Die Auslieferung von Julian Assange an die Vereinigten Staaten ist einen weiteren Schritt näher gerückt. Am Dienstag wies der High Court des Vereinigten Königreichs sechs der neun Berufungsgründe zurück, die Assanges Anwälte vorgebracht hatten. Die US-Regierung erhielt zudem die Möglichkeit, „Zusicherungen“ zu machen, mit denen auch die letzten drei Gründe entkräftet werden können.
Das Gericht hat der amerikanischen Regierung drei Wochen Zeit gegeben, um darzulegen, dass Assange „nicht aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Prozess (einschließlich der Verurteilung) benachteiligt wird, dass ihm der gleiche Schutz des Ersten Verfassungszusatzes gewährt wird wie einem US-Bürger und dass die Todesstrafe nicht verhängt wird“.
Werden diese Zusicherungen nicht gegeben, „dann wird die Berufung zugelassen und es findet eine Verhandlung statt. Wenn Zusicherungen gegeben werden, erhalten die Parteien eine weitere Gelegenheit, sich zu äußern, und am 20. Mai 2024 findet eine weitere Anhörung statt, um zu entscheiden, ob die Zusicherungen zufriedenstellend sind, und um eine endgültige Entscheidung über die Zulassung der Berufung zu treffen.“
Wie Assanges Frau Stella vor dem Gericht erklärte, ist selbst dieses erbärmliche Urteil faktisch ein Eingeständnis, „dass Julian das Recht auf freie Meinungsäußerung offenkundig verwehrt wurde ... und ihm weiterhin die Todesstrafe droht“.
Die erste Gerichtsinstanz, der Richter am High Court Justice Swift und der britische Innenminister haben alle diese Verstöße gebilligt. Stella erklärte weiter: „Und letztlich haben die Gerichte die USA dazu eingeladen, politisch zu intervenieren und in einem Schreiben zu sagen: ‚Alles ist in Ordnung‘.“
Die Vorschläge des Gerichts sind ein Feigenblatt. Die US-Staatsanwälte werden „Zusicherungen“ abgeben, die ebenso wertlos sind wie die, die bereits zu seinen Haftbedingungen gegeben wurden.
Selbst wenn sie nicht völlig ignoriert werden, sobald Assange in den Vereinigten Staaten ist, heißt das nicht, dass er überlebt. Die US-Regierung muss Assange nicht selbst töten. Sein äußerst schlechter Gesundheitszustand und ein erhebliches Selbstmordrisiko sind medizinisch belegt.
Ein formales Recht auf den Schutz des Ersten Verfassungszusatzes der USA ist bedeutungslos, weil die Anklagen und Verfahren im Bereich der „nationalen Sicherheit“ liegen, wie der britische High Court in seinem eigenen Urteil klarstellt.
Assanges Anwälten hatten argumentiert, dass der britisch-amerikanische Auslieferungsvertrag eine Auslieferung wegen einer politischen Straftat ausschließt. Doch dieser Einwand wurde zurückgewiesen – mit dem Verweis, dass die Labour-Regierung unter Tony Blair diesen Grundsatz aus dem Auslieferungsgesetz (2003) gestrichen hat.
Auch das Argument, dass eine Auslieferung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen würde (Artikel 6 Recht auf ein faires Verfahren und Artikel 7 Keine Strafe ohne Gesetz), wurde mit dem Hinweis auf das Vertrauen in das amerikanische Rechtssystem zurückgewiesen.
Am aufschlussreichsten ist die Reaktion des Gerichts darauf, dass die Anwälte Assanges Recht auf Leben und eine menschliche und nicht erniedrigende Behandlung geltend machten. Sie verwiesen dabei auf den CIA-Komplott zu seiner Entführung oder Ermordung in der ecuadorianischen Botschaft, wo er politisches Asyl beantragt hatte.
Die Richter widerlegen die Beweise nicht, behaupten aber, es gebe „keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten in Bezug auf die Botschaft mit dem Auslieferungsverfahren zusammenhängt“!
In einem bemerkenswerten Abschnitt schreiben sie, dass „die Erwägung extremer Maßnahmen gegen den Antragsteller (z.B. Vergiftung oder Überstellung) eine Reaktion auf die Befürchtung war, dass der Antragsteller nach Russland fliehen könnte. Die kurze Antwort darauf ist, dass der Grund für ein solches Verhalten wegfällt, wenn der Antragsteller ausgeliefert wird.“
Jede Andeutung, dass die USA Assange mit böser Absicht verfolgt haben könnten, sei „nicht vertretbar“, so das Gericht.
Zu dem Argument, Assange werde für seine politischen Ansichten bestraft, schreiben die Richter: „Wir begnügen uns ... mit der Annahme, dass der Antragsteller aus politischer Überzeugung gehandelt hat und dass seine Aktivitäten die Beteiligung des Staats an schweren Verbrechen aufgedeckt haben. Daraus folgt jedoch nicht, dass das Ersuchen um seine Auslieferung wegen seiner politischen Ansichten gestellt wird.“
Zur Begründung führen sie „die eidesstattliche Aussage von [US-Staatsanwalt] Mr. Kromberg an ... Er hat die Schritte, die zu der Entscheidung führten, den Antragsteller zu verfolgen und seine Auslieferung zu beantragen, detailliert beschrieben. [Assanges Anwalt] Mr. Summers stellte klar, dass der Kläger Mr. Kromberg nicht Unredlichkeit vorwirft. Damit ist dieser Aspekt des Falls bereits zu Ungunsten des Klägers entschieden.“
Der größte Teil des Urteils befasst sich mit Artikel 10, dem Recht auf freie Meinungsäußerung, auf das sich Assange beruft. Der einzige Punkt, zu dem die Richter zusätzliche Zusicherungen von der US-Regierung verlangten, war die Frage, ob Assange ein gleichwertiger Schutz gemäß dem Ersten Verfassungszusatz gewährt würde. Sowohl Kromberg als auch der ehemalige CIA-Direktor Mike Pompeo haben offen gesagt, dass diese verweigert werden könnten.
Alle anderen Argumente wurden zurückgewiesen, einschließlich des Schutzes von Whistleblowern und Journalisten, die Informationen über kriminelles Fehlverhalten, insbesondere staatliche Verbrechen, aufdecken.
Die Richter schreiben, dass es sich bei Artikel 10 „um ein eingeschränktes und nicht um ein absolutes Recht handelt. Es ist notwendig, das öffentliche Interesse an der Publikation gegen die legitimen Ziele abzuwägen, die mit den Gesetzen zum Schutz der nationalen Sicherheit verfolgt werden“. Einigen Personen, die in den veröffentlichten Dokumenten als Quellen genannt werden, seien „erhebliche Schäden“ zugefügt worden. Sie berufen sich dabei auf unbegründete Behauptungen von US-Vertretern und „Schäden wie den Verlust des Vertrauens in die staatlichen Geheimdienste“.
Dass Assanges Arbeit dem öffentlichen Interesse dient, wird mit der Behauptung abgewiesen, seine Aktivitäten würden „nicht mit den ‚Grundsätzen des verantwortungsvollen Journalismus‘ übereinstimmen“. Außerdem habe die US-Regierung angeblich „nicht versucht, den Kläger im Zusammenhang mit diesen Themen zu verfolgen“.
Diese absurde Behauptung wird so begründet: „Wie Mr. Kromberg erklärt hat, wird von dem Ansatz ausgegangen, dass alle Vorwürfe wegen Veröffentlichungen (Anklagepunkte 15 bis 17) ausdrücklich auf Dokumente beschränkt sind, die die Namen von Geheimdienstquellen enthalten“.
Die Tatsache, dass nicht Assange, sondern der Guardian-Journalist David Leigh und andere Websites für die ursprüngliche Veröffentlichung der ungeschwärzten Dokumente mit den Namen von US-Agenten und Informanten verantwortlich waren, wird mit der Aussage beiseite gewischt: „Diejenigen, die die Identitäten der Quellen veröffentlicht haben, konnten dies nur tun, weil er ihnen die Namen zur Verfügung gestellt hat. Der Antragsteller kann sich nicht auf das öffentliche Interesse berufen, um diese ebenfalls zu veröffentlichen.“
Um Assange vorzuwerfen, er würde keinen „verantwortungsvollen Journalismus“ betreiben, verweisen die Richter „im Einklang mit dem [Bezirks-]Richter auf die von der Presse selbst geäußerten Ansichten, einschließlich des Guardian, der New York Times, El Pais, Der Spiegel und Le Monde“. Das belegt nur die korrupte Rolle der Konzernmedien.
Das Urteil vom Dienstag zeigt eindeutig, dass die britischen Gerichte und die Regierung Assange in die Vereinigten Staaten ausliefern wollen, wo sein Leben in Gefahr ist. Hinter der Verfolgung von Assange steht die Absicht, nicht nur ihn, sondern alle Gegner des imperialistischen Krieges zum Schweigen zu bringen.
Die Auslieferung von Assange wird von der Biden-Regierung vorangetrieben, die den Nato-Krieg gegen Russland eskaliert und den Völkermord in Gaza unterstützt.
Nach dem Gerichtsurteil erklärte Joseph Kishore, Präsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party in den USA, auf X/Twitter, dass sowohl die Demokraten als auch die Republikaner die Kampagne gegen Assange unterstützen. „Die Präsidenten wechseln, aber Assange bleibt demselben Schicksal ausgeliefert.“
Kishore sagte weiter: „Der Kampf zur Verteidigung von Assange muss sich auf die Arbeiterklasse stützen. Die Verteidigung der demokratischen Rechte bedeutet Kampf gegen den Imperialismus. Und der Kampf gegen den Imperialismus bedeutet Kampf gegen den Kapitalismus.“
Assanges Verfolgung lässt sich nicht einfach juristisch stoppen. Die Unterstützer von Assange müssen seine Verteidigung mit der Massenbewegung verbinden, die sich gegen die Kriegsverbrechen entwickelt. Die Eskalation des Militarismus, die hinter der Verfolgung von Assange steht, führt gleichzeitig zu einer Radikalisierung unter Arbeitern und Jugendlichen. Massen von Menschen sind wütend über die ethnische Säuberung im Gazastreifen und werden sich zunehmend bewusst, dass ein regionaler Krieg im Nahen Osten und sogar ein Atomkrieg in Europa drohen.
Nur im Bündnis mit dieser gesellschaftlichen Kraft, der Arbeiterklasse, kann die Kampagne für Assanges Freiheit geführt und gewonnen werden.