Perspektive

Dick Cheney ist tot: Ein Kriegsverbrecher, der Trump den Weg ebnete

US-Vizepräsident Dick Cheney (rechts) mit US-Präsident George W. Bush in Washington am 11. Juli 2008 [AP Photo/Evan Vucci]

Der ehemalige US-Vizepräsident Dick Cheney ist mit 84 Jahren gestorben. Die amerikanische Bevölkerung wird nun der vorhersehbaren Flut an Würdigungen für Cheney ausgesetzt. Die bürgerlichen Politiker und Medien werden alles tun, um die Bilanz dieses Kriegsverbrechers, der die demokratischen Rechte mit Füßen getreten und den Weg für den Diktaturkurs von Donald Trump geebnet hat, zu beschönigen.

Niemand sollte auf den Versuch hereinfallen, Cheneys blutige Vergangenheit reinzuwaschen. Dieser Mann verkörperte die Gier und Skrupellosigkeit der amerikanischen Kapitalistenklasse. Er war Stabschef des Weißen Hauses, Verteidigungsminister, CEO des riesigen Öldienstleisters Halliburton und dann Vizepräsident unter George W. Bush, wo er als die eigentliche Macht im Hintergrund agierte. Cheney spielte eine führende Rolle in drei großen imperialistischen Kriegen der USA: 1990–1991 gegen den Irak, ab 2001 gegen Afghanistan und ab 2003 erneut gegen den Irak. Allein diese Kriege kosteten mehrere Millionen Todesopfer, ganz zu schweigen von „kleineren“ Konflikten wie der US-Invasion in Panama 1989 und der Intervention in Somalia 1992.

Cheney war ein Mann des Staates. Sein erster Mentor und Förderer Donald Rumsfeld – eine ähnliche politische Figur wie er selbst – holte Cheney während der Regierung unter Gerald Ford (1974–1977) ins Weiße Haus, wo er schließlich Stabschef wurde. Nachdem Ford bei der Wiederwahl unterlegen war, gewann Cheney 1978 einen Sitz im Kongress für den Bundesstaat Wyoming. Er stieg schnell zum zweiten Mann in der Führung der Republikanischen Partei auf, bevor er von Präsident George H. W. Bush zum Chef des Pentagon ernannt wurde. Dort leitete er den Golfkrieg, die größte Mobilisierung amerikanischer Streitkräfte seit dem Zweiten Weltkrieg mit fast 600.000 Soldaten. Mit amerikanischen Hightech-Waffen, darunter Panzergranaten mit Uranspitzen und lasergesteuerte Bomben und Raketen, wurde ein Gemetzel an den praktisch wehrlosen Soldaten verübt, die der irakische Präsident Saddam Hussein nach Kuwait geschickt hatte.

Nachdem Bush bei der Wiederwahl unterlegen war, wurde Cheney CEO von Halliburton, wo er während der acht Regierungsjahre des demokratischen Präsidenten Bill Clinton 40 Millionen Dollar einnahm. Im Jahr 2000 wählte ihn George W. Bush als seinen Vizepräsidentschaftskandidaten aus, weil er auch das Vertrauen jener Teile der herrschenden Klasse hatte, die Zweifel an dem jungen Bush hegten. Im Unterschied zu dem rücksichtslosen Kriegstreiber und Konzernchef Cheney war Bush unerfahren in der Kriegspolitik und erfolglos in der Wirtschaft.

Bush und Cheney kamen in der gestohlenen Wahl von 2000 an die Macht. Der Oberste Gerichtshof hatte die Auszählung der Stimmen in Florida gestoppt, die den Wahlsieg der Republikaner vermutlich verhindert hätte. Der neue Vizepräsident ließ keine Zeit verstreichen, um seine Freunde aus der Wirtschaft zu belohnen. Er richtete sofort eine „Energie-Taskforce“ ein, deren Verfahren und sogar deren Mitgliedschaft geheim gehalten wurden. Dort bereiteten Führungskräfte von Ölkonzernen und Mitarbeiter des Militär- und Geheimdienstapparats eine Reihe von US-Militäreinsätzen vor – „Kriege um Öl“, für die nur noch ein Vorwand gefunden werden musste.

Die Terroranschläge vom 11. September 2001, über die hochrangige Stellen im US-Staatsapparat vorab informiert waren, lieferten diesen Vorwand – nicht nur für imperialistische Kriege im Ausland, sondern auch für einen Angriff auf die demokratischen Rechte der amerikanischen Bevölkerung im Inland. Bei beiden Verbrechen spielte Cheney eine führende Rolle. Als Reaktion auf die Terroranschläge, die von Selbstmordattentätern verübt wurden, die hauptsächlich aus Saudi-Arabien kamen, nahm die Bush-Regierung sofort Afghanistan ins Visier, wo sich der Al-Qaida-Führer Osama bin Laden aufhielt. Mit Unterstützung der Demokratischen und der Republikanischen Partei verabschiedete der Kongress eine Kriegsresolution, die die Invasion und Besetzung Afghanistans durch die USA sowie einen „Krieg gegen den Terror“ einläutete, der bis heute andauert. In ähnlicher Weise verabschiedeten Demokraten und Republikaner fast einstimmig den Patriot Act. Das Gesetz räumte dem US-Präsidenten weitreichende Befugnisse ein, mutmaßliche „Terroristen“ innerhalb der Vereinigten Staaten ohne nennenswerte gerichtliche Kontrolle zu überwachen und zu inhaftieren.

Afghanistan war jedoch nur ein Sprungbrett für einen viel größeren und blutigeren Raubzug: die Invasion, Eroberung und Besetzung des Irak durch die USA. Während Afghanistan über riesige Bodenschätze verfügte, die weitgehend unerschlossen waren, gehörte der Irak zu den größten und profitabelsten Ölförderländer, eine reiche Beute für imperialistische Plünderungen. Cheney spielte die Hauptrolle bei der Verbreitung der Lügen über „Massenvernichtungswaffen“ und angebliche Verbindungen zwischen Saddam Hussein und Al-Qaida. (Die beiden waren in Wirklichkeit erbitterte Feinde.) Diese Lügen wurden von den etablierten Medien aufgegriffen, mit der New York Times an der Spitze, und vom Kongress übernommen, der im Oktober 2002 parteiübergreifend für den Krieg im Irak stimmte. Weniger als fünf Monate später marschierten US-Truppen in den Irak ein – unter völliger Missachtung des Völkerrechts und trotz Massenprotesten von Millionen Menschen in Amerika und auf der ganzen Welt.

Cheney war der Hauptarchitekt und Verteidiger des rechtlichen und administrativen Gefüges, das diese Massenverbrechen ermöglichte. Er schuf und verteidigte die Architektur der Gesetzlosigkeit: die Doktrin des Präventivkriegs, die juristische Rechtfertigung für „verschärfte Verhörmethoden“ (Folter), außerordentliche Überstellungen, unbefristete Inhaftierungen und den Überwachungsstaat. Cheney war der intellektuelle und politische Leiter des Folterapparats. Dieses System der Misshandlung erreichte seinen grotesken Höhepunkt in Abu Ghraib, seine Methoden wurden in Gefängnissen und geheimen Haftanstalten institutionalisiert. Die Brutalität des Staates war seine Politik.

Einmal wurde Cheney nach seiner Meinung zur wachsenden öffentlichen Opposition gegen den Irakkrieg gefragt, die sich in Demonstrationen, Umfragen und einer Niederlage der Republikaner bei den Zwischenwahlen 2006 widerspiegelte Er antwortete mit einem eiskalten „Na und?“. Wie die WSWS damals kommentierte, gab Cheneys Bemerkung „seiner völligen Verachtung für den Willen der amerikanischen Bevölkerung Ausdruck“.

Cheney wurde nur dann zurechtgewiesen, wenn er mit dem Militär- und Geheimdienstapparat selbst in Konflikt geriet, wie die Affäre um Joe Wilson zeigt. Der ehemalige US-Diplomat war für die Bush-Regierung nach Niger gereist, um Beweise für irakische Urankäufe zu suchen, hatte aber nichts gefunden. Nachdem Wilson öffentlich mit der Regierung gebrochen und den Krieg kritisiert hatte, schlug Cheney zurück. Die Identität von Wilsons Frau Valerie Plame, einer verdeckten CIA-Agentin, wurde an die Presse weitergegeben. Gleichzeitig begann eine Verleumdungskampagne, in der behauptet wurde, sie habe die Reise nach Niger als Vergünstigung für ihren Mann arrangiert. Die Demokraten im Kongress und die Geheimdienste schlossen sich zusammen, um die „enttarnte“ Agentin zu unterstützen. Die Bush-Regierung sah sich gezwungen, die undichte Stelle zu untersuchen. Cheneys Stabschef Lewis Libby wurde schließlich wegen Falschaussage vor einem Geschworenengericht verurteilt.

Obwohl diese Affäre Cheneys persönliches Ansehen beeinträchtigte, blieben die Maßnahmen für Krieg und Unterdrückung im Innern bestehen, die er vorangetrieben hatte. Die Demokraten-Regierung unter Präsident Barack Obama und Vizepräsident Joe Biden setzte die Kriege in Afghanistan und im Irak fort und führte neue Kriege gegen das ölreiche Libyen und gegen Syrien, den einzigen Verbündeten Russlands im Nahen Osten. Die Ermächtigungsgesetze für den Einsatz militärischer Gewalt, die 2001 und 2002 verabschiedet wurden, sind nach wie vor in Kraft.

Der gesamte innenpolitische Apparat der Überwachung und Unterdrückung ist auf eine nie dagewesene Größe angewachsen. Obama begann seine Amtszeit damit, dass er jede Möglichkeit einer Strafverfolgung für die Folterer der CIA und ihre Befehlsgeber wie Cheney ausschloss. Er genehmigte Drohnenattentate, auch auf amerikanische Staatsbürger, wobei die Todeslisten an den „Terror-Dienstagen“ im Weißen Haus erstellt und abgesegnet wurden. Wie die mutigen Whistleblower Chelsea Manning und Edward Snowden aufgedeckt haben, nahmen die verdeckten Operationen der US-Regierung gegen die gesamte Weltbevölkerung, einschließlich der Amerikaner, exponentiell zu.

Der Aufbau des amerikanischen Polizeistaats, den Bush und Cheney begonnen hatten, ging unter Obama, Trump und Biden weiter und hat nun in der zweiten Amtszeit von Trump seinen Höhepunkt erreicht. Diese Tatsache allein zeigt, dass Cheney kein einzelner skrupelloser Politiker war, sondern ein Vertreter der herrschenden sozialen Klasse, der Finanzaristokratie. Sie kontrolliert beide kapitalistischen Parteien, die Demokraten und die Republikaner, und greift zum Mittel der Diktatur, um ihren Reichtum und ihre Macht gegen die Arbeiterklasse zu verteidigen.

Als Cheney im Januar 2009 aus dem Amt schied, gehörte er zu den meistgehassten Persönlichkeiten in Amerika und weltweit. Sein Name war im Bewusstsein der Bevölkerung untrennbar mit monströsen Verbrechen gegen wehrlose Menschen im In- und Ausland verbunden. Das war kein Missverständnis. Nach den Grundsätzen, die nach dem Zweiten Weltkrieg bei den Nürnberger Prozessen festgelegt wurden, sollten die gleichen Strafen, die gegen die NS-Kriegsverbrecher verhängt wurden, für die Führer aller Länder gelten, die ähnliche Verbrechen begehen: Angriffskriege, Völkermord und das vorsätzliche Herbeiführen von Massensterben. Wären die Prozesse von Nürnberg 1946 wirklich als Präzedenzfall konsequent angewendet worden, wäre Cheneys Karriere in einer Gefängniszelle oder am Strick geendet.

In seinen letzten Lebensjahren näherten sich Cheney und seine Tochter Liz der Demokratischen Partei an. Im Jahr 2024 kündigte Cheney an, dass er für Kamala Harris stimmen werde. Dies war nicht, wie es die Medien darstellen, ein Ausdruck von Prinzipientreue und eine Verteidigung der „Demokratie“ gegen Trumps Staatsstreich. Dahinter stand in Wirklichkeit Cheneys Übereinstimmung mit dem Hauptziel der Demokraten – ein Krieg der USA und der Nato gegen Russland.

Die Reaktion der Demokratischen Partei auf Cheneys Tod entlarvt ihren eigenen durch und durch reaktionären und proimperialistischen Charakter. Die ehemalige Vizepräsidentin Harris erklärte: „Cheney war ein ergebener Staatsdiener, vom Kongress bis hin zu vielen Führungspositionen in mehreren Regierungen. Sein Tod bedeutet den Verlust eines Menschen, der mit großem Engagement einen Großteil seines Lebens dem Land gewidmet hat, das er liebte.“

Jedes Wort dieser widerwärtigen Würdigung unterstreicht, dass die Demokraten und Republikaner als Parteien der Wall Street und des Imperialismus dieselben Interessen vertreten. Harris und ihre Partei feiern Cheneys verbrecherisches Leben der Invasion, Folter und Lügen, weil er das rücksichtslose Streben nach amerikanischer Vorherrschaft verkörperte.

Auch wenn es taktische Meinungsverschiedenheiten zwischen Cheney und Trump gegeben hat, so sind sie beide durch tiefgreifende gesellschaftliche und politische Prozesse miteinander verbunden: den Niedergang des amerikanischen Kapitalismus und Imperialismus in Barbarei und Kriminalität. Das gesamte politische Establishment lebt im Schatten der Verbrechen, die Cheney mit entfesselt hat.

Die sich entwickelnde Bewegung der Arbeiterklasse, gewappnet mit einem sozialistischen Programm, wird mit Cheney, seinesgleichen und der ganzen kapitalistischen Oligarchie abrechnen.

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