Prinz Andrew verliert alle königlichen Titel: ein toxischer Vertreter einer toxischen Institution

Die Folgen des Sexskandals um Prinz Andrew haben erneut zu einer schweren Krise für die herrschende Klasse Großbritanniens geführt.

Die königliche Familie musste ihn faktisch öffentlich verstoßen, um ihre eigene Stellung zu erhalten. Der Buckingham Palace gab am Donnerstag „ein formelles Verfahren zur Aberkennung der Titel und Ehren von Prinz Andrew“ bekannt. Damit ist er nur noch Andrew Mountbatten Windsor. Die Erklärung: „Diese Zurechtweisungen werden als notwendig erachtet“, verdeutlicht das Ausmaß der Krise.

Andrew Mountbatten Windsor, ehemals Prinz Andrew, Duke of York, und seine Tochter Eugenie während der Kutschenprozession bei Trooping the Colour am 16. Juni 2012 [Photo by Carfax2 / CC BY-SA 3.0]

„Die formelle Kündigung“ von Andrews Mietvertrag für die praktisch mietfreie Royal Lodge – ein Herrenhaus – „wurde nun zugestellt“. Berichten zufolge zieht er in ein nicht näher benanntes Anwesen auf dem Sandringham Estate in Norfolk um, das sich im Privatbesitz von König Charles III. befindet.

Informanten erklärten gegenüber der Daily Mail, diese Maßnahmen gingen ausschließlich auf Charles zurück, der Thronerbe habe keinen Druck ausgeübt. Doch angesichts der zunehmenden Besorgnis von Prinz William und dessen Frau Catherine um den Ruf und die Zukunft der Monarchie bezweifeln viele diese Aussage.

Alle Schichten der herrschenden Klasse sind bestrebt, den Schaden zu begrenzen. Als Andrew anfangs ankündigte, er werde seine Titel nicht mehr nutzen, erklärte ein Sprecher der Downing Street: „Wir unterstützen die Entscheidung der Königsfamilie.“ Energieminister Ed Miliband erklärte: „Ich glaube, die Königsfamilie hat erklärt, sie wolle deswegen die Zeit des Parlaments nicht beanspruchen. Das Parlament diskutiert über viele andere Dinge.“

Doch das ist nur Wunschdenken der Starmer-Regierung und der restlichen herrschenden Klasse.

Die Königsfamilie versucht, sich von einem Sexskandal zu befreien, doch die Krise lässt sich nicht eindämmen. Andrew hat das Leben eines Playboys geführt und sich dabei mit dem milliardenschweren Mädchenhändler Jeffrey Epstein angefreundet. Superreiche auf der ganzen Welt, von Donald Trump in den USA bis hin zur britischen Monarchie, haben Epsteins Dienste als Zuhälter in Anspruch genommen.

Doch Andrew ist nur das unverhohlen korrupteste Mitglied des parasitären Königshauses.

Die Monarchie wurde lange Zeit als Säule der kapitalistischen Ordnung kultiviert. Der Sturz von Karl I. und dessen Hinrichtung im Jahr 1649 markierten die Entstehung der bürgerlichen Herrschaft aus dem Feudalismus. Die Restauration von 1660 schuf eine konstitutionelle Monarchie, um diese Herrschaft durch einen politischen Kompromiss zwischen der alten feudalen Aristokratie und der neuen Bourgeoisie zu sichern. Die „Glorious Revolution“ von 1688 und die Verabschiedung der Bill of Rights ein Jahr später verfestigten sie noch weiter.

Im Lauf der Jahrhunderte leistete die Monarchie dem bürgerlichen Staat gute Dienste. Sie stellte während des blutigen Aufstiegs des Britischen Empire ein nominell unpolitisches und einheitsstiftendes Staatsoberhaupt, das von „Geschichte“ und „Tradition“ umhüllt und geheiligt war. Später, als der Niedergang des Empire und der wirtschaftlichen Überlegenheit Großbritanniens begann, diente sie als Werkzeug der internationalen Realpolitik in den Beziehungen zu den USA und anderen imperialistischen Mächten sowie den neuerdings unabhängigen Commonwealth-Staaten.

Vor allem in der Person Elizabeths II. verlieh die Monarchie der bürgerlichen Herrschaft einen Anschein von Stabilität und Kontinuität. Doch der Niedergang der internationalen Position des britischen Kapitalismus führte zu einer rücksichtslosen Hinwendung zu nackten Spekulationen des Finanzparasitismus, und die Königsfamilie selbst hofierte diese Schicht.

Dieses Archivbild vom 10. Juli 2018 zeigt Mitglieder der Königsfamilie auf dem Balkon des Buckingham Palace in London, die eine Flugparade der Royal Air Force über dem Palast beobachten. Von links: Prinz Charles, Camilla, Duchess of Cornwall, Prinz Andrew, Königin Elizabeth II. Meghan, Duchess of Sussex, Prinz Harry, Prinz William und Kate, Duchess of Cambridge. [AP Photo/Matt Dunham]

Elizabeth versuchte daraufhin, den königlichen Hofstaat auf eine überschaubarere Größe zu reduzieren. Allerdings wurden dadurch diejenigen, die weiter unten in der Hierarchie standen, nur noch räuberischer und rücksichtsloser in ihrem Bestreben nach unabhängigen Einnahmequellen von einer globalen Finanzoligarchie, deren Vermögen das der Königsfamilie weit übersteigt. Abgesehen von der bitteren Scheidung von Charles und der verstorbenen Prinzessin Diana war die bisher schwerwiegendste Folge dieses Prozesses das Zerwürfnis mit Dianas Sohn Prinz Harry und Meghan Markle. Doch Andrews öffentliche Diskreditierung hat dies in den Schatten gestellt.

Der unmittelbare Auslöser für Andrews Sturz war die Veröffentlichung von Nobody's Girl, den Memoiren des Epstein-Opfers Virginia Giuffre, die sich im April vor der Veröffentlichung tragischerweise das Leben nahm.

Giuffre wurde im Jahr 2001, mit 17 Jahren, von Epstein angeheuert; damals arbeitete sie in Trumps Anwesen Mar-a-Lago. Sie erklärte, Epstein habe ihr 15.000 Dollar gezahlt, damit sie sich Andrew zur Verfügung stellt. Aus dieser Zeit existiert ein Foto von ihr und dem Prinzen.

Virginia Giuffre (damals 17 Jahre alt) mit Prinz Andrew Albert Christian Edward, dem zweiten Sohn von Königin Elizabeth II. und Prinz Philip, im Jahr 2001

Andrew wies die Vorwürfe zurück, doch die Situation verschlimmerte sich nur noch mit jedem Versuch, sie zu entschärfen. Ein Interview mit der BBC-Journalistin Emily Maitlis, das seinen Namen reinwaschen sollte, endete im Fiasko. Giuffre schrieb, das Interview würde ihren Anwälten helfen, gegen Andrew einen „unangreifbaren Fall aufzubauen“.

Andrew stimmte im Jahr 2022 einer außergerichtlichen Einigung zu und zahlte Giuffre zwölf Millionen Dollar – Berichten zufolge mit Überbrückungsdarlehen von anderen Angehörigen der Königsfamilie, darunter seiner Mutter. Daneben spendete er zwei Million Dollar an Giuffres Wohltätigkeitsorganisation für die Opfer von Sexhandel. Damit rettete er sich vorübergehend davor, zu Details seiner Interaktionen mit Giuffre aussagen zu müssen.

Während des Interviews mit Maitlis behauptete Andrew, die Fotos, die ihn zusammen mit Epstein im Jahr 2010 zeigen, seien entstanden, als er persönlich die Beziehungen abbrechen wollte. Doch in einer E-Mail von 2011, bei der mittlerweile Andrew die Urheberschaft zugeordnet wurde, versicherte er Epstein, dass sie „zusammen da drinstecken“ und erklärte: „Wir werden bald wieder mehr spielen!!!!”

Ein Bild vom Interview „Prince Andrew & the Epstein Scandal“ [Photo: BBC]

Giuffre betrachtete die Einigung als „Eingeständnis, dass ich und viele andere Frauen zu Opfern wurden und als stillschweigendes Versprechen, es nie mehr zu leugnen“. Allerdings erklärte sie sich nur bereit, ein Jahr lang zu schweigen, damit die Feiern von Elizabeths Platinjubiläum nicht noch weiter „beschmutzt“ würden.

Doch mittlerweile sind alle Versuche gescheitert, eine Strafverfolgung zu vermeiden. Durch den Entzug seiner Titel ist einem Gerichtsverfahren Tür und Tor geöffnet.

Auch Andrews anhaltende Versuche, sich kommerziell zu vermarkten, haben ihm weitere Schwierigkeiten eingebracht. Im Jahr 2018 war er Teil einer staatlichen Handelsdelegation nach China, bei der er eine Initiative für chinesische Unternehmen vorantrieb und sich mit Cai Qi traf, dem Stabschef von Präsident Xi Jinping. Dieses Treffen ist mittlerweile für die herrschende Klasse Großbritanniens politisch problematisch geworden, nachdem ein Spionageverfahren gegen zwei Männer gescheitert ist, denen vorgeworfen wurde, im Kontext des eskalierenden US-Kriegskurses gegen China Informationen an Cai weitergegeben zu haben.

Um die Krise abzuwenden, gab Andrew auf Druck von William hin freiwillig seine Herzogtitel ab, „um meine Pflicht gegenüber meiner Familie und dem Land an erste Stelle zu setzen“. Doch all das erwies sich angesichts der Feindseligkeit der Bevölkerung als ungenügend. Laut einer aktuellen Umfrage haben 91 Prozent der Befragten eine negative Meinung von Andrew.

Die Königsfamilie sah sich zu außergewöhnlichen Maßnahmen gezwungen. Die Androhung, seinen Töchtern ihre Titel zu entziehen, scheint Andrew und seine Frau Sarah Ferguson endgültig dazu gebracht zu haben, aus der Royal Lodge in Windsor auszuziehen. Das Anwesen mit 30 Zimmern hat die Empörung zusätzlich angefacht.

Prinz Andrews Fahne über der Royal Lodge im Jahr 2008 [Photo by Phillip Williams / CC BY-SA 2.0]

Andrew zahlte der Crown Estate im Jahr 2003 eine Million Pfund für einen „unkündbaren“ Mietvertrag über 75 Jahre, laut dem er nur einen symbolischen Betrag pro Jahr als Miete zahlen musste, „falls dies verlangt würde“. Ferguson, die sich 1996 von ihm scheiden ließ, lebt seit 2008 in einem Flügel des Anwesens. Auch sie wurde von ihrem „großartigen Freund“ Epstein 15 Jahre lang finanziert. Später entschuldigte sie sich bei Epstein dafür, dass sie sich öffentlich von ihm distanziert hatte, um ihre eigene Haut zu retten.

Um Andrew formell gegen seinen Wunsch seine Titel abzuerkennen, wäre ein Beschluss des Parlaments nötig gewesen, was weitere Probleme verursacht hätte. Zuletzt wurde diese Maßnahme im Jahr 1917 gegen Angehörige des Königshauses angewandt, die im Ersten Weltkrieg für ihre deutschen Verwandten kämpften. Zu ihnen gehörte der Duke of Albany, der in Deutschland blieb und später ein prominenter Unterstützer der Nazis wurde – einer von vielen in der Königsfamilie.

Charles versuchte, dies zu umgehen, indem er Andrews Name durch einen königlichen Erlass aus der offiziellen Liste des Adelsstands streichen ließ, was faktisch den Verlust seines Titels als Duke of York bedeutete. Da seine Töchter jedoch ihre Titel behalten, wird weiterhin gefordert, Andrew formell die Position an achter Stelle der Thronfolge abzuerkennen. Zudem fordert Giuffres Bruder Sky Roberts seine Verhaftung.

Andrew verkörpert den toxischen Niedergang der bürgerlichen Herrschaft und ihrer Institutionen. Die Abscheu, die er hervorruft, ist natürlich und begrüßenswert, doch diese Krise lässt sich nicht mit einigen kosmetischen Änderungen von Titeln und herrschaftlichen Anwesen aus der Welt schaffen. Sie ist systembedingt.

In den USA haben Millionen von Arbeitern und Jugendlichen mit der Parole „No Kings“ gegen das autoritäre Trump-Regime demonstriert. Diese Parole muss auch die Arbeiterklasse in Großbritannien übernehmen, die immer noch mit einer tatsächlichen Monarchie konfrontiert ist.

Die gesamte herrschende Klasse – die damit beschäftigt ist, die Gesellschaft auszuplündern, demokratische Rechte auszuhöhlen und im globalen Maßstab Handelskonflikte und Krieg zu führen – muss bekämpft werden. Die Monarchie muss als Teil des Kampfs für den Sozialismus von der Arbeiterklasse gestürzt werden.

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