Perspektive

Auf Maui könnten durch kapitalistische Fahrlässigkeit Hunderte in den Flammen umgekommen sein

Auf der hawaiianischen Insel Maui wüten seit dem vergangenen Dienstag verheerende Waldbrände, und bis zum Montag sind bereits 96 Todesopfer bestätigt worden. Es handelt sich um die tödlichste Feuersbrunst in den USA seit mehr als 100 Jahren.

Am Samstag erklärten die Behörden, dass die Suche nach den Toten und deren Identifizierung erst begonnen habe. Noch viele weitere Opfer seien zu erwarten, insbesondere in einer etwa 13 Quadratkilometer großen Region um die Stadt Lahaina an der Westküste der Insel.

John Pelletier, Polizeichef von Maui, erklärte, dass die Leichenspürhunde erst 3 Prozent des Gebietes abgesucht hätten. Sicherlich werde die Zahl der Toten weiter steigen. Er fügte hinzu: „Das Ausmaß der Katastrophe kennt keiner von uns.“ Pelletier zufolge sei die Identifizierung der Toten besonders schwierig, denn: „Wenn wir die sterblichen Überreste hochheben, fallen sie auseinander.“ Bislang konnten nur zwei der Opfer wirklich identifiziert werden. Den Familienangehörigen erklärte Pelletier, dass zur Identifizierung ihrer Angehörigen DNA-Tests erforderlich seien.

Am Sonntagmorgen gab die Administratorin der US-Katastrophenbehörde FEMA, Deanne Criswell, der CBS-Sendung „Face the Nation“ ein Interview. Reporter Jonathan Vigliotti fragte sie, ob die Berichte von „mehreren Quellen, die mit der Suche zu tun haben“ stimmen würden, und ob die Zahl der Todesopfer wirklich in die Hunderte gehen könne. Darauf antwortete Criswell: „Wenn sie Ihnen das gesagt haben, würde ich das nicht in Frage stellen. Diese Leute wissen am besten, was sie gesehen haben, und wie viele Menschen noch gar nicht erfasst worden sind.“

Der Gouverneur von Hawaii, Josh Green, sagte am Samstag, dass 2.200 Gebäude beschädigt oder zerstört worden seien, 86 Prozent davon Wohngebäude. Die Ursache des Feuers ist bisher ungeklärt, doch laut mehreren Berichten haben die Winde des Hurrikans „Dora“ Stromleitungen umgeworfen, die dann trockenes Gras entzündeten und den Brand auslösten.

Auf der Insel wurden noch drei weitere Brände festgestellt. Zwei davon brennen noch immer, die eine in Kihei, im Südwesten von Maui, und die andere in einer Bergregion landeinwärts, wo in mehreren Gemeinden über 500 Häuser Feuer gefangen haben. Ein weiterer Brand brach am Freitagabend in Kaanapali aus, an der Küste nördlich von Lahaina, konnte aber laut den Behörden gelöscht werden.

In den sozialen Medien kursieren Szenen von zerstörten Gebäuden und ausgebrannten Autowracks entlang der Front Street in Lahaina. Sie erinnern an die zerstörerische Kraft eines Krieges. Der Sprecher der Hawaii Emergency Management Agency, Adam Weintraub, verglich die Verwüstung mit den alliierten Brandbombenangriffen auf deutsche Städte im Februar 1945. Er sagte den Medien: „Mehrere Luftaufnahmen, die wir aus dem Gebiet gesehen haben, erinnern mich an Bilder aus Dresden aus dem Zweiten Weltkrieg.“

Brandruinen in Lahaina (Hawaii), an der Westküste der Insel Maui [AP Photo/Rick Bowmer]

Im Jahr 2018 hatte das „Camp Fire“, der nächsttödliche Waldbrand in den USA, im kalifornischen Paradise ganze Häuser eingeäschert und 85 Menschen getötet. Auf ähnliche Weise hat das Feuer auf Maui eine Höhe von fast 400 Metern erreicht. Aluminium-Motorblöcke sind geschmolzen, und Autoräder haben sich in zähe Lachen verflüssigt.

Auch wenn das volle Ausmaß und die Auswirkungen des Waldbrandes erst in Tagen oder Wochen bekannt sein werden, ist schon jetzt zu sagen, dass der Tod und die Zerstörung auf Maui nicht bloß eine Naturkatastrophe sind. Vielmehr sind sie eine Anklage an die herrschende Kapitalistenklasse, ihre Regierung und die regierenden politischen Parteien.

Seit 20 Jahren warnen Klimawissenschaftler und Umweltschützer vor einem Brand mit solch verheerenden Folgen. Dennoch sind die unerlässlichen Schutzmaßnahmen nicht ergriffen worden, denn sie hätten kapitalistische Interessen tangiert.

Maßnahmen wie das Bereitstellen von Notfallkapazitäten wurden unterlassen, wie Elizabeth Pickett, die zweite Geschäftsführerin der gemeinnützigen Hawaii Wildfire Management Organization, dem Wall Street Journal erklärte. Die Mitverfasserin eines 2014 entwickelten Plans zur Bekämpfung von Waldbränden auf Maui zählte die Gründe dafür auf. Sie bestünden nicht nur in den fehlenden finanziellen Mitteln und den logistischen Hürden dieses unwegsamen Geländes, sondern auch darin, dass man andere Prioritäten gesetzt habe.

Welche anderen Prioritäten? Tatsächlich gibt die US-Regierung, die mit Hilfe der bürgerlichen Medien ständig behauptet, für Infrastrukturen und Schutzmaßnahmen vor solchen Katastrophen sei kein Geld vorhanden, unendlich viel größere Mittel für die Kriegsführung aus, und sie finanziert milliardenschwere Bailouts für Banken und Unternehmen.

Für imperialistische Kriege hat die US-Regierung – Demokraten wie Republikaner – in den letzten 30 Jahren Billionen von Dollar ausgegeben, und infolgedessen wurden Millionen von Menschen getötet und vertrieben. Gleichzeitig hat sie ähnlich hohe Summen in das Finanzsystem gepumpt, um sicherzustellen, dass die Milliardäre an der Wall Street weiter ungestört Profite scheffeln können.

Der Klimawandel ist hauptsächlich durch den jahrzehntelangen rücksichtslosen Ausstoß von Kohlenstoff in die Atmosphäre entstanden. Die Weigerung der Kapitalistenklasse, sich mit diesem Phänomen zu befassen, treibt die Gesellschaft in eine wahrhaft existenzielle Katastrophe. Daran hat der jüngste Waldbrand in Maui nun jeden Zweifel ausgeräumt.

Auf die Katastrophe reagiert das politische Establishment mit erstaunlichem Desinteresse und der Weigerung, auch nur die geringste Verantwortung dafür zu übernehmen. Das Weiße Haus hat am Donnerstag eine Erklärung von gerade mal drei Absätzen publiziert. Darüber hinaus hat Präsident Joe Biden über den schrecklichen Verlust von Menschenleben auf Hawaii bisher nichts zu sagen.

Am Sonntagmorgen erklärte die demokratische Senatorin Mazie Hirono aus Hawaii in der CNN-Sendung „State of the Union“, sie wolle sich „nicht für die Tragödie entschuldigen“. Als der Moderator Jake Tapper sie fragte, warum die Behörden derart unvorbereitet auf das Feuer gewesen seien, antwortete sie mit der erstaunlichen Feststellung: „Meiner Meinung nach tun wir schon eine Menge, um die notwendige Unterstützung zu leisten, aber immer wird der Ruf nach noch mehr kommen.“

Für die Einwohner von Maui stellt sich die Situation völlig anders dar. Erstens sind Tausende der Menschen auf der Insel, die vermisste und verstorbene Angehörige betrauern, durch das Feuer selbst obdachlos geworden. Wie die FEMA und das Pazifik-Katastrophenzentrum erklärten, benötigen etwa 4.500 Menschen eine neue Unterkunft.

Zweitens wurde der World Socialist Web Site berichtet, dass die Bereitstellung von dringend benötigten Lebensmitteln und Geld für mittellose Betroffene vollständig von Freiwilligen abhängig ist. In der arbeitenden Bevölkerung ist ein hohes Maß an Bestürzung, aber auch Wut und Misstrauen gegen die Regierung deutlich spürbar.

Die Insel Maui ist in der Tat ein Mikrokosmos der sozialen Ungleichheit in ganz Amerika. In den letzten Jahrzehnten driftet das Einkommensgefälle auf Hawaii deutlich auseinander. Laut einer Studie aus dem Jahr 2022 ist der Anteil sogenannter ALICE-Haushalte (Asset Limited, Income Constrained, Employed – oder Menschen, die trotz Arbeit als arm gelten) in Maui County auf mehr als die Hälfte oder 52 Prozent der Bevölkerung angestiegen. Es handelt sich um Personen mit einem Einkommen von knapp über 35.000 Dollar, bzw. vierköpfige Familien mit einem Einkommen von 72.000 Dollar. Maui weist somit die höchste Rate im Bundesstaat Hawaii auf.

Auf Maui befinden sich heute auch Grundstücke und Wohnsitze, die einigen der reichsten Menschen der Welt gehören. Der ehemalige CEO und Gründer von Amazon, Jeff Bezos, besitzt ein 78 Millionen Dollar teures 14-Hektar-Anwesen, das von Tausenden Hektar ruhender Lavafelder in der La Perouse Bay auf Valley Isle umgeben ist. Oprah Winfrey, die über ein persönliches Vermögen von 2,5 Milliarden Dollar verfügt, besitzt auf der Insel 2.000 Hektar Land.

Zu den anderen Milliardären, die Immobilien auf Maui ihr eigen nennen, gehören der Mitbegründer von Paypal, Peter Thiel, der CEO von Nvidia, Jensen Huang, und der Software-Magnat David Duffield. Der CEO von Facebook (Meta), Mark Zuckerberg, der über ein Vermögen von 107 Milliarden Dollar verfügt, und der CEO von Oracle, Larry Ellison mit 141 Milliarden Dollar, besitzen jeweils mehrere tausend Hektar Land auf den hawaiianischen Inseln Lanai und Kauai, nahe bei Maui.

Diese Milliardäre und andere Superreiche kaufen sich Land und Häuser auf Hawaii in der Regel als Urlaubsresort, aber auch als Orte, an denen sie ihr Vermögen parken. Viele dieser Individuen schweigen über die Katastrophe auf Maui, während einige wenige aus reinen PR-Gründen wohltätige Spenden versprochen haben.

Der Waldbrand von Maui ist eine jener Naturkatastrophen, die sich mehren und immer schlimmer werden. Dazu gehören Hurrikane, Erdbeben, Tsunamis, Tornados und andere Umweltdesaster. Sie haben die kriminelle Fahrlässigkeit der Kapitalistenklasse und ihrer staatlichen Einrichtungen sehr direkt offengelegt. Im Fall von Hurrikan „Katrina“ im Jahr 2005 wurde beispielsweise die Stadt New Orleans verwüstet, und 1.392 Menschen verloren ihr Leben aufgrund der Überschwemmungen und der Unfähigkeit und Weigerung der Regierung, wirksame Maßnahmen zu ergreifen.

Die Zustände, die sich auf Hawaii wie auf der ganzen Welt entwickeln, beweisen eins sehr klar: Um die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels aufzuhalten, bedarf es einer internationalen Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen das gesamte Profitsystem. Die Finanzelite stellt die Anhäufung von Reichtum systematisch über das menschliche Leben, und nur wenn die Arbeiterklasse ihnen die gesellschaftlichen Ressourcen aus den Händen nimmt und auf geplanter, sozialistischer Grundlage neu organisiert, wird es möglich sein, die existenzielle Bedrohung, die der Kapitalismus hervorbringt, zu bannen.

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