274. Zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts hat die herrschende Elite die Eigenschaften des Ancien Régime im vorrevolutionären Frankreich angenommen, eines Krebsgeschwürs, das keinen Beitrag zur Gesellschaft leistet. Die ehemalige „Werkstatt der Welt“ ist zum Tummelplatz für Finanzspekulanten und Oligarchen und zum weltgrößten Offshore – Steuerparadies geworden, während die City von London sich zum globalen Zentrum für Schwindel und Geschäftemacherei entwickelt hat. Dieses Parasitentum ist die Kulmination des langen Zerfalls – und der Fäulnisprozesses des britischen Kapitalismus. Er infiziert den ganzen politischen Überbau und findet seinen vollendeten Ausdruck in der Labour Party und den Gewerkschaften, die nichts als pure Vertreter der Finanzaristokratie sind und für die Durchsetzung immer größer werdender sozialer Ungleichheit sorgen.
275. Die Kriegshetze der Labour Party wurde durch einen nie dagewesenen Transfer gesellschaftlichen Reichtums von den arbeitenden Menschen zu den Superreichen begleitet. Jeder Aspekt des Lebens wurde dem Markt untergeordnet. Hemmungslos wurde gesellschaftliches Vermögen geplündert, Rentenfonds ausgeräumt, und Konzernprofite in der Form massiver Aktienanteile und Boni verteilt. Die Annahme aller Geheimrezepte des Thatcherismus wurde durch Gordon Browns Erklärung versinnbildlicht, dass es Labour gelungen sei, dafür zu sorgen, dass es keine Rückkehr zur „boom-and-bust“-Wirtschaftspolitik geben werde.
276. Es gibt in der modernen Geschichte nur wenige Beispiele einer größeren Kurzsichtigkeit. Der ökonomische „Aufschwung“ der 1990er Jahre ruhte auf einem instabilen Fundament – einer massiven Akkumulation fiktiven Kapitals, ohne Beziehung zu einer tatsächlichen Entwicklung wirtschaftlicher Produktion, und der resultierenden kreditgetriebenen Schuldenexplosion. Ab 1997 wurden die großen Aktienmärkte von einer Serie von Schocks erschüttert, jeder ernster als der vorhergehende. 2008 brach das gesamte Gebäude des internationalen Kapitals fast zusammen und erzeugte die schwerste wirtschaftliche Rezession seit den 1930er Jahren. Wie der nationale Sekretär der SEP (Australien), Nick Beams, erklärte:
„Wenn wir von ‚Zusammenbruch‘ sprechen, meinen wir nicht ein einzelnes Ereignis – ein Punkt, an dem der Kapitalismus plötzlich erstarrt und zum Erliegen kommt – , sondern einen historischen Prozess. Die weitreichenden Veränderungen in der Struktur des globalen Kapitalismus – die Implosion des Finanzsystems, der Zusammenbruch des Kreditwesens und der Finanzmärkte und der Bankrott großer Banken und Investmenthäuser – sind das Ergebnis von Entwicklungen, die über Jahre und sogar Jahrzehnte unter der Oberfläche des Wirtschaftslebens stattgefunden haben.
Ein Zusammenbruch bedeutet nicht, dass der Kapitalismus zum Stillstand kommt. Er signalisiert den Beginn einer neuen Periode der Geschichte, in der alte Strukturen, ökonomische wie politische, sowie Ideologien und Denkweisen, weichen und neue Formen politischer Kämpfe sich entwickeln, in denen das Schicksal der Gesellschaft entschieden wird.“[87]
277. Letztlich ruhte die Beherrschung der britischen Arbeiterklasse durch die reformistischen Bürokratien auf einer expandierenden Produktion und den daraus resultierenden Bedingungen relativen Wohlstands. Diese Phase ist nun vorüber. Nach dem größten Finanzcrash seit einem Dreivierteljahrhundert verfolgen Regierungen in aller Welt die Absicht, den Lebensstandard der Arbeiter in der ganzen Welt zu senken, um sich dem Diktat der transnationalen Konzerne und der internationalen Finanzoligarchie zu beugen.
279. Die SEP wird die Entwicklung des Klassenkampfes und die Schaffung neuer unabhängiger Organisationen ermutigen, mit denen die Arbeiterklasse die Durchsetzung ihrer Interessen vorantreiben kann. In diesen Klassenkämpfen muss es das primäre Ziel der revolutionären Bewegung sein, den Graben zwischen der Reife der objektiven Situation und dem gegenwärtigen Bewusstseinsstand der Arbeiterklasse zu überwinden. Es darf kein Nachlassen im Kampf zur Überwindung der lähmenden Kontrolle der Labour – und Gewerkschaftsbürokratien und ihrer Apologeten geben, und niemand darf glauben, dass der objektive Trend zur Revolution die Krise der Führung und der Perspektive in der Arbeiterklasse automatisch lösen wird. Der Einfluss der Bürokratien, die noch immer auf massive Ressourcen zurückgreifen können und die als die wesentlichen Stützen des Kapitalismus fungieren, kann nur überwunden werden durch die Verinnerlichung der strategischen Lehren der Kampfes, den Marxisten führen, um eine revolutionäre Partei der Arbeiterklasse aufzubauen.
280. Nur das Internationale Komitee der Vierten Internationale, das die programmatischen, taktischen und organisatorischen Lehren aus einhundertfünfzig Jahren Arbeiterbewegung verkörpert, kann die politische und ideologische Homogenität der revolutionären Vorhut sicherstellen. Das IK allein liefert die Grundlage, auf der sich die Arbeiterklasse ihrer historischen und internationalen revolutionären Rolle bewusst werden und sich organisieren kann, um die sozialistische Weltrevolution durchzuführen. Die Socialist Equality Party erklärt im Einklang mit Leo Trotzki:
„Die fortgeschrittenen Arbeiter, die in der Vierten Internationale vereinigt sind, zeigen ihrer Klasse den Weg aus der Krise. Sie bieten ein Programm, das sich auf internationale Erfahrungen im Kampf des Proletariats und aller Unterdrückten dieser Welt für die Befreiung stützt. Sie bieten ein unbeflecktes Banner.“[88]
Nick Beams, Der Zusammenbruch des Kapitalismus und die revolutionäre Perspektive der Vierten Internationale (18. Oktober 2008), http://www.wsws.org/de/2008/okt2008/beam-o18.shtml
Leo Trotzki, Das Übergangsprogramm, Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der Vierten Internationale, Essen, 1997.