81. Der Fraktionskampf innerhalb der RCP führte dazu, dass Tony Cliff, ein Anhänger von Shachtmans Staatskapitalismus-Theorie, in das politische Leben Großbritanniens eintrat. Cliff sollte seine eigene Bewegung aufbauen, indem er unzufriedene RCP-Mitglieder rekrutierte. Der Ausbruch des Koreakrieges im Juni 1950 wurde zum Testfall für die Anhänger des Staatskapitalismus. Der Konflikt wurde vom US-Kapitalismus provoziert, der auf die chinesische Revolution vom Vorjahr reagierte, und kündigte eine enorme Verschärfung des Kalten Krieges einschließlich der Remilitarisierung Europas an. In nur drei Jahren wurden drei Millionen Koreaner getötet. Der britische Imperialismus nahm aktiv am Konflikt teil. Die Labour-Regierung mobilisierte 70.000 Soldaten, wobei sie den Wehrdienst auf zwei Jahre verlängerte. Um den Einsatz zu finanzieren, wurden die Kosten für die Verschreibung von Medikamenten erhöht.
82. Cliff passte sich der offiziellen anti-kommunistischen Hysterie an und lehnte die Verteidigung Nordkoreas ab. Er behauptete, dies sei ein Krieg zwischen zwei rivalisierenden imperialistischen Mächten, der UdSSR und den USA, und trat für Neutralität ein. Dieser Position entsprang der Aufruf der International Socialists: „Weder Washington, noch Moskau, sondern internationaler Sozialismus!“ Zu einer Zeit, als die Trotzkisten innerhalb der Labour Party und in den Gewerkschaften arbeiteten und versuchten, Widerstand gegen den Koreakrieg zu mobilisieren, durchkreuzte Cliff ihre Bemühungen. Er arbeitete mit einer geheimen Fraktion ehemaliger Haston-Anhänger innerhalb der RCP in Birmingham zusammen, die ihm halfen, die trotzkistische Bewegung zu spalten. Sie wählten als Anlass eine Versammlung des Trades Council (Gewerkschaftsrates), um die Politik der Vierten Internationale zu Korea öffentlich zurückzuweisen. Mitglieder dieser Gruppe gaben später zu, dass sie beabsichtigt hatten, Healy „eine Falle zu stellen“. Sie wussten genau, dass ein solcher offener Bruch der Parteidisziplin ihm keine Alternative lassen würde, als sie auszuschließen, wodurch sie sich als „Märtyrer“ gebärden und darauf hoffen konnten, einen internationalen Fraktionskampf auszulösen.[21]
83. Cliff argumentierte, die stalinistische Diktatur sei ein Ausdruck des jüngsten Stadiums in der Entwicklung des Weltkapitalismus, das sich auch in den Verstaatlichungen von Labour nach dem Krieg und jenen der neuerdings unabhängigen Kolonialregime darstelle. Ihm zufolge dienten die Intelligenz und die stalinistische Bürokratie als Hebamme für eine neue Art Staatskapitalismus. In der chinesischen Revolution habe die industrielle Arbeiterklasse „keine wie auch immer geartete Rolle“ gespielt, und in Kuba hätten „Intellektuelle aus den Mittelschichten die gesamte Kampfarena dominiert“. Hiervon ausgehend erklärte Cliff, dass Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution aus folgendem Grund falsch sei: „Das konservative, feige Wesen einer sich spät entwickelnden Bourgeoisie (Trotzkis erster Punkt) ist ein absolutes Gesetz. Der revolutionäre Charakter der jungen Arbeiterklasse (Punkt 2) ist weder absolut, noch unvermeidlich. (…) Wenn das beständig revolutionäre Wesen der Arbeiterklasse, zentraler Pfeiler von Trotzkis Theorie, einmal suspekt wird, dann zerfällt die gesamte Struktur in ihre Einzelteile.“[22]
84. Für Cliff artikulierte die Arbeiteraristokratie die sozialen Interessen der gesamten Arbeiterklasse. Er schrieb: „Aus Lenins Analyse des Reformismus folgt unvermeidlich, dass eine schmale konservative Schicht den revolutionären Antrieb der Arbeitermassen überlagert“, wobei nicht nur im Vereinigten Königreich die Geschichte des Reformismus „seine Festigkeit und seine Verbreitung in der gesamten Arbeiterklasse“ bewies. „Dies frustrierte sämtliche revolutionären Minderheiten und isolierte sie weitgehend.“ Der Reformismus gründete sich also nicht nur auf die Arbeiteraristokratie, sondern war der Arbeiterklasse eingeimpft, die, wie Cliff argumentierte, in ihrer Gesamtheit vom Kapitalismus profitiere. „Wir gehören alle dazu“, verkündete er. „Es betrifft nicht nur eine verschwindend kleine Minderheit, sondern die Arbeiterklasse als Ganzes.“[23]
85. Er schloss mit den Worten: „Die Labour Party tickt in hohem Maß so, was das britische Volk tickt.“ Deshalb dürfen Marxisten sich nicht als eine eigene Partei oder als Embryo einer Partei verstehen. Sie sollten sich daran erinnern, dass die Arbeiterklasse die Labour Party als ihre politische Klassenorganisation ansieht (und wann immer eine neue Welle politischer Aktivität die Arbeiter erfasst, dass Millionen neuer Wähler zu ihrer Fahne strömen und Hunderttausende ihr aktiv beitreten werden).“[24]
86. Ungeachtet ihrer unterschiedlichen Ausdrucksweise gestanden sowohl Grant als auch Cliff der stalinistischen Bürokratie eine rechtmäßige Stellung innerhalb der sowjetischen Gesellschaft zu und prophezeiten stalinistisch geprägten Staaten eine historische Lebensfähigkeit. In den folgenden Jahren erwiesen sie sich im Kampf gegen die Healy-Gruppe immer wieder als Verbündete.
Zitiert in The Methods of Gerry Healy, Ken Tarbuck, http://www.whatnextjournal.co.uk/Pages/Healy/Walters.html [aus dem Englischen]
Tony Cliff The Deflected Permanent Revolution, (1963) http://www.marxists.org/archive/cliff/works/1963/xx/permrev.htm [aus dem Englischen]
Tony Cliff Economic roots of reformism (Juni 1957) http://www.marxists.org/archive/cliff/works/1957/06/rootsref.htm [aus dem Englischen]
Tony Cliff The Labour Party in Perspective, (1962) http://www.marxists.org/archive/cliff/works/1962/xx/labour.htm [aus dem Englischen]