Die Stadt Nürnberg zensiert eine Veranstaltung des Mehring Verlags auf der 30. Linken Literaturmesse, die zwei aktuelle Bücher von David North vorstellt und eine sozialistische Perspektive gegen den Völkermord in Gaza und die Gefahr eines dritten Weltkriegs thematisiert. Sie behauptet, dass Kritik an Militarismus und Krieg „gesetzeswidrig“ sei.
30 Stunden vor der Eröffnung der Messe am Freitagabend hat die Stadt Nürnberg das Organisations-Team per E-Mail aufgefordert, den Ankündigungstext für die Veranstaltung „UNVERZÜGLICH ZU ÜBERARBEITEN“. Sollte dies nicht erfolgen, droht die Stadt, „behalten wir uns vor, VON UNSEREM HAUSRECHT GEBRAUCH ZU MACHEN und die betreffende Veranstaltung aus dem Programm der Linken Literaturmesse auszuschließen“.
Es handelt sich um einen Akt der nackten Zensur, der darauf abzielt, Kritik an der Aufrüstungs- und Kriegspolitik der Bundesregierung und an den Kriegsverbrechen der israelischen Regierung zu unterdrücken.
Die Stadt beanstandet, dass der Veranstaltungstext der Bundesregierung vorwirft, sie begehe „80 Jahre nach den Nürnberger Prozessen gegen die Nazis … wieder blutige Kriegsverbrechen“. Zur Begründung dieses Vorwurfs heißt es im Veranstaltungstext: „Sie [die Bundesregierung] unterstützt den Völkermord in Gaza, heizt den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland an und betreibt die größte militärische Aufrüstung seit Hitler.“
Laut Stadt verstößt dies gegen die allgemeinen Mietbedingungen, die festhalten, „dass die Mieträume nicht zur Darstellung oder Verbreitung von verfassungs- oder gesetzeswidrigem Gedankengut genutzt werden dürfen“. Dies schließe, so die Stadt, „Inhalte ein, die die Würde von Menschen oder Gruppen angreifen oder staatliche Institutionen ohne sachliche Grundlage pauschal kriminalisieren“. Sie beanstandet insbesondere, „dass der Begriff ‚Völkermord‘ in diesem Zusammenhang eine Relativierung historischer Verbrechen nahelegt“.
Die Auffassung, dass die israelische Regierung in Gaza einen Völkermord an den Palästinensern begeht, wird inzwischen von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen, hochrangigen internationalen Institutionen, Regierungen und der überwiegenden Mehrheit der Weltbevölkerung geteilt.
Das Töten von mindestens 67.000 Palästinensern, mehrheitlich Zivilisten und Kindern, die mehrfache Vertreibung von 2 Millionen Menschen, die Zerstörung von 90 Prozent der Infrastruktur, das systematische Aushungern der Zivilbevölkerung und die Ermordung von fast 200 Journalisten können selbst bei äußerster Dehnung dieses Begriffs nicht als „Selbstverteidigung“ bezeichnet werden. Israelische Regierungsmitglieder und Militärs haben sich offen zu ihren völkermörderischen Zielen bekannt.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH), dessen Autorität von Deutschland anerkannt wird, hat bereits vor einem Jahr Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und seinen damaligen Verteidigungsminister Joaw Galant erlassen. Der Vorwurf lautet auf schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die unabhängige Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats sieht vier der fünf in der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes erwähnten Tatbestände erfüllt.
Den Vorwurf des Völkermords als „Relativierung historischer Verbrechen“ zu bezeichnen, wie es das Schreiben der Stadt Nürnberg tut, ist absurd. Wenn es eine Lehre aus der Shoah gibt, dann lautet sie, dass es eine Wiederholung solcher Verbrechen niemals geben darf – auch nicht durch eine israelische Regierung, in der erklärte Rassisten und Faschisten sitzen. Das war die zentrale Botschaft der Kriegsverbrecherprozesse, die vor 80 Jahren in Nürnberg begannen. Nun knüpft die herrschende Klasse in Deutschland wieder an diese historischen Verbrechen an und will jeden mundtot machen, der dagegen auftritt.
Dass die deutsche Regierung die israelische Regierung politisch, finanziell und mit Waffen unterstützt, gibt sie selbst offen zu. Wer aber ein Verbrechen unterstützt oder fördert, macht sich selbst eines Verbrechens schuldig. Dies offen auszusprechen, ist nicht nur ein Grundrecht, sondern politische Pflicht. Die Behauptung der Stadt Nürnberg, eine solche Anschuldigung sei „ehrenrührig und potenziell justiziabel“ und daher unzulässig, läuft auf die Unterdrückung jeder Kritik an der Regierung hinaus. Auch die Massenproteste gegen den Vietnamkrieg oder den Irakkrieg wären auf dieser Grundlage illegal gewesen.
Das Messe-Team hat den Veranstaltungstext des Mehring Verlags auf seiner Website entsprechend den Anforderungen der Stadt geändert, um die Veranstaltung nicht zu gefährden. Sie findet am Sonntag, den 2. November im Künstlerhaus Nürnberg, Königstraße 93 im KOMM Kino im 1. Stock statt.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der Mehring Verlag stellt dort zwei Bücher von David North, dem Chefredakteur der World Socialist Web Site und Vorsitzenden der Socialist Equality Party (USA) vor, die für den Kampf gegen Krieg und Militarismus von großer Bedeutung sind. Sie können vor Ort erworben oder hier auf der Website des Mehring Verlags bestellt werden.
Die Logik des Zionismus: Vom nationalistischen Mythos zum Genozid in Gaza entlarvt die Lüge, dass die Ablehnung des Zionismus gleichbedeutend mit Antisemitismus sei. Es zeichnet nach, wie die nationalistische Ideologie des Zionismus im Kampf gegen den internationalen Sozialismus entstand, der unter jüdischen Arbeitern und Intellektuellen großen Einfluss hatte. Ein großer Teil der Juden verband die eigene Emanzipation mit der Überwindung der kapitalistischen Klassengesellschaft und nicht mit der Gründung eines Nationalstaats, der den imperialistischen Mächten als Brückenkopf im Nahen Osten dient.
Ein Warnruf: Sozialismus gegen Krieg enthält zehn Reden zum 1. Mai, die David North von 2014 bis 2024 hielt. Sie zeichnen die dramatische Eskalation des Militarismus, die wachsende Gefahr eines atomaren Dritten Weltkriegs und den Aufstieg Donald Trumps nach. Sie zeigen, dass dieselben Widersprüche, auf die die herrschende Klasse mit Krieg und Diktatur reagiert, auch die objektiven Voraussetzungen für die Verschärfung des Klassenkampfs und für die sozialistische Revolution schaffen. Notwendig ist der Aufbau einer Partei, die der Arbeiterklasse eine internationale, sozialistische Perspektive gibt.
Das Vorgehen der Stadt Nürnberg gegen diese sozialistische Perspektive gegen Krieg und Diktatur richtet sich nicht einfach gegen den Mehring Verlag, sondern gegen alle Kriegsgegner. Jede Erwähnung der schrecklichen Verbrechen der deutschen Regierung, wie die Unterstützung des Völkermords in Gaza, soll kriminalisiert werden. Folgt man der Argumentation der Stadt, dürften überhaupt keine Veranstaltungen gegen den Krieg mehr stattfinden.
Die Zensurmaßnahme in Nürnberg reiht sich in zahllose Angriffe auf die demokratischen Grundrechte ein. Kongresse wurden verboten, Kulturzentren geschlossen, Künstler und Wissenschaftler verfolgt, weil sie sich gegen den Völkermord in Gaza ausgesprochen hatten. Der deutsche Staat greift zu den gleichen Methoden wie die Trump-Regierung, wenn es darum geht, den verbreiteten Widerstand gegen ihre Kriegs- und Kürzungspolitik zu unterdrücken.
Umso wichtiger wird die Veranstaltung am Sonntag in Nürnberg. Wir rufen alle Leserinnen und Leser dazu auf, unsere Veranstaltung zahlreich zu besuchen und damit dem Versuch, Opposition gegen Krieg und Genozid zu zensieren, entgegenzutreten.
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