindern geboren. Ihr Vater war Bootsbauer. Sie praktizierte einige Jahre als klinische Psychologin, bevor sie 1991 ihre Zulassung als Rechtsanwältin erhielt. Der irischen Labour Party trat sie 1997 bei, wurde 1999 zur Stadträtin von Galway gewählt und im Jahr 2004 Bürgermeisterin der Stadt. Sie beteiligte sich u.a. an einer Kampagne für die prowestliche burmesische Aktivistin Aung San Suu Kyi.
Im Jahr 2007 trat Connolly aus der Labour Party aus, nachdem der derzeitige Präsident Michael D. Higgins sie nicht als Vizepräsidentschafts-Kandidatin seines eigenen Wahlkampfs unterstützen wollte und trat als unabhängige Kandidatin an. Sie wurde 2016 zur Abgeordneten für Galway West gewählt und stimmte für den pseudolinken Boyd Barrett als Abgeordneten im neuen irischen Unterhaus (Dáil Éireann). Sie arbeitete auch mit unabhängigen linken Personen wie Clare Daly, Mick Wallace und Maureen O'Sullivan zusammen und begleitete sie im Jahr 2018 auf eine Informationsreise nach Syrien.
Connolly wurde 2020 zur Vorsitzenden des Unterhauses gewählt. Im Jahr 2023 sprach sie auf einem „Neutralitätsforum“, das von der Galway Alliance Against War zusammen mit Daly, Wallace und dem britischen Populisten George Galloway veranstaltet wurde. Sie unterstützte 2024 Dalys Wahlkampf für die Europawahl.
Am 16. Juli dieses Jahres gab sie ihre Kandidatur für das irische Präsidentenamt bekannt, nachdem sie die erforderliche Zahl an Nominierungen von den Social Democrats, People Before Profit und einigen Unabhängigen erhalten hatte.
Bei der Ankündigung ihrer Kampagne erklärte Connolly: „Wir müssen uns mit dem Klimawandel befassen. Wir müssen eine Stimme für den Frieden sein. Wir müssen die Normalisierung von Krieg und Gewalt stoppen. Wir müssen die Normalisierung von Obdachlosigkeit beenden. Wir müssen deutlich machen, dass diese Probleme nicht unvermeidlich sind... sie sind menschengemacht, von politischen Entscheidungen gesteuert, und wir können eine andere Art von Land und eine andere Art von Welt haben.“
Sie erklärte auch ihre Unterstützung für ein vereintes Irland, das allerdings nicht „unmittelbar“ auf der Tagesordnung stehe.
Sie wurde von der Labour Party, den Grünen, der Workers Party und der Kommunistischen Partei Irlands unterstützt. Sinn Féin erwog, ihre eigene Vorsitzende, Mary Lou McDonald, aufzustellen, unterstützte aber letztendlich Connolly.
Die Sinn-Féin-Abgeordnete Pearse Doherte erklärte im September zu Beginn ihrer offiziellen Wahlkampagne, die Entscheidung solle „den Menschen ein klares Signal geben, dass es eine breite, vereinte Opposition gibt“. Sinn Féin erklärte sich bereit, Connollys Wahlkampf zu finanzieren und dafür zu mobilisieren.
Paul Murphy von People Before Profit erklärte zustimmend: „Es geht darum, den Menschen die Hoffnung zu geben, dass die Linke zusammenkommen kann, wie wir es heute tun, und dass die seit mehr als einem Jahrhundert bestehende Herrschaft von Fianna Fáil und Fine Gael ein Ende gesetzt werden kann.“
Connolly verbreitete zu Beginn ihres Wahlkampfs noch mehr vage linke Rhetorik: „Dies ist eine Bewegung der Energie, der Dynamik und der Vision, um zu sagen, dass wir das Land auf andere Art steuern werden. Wir werden nie die Normalisierung von Völkermord akzeptieren oder dass 16.000 Haushalte ohne Wohnsitz ein Kollateralschaden einer entsetzlichen und inakzeptablen neoliberalen Ideologie sind, die es zur Philosophie gemacht hat, von allem den Preis und von nichts den Wert zu kennen.“
Genau wie ähnliche Persönlichkeiten überall auf der Welt – u.a. kommen einem Jeremy Corbyn und Bernie Sanders in den Sinn – erwähnt Connolly in ihren Reden nur selten Kapitalismus oder Sozialismus. Sie laviert zudem vorsichtig. Im Wahlkampf traten ihre ehemaligen Verbündeten Clare Daly und Mick Wallace kaum in Erscheinung, während Sinn Féins nordirische First Minister Michelle O’Neill und Parteichef McDonald mit ihr zusammen auftraten.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Während es Connolly, Sinn Féin und dem Rest der Linken gelang, ihre Differenzen zu unterdrücken und zumindest rhetorisch auf einige der Sorgen und Wünsche des Großteils der Bevölkerung einzugehen, waren die rechten Regierungsparteien kaum in der Lage, tragfähige Kandidaten zu finden, geschweige denn einen Wahlkampf zu führen. Der Wahlkampf wurde zunehmend zu einem Referendum über die Regierung selbst.
Die stellvertretende Fine-Gael-Parteivorsitzende Heather Humphreys wollte sich bereits aus der Politik zurückziehen, wurde aber nach dem Ausscheiden der bevorzugten Kandidatin Mairead McGuinness als sichere Kandidatin ausgewählt, um Wähler aus der ländlichen Bauernschaft zu gewinnen. An Humphreys‘ Wahlkampf wurde kritisiert, dass sie es kaum wagte, sich unentschlossenen Wählern zu stellen.
Fianna Fáil erging es noch schlechter. Die Partei erwog kurzzeitig, die Karriere des ehemaligen Premierministers (Taoiseach) Bertie Ahern wiederzubeleben, ließ die Idee aber wegen dessen Verbindung zum Finanzcrash nach 2008 und den harten Sparmaßnahmen fallen. Schließlich wurde stattdessen der ehemalige Fußball-Boss Jim Gavin als Kandidat aufgestellt. Gavin erwies sich als Belastung, als herauskam, dass er sich geweigert hatte, einem ehemaligen Mieter zu viel gezahlte Miete zurückzuzahlen.
Angesichts der akuten Wohnungsnot in Irland und der Wucherpreise für Häuser und Mieten geriet Gavin unter Druck, zahlte schließlich die zu viel gezahlte Miete zurück und kam zu dem Schluss, dass die Fortsetzung seines Wahlkampfs sinnlos wäre. Sein Name stand weiterhin auf dem Wahlzettel. Das Debakel seines Wahlkampfs hat dem derzeitigen Premierminister Micheál Martin zusätzlich geschadet.
Connollys Wahl ist insofern von Bedeutung, als sie zeigt, in welchem Ausmaß die Wut über den Völkermord in Gaza zu einem ernstzunehmenden Faktor in der irischen und der Weltpolitik geworden ist. Die Regierungen, die die Verbrechen des israelischen Staats gerechtfertigt haben, sind diskreditiert.
Doch Connollys Sieg ändert nichts am politischen Charakter des prokapitalistischen Bündnisses, das die Grundlage ihres Wahlkampfs bildete. Sie positionieren sich als Nachfolger der verbrauchten Koalition aus Fine Gael und Fianna Fáil, um die ungeheuren Klassenspannungen, die sich in Irland entwickeln, in Kanäle zu lenken und abzuleiten, die keine Bedrohung für seine Rolle als Investitionsplattform darstellen.
Eine weitere Besonderheit bei der Wahl war, dass 13 Prozent der Stimmzettel ungültig gemacht wurden, im Vergleich zu einem Prozent beim letzten Mal. Zuvor hatten mehrere rechte, migrantenfeindliche Impfgegner und „anti-woke“ Politiker mit großer Anhängerschaft im Internet dazu aufgerufen, die Wahlzettel unbrauchbar zu machen. Die Wahlen fanden in einer Woche statt, in der es zu teilweise gewaltsamen Protesten gegen den von Migranten bewohnten Gebäudekomplex CityWest in Saggart bei Dublin gekommen war. Die Proteste, angestiftet vom Milliardär Elon Musk, zeigen, dass Irland nicht immun gegen die rechtsextreme Gefahr ist, die sich weltweit entwickelt.
Die Aufgabe besteht nicht darin, eine Koalition zusammenzuschustern, die mit linker Rhetorik den Eindruck erweckt, als könne der Kapitalismus in Irland soziale Reformen bieten. Sie besteht darin, die Arbeiterklasse für den Kampf gegen Austerität, Flüchtlingshetze, Völkermord und Krieg zu mobilisieren, um in Irland und weltweit die politische Macht zu erringen und den Sozialismus aufzubauen.
