Am Freitagabend traten Pink-Floyd-Gründer Roger Waters zusammen mit Yusuf/Cat Stevens und dem Rapper Lowkey unter dem Motto „Stand Up for Palestine“ bei einem Konzert in der Londoner St. Pancras New Church auf. Das Konzert wurde am Dienstagabend angekündigt, und die Karten waren sofort ausverkauft.
Diese wichtigen sozial engagierten Künstler haben gegen den Massenmord und die ethnische Säuberung der Palästinenser entschlossen Stellung bezogen. Sie alle verurteilen nicht nur Israel, den direkten Verantwortlichen für diese Gräueltaten, sondern auch die Komplizenschaft des britischen Imperialismus und der Labour Party unter Sir Keir Starmer.
Aus diesem Grund wurde Roger Waters in herrschenden Kreisen zur Hassfigur und zum Ziel einer üblen Kampagne mit dem Ziel, ihn als Antisemiten zu verleumden. Am Rande der Veranstaltung wurde sein Auto von etwa 20 Zionisten attackiert, die ihm den Zugang zum Veranstaltungsort versperren wollten, bis sie von der Polizei entfernt wurden. Danach beteiligten sich die Schläger an einem etwas größeren Protest, bei dem israelische Fahnen und Transparente gegen Waters geschwenkt wurden. Auf einem großen Transparent war zu lesen: „Hey Roger, Leave us Jews alone.“ („Hey Roger, lass uns Juden in Ruhe.“)
Im Inneren der Kirche drängten sich Hunderte auf den Bänken und Emporen, um das mehr als zweistündige Konzert zu verfolgen.
Lowkey, der von einem Pianisten und zwei talentierten Backgroundsängerinnen begleitet wurde, brachte die am deutlichsten politischen Stücke des Abends. Sein Song „Free my people: Long live Palestine“ schildert die „Einkreisung der Menschen von Gaza, die Tötung von Zivilisten und die Verbrennung von Gebeinen“. Darauf folgten „My Soul“ und „Ghosts of Grenfell“, eine bewegende Hommage an die 72 Opfer des Hochhausbrands im Grenfell Tower 2017. Der Song „Ahmed“ gab den zehntausenden toten Flüchtlingen, denen der Zugang zur Festung Europa verwehrt wird, eine Stimme, und „Dear England“ handelte von den Unruhen in London im Jahr 2011.
Lowkey verurteilte Labour-Parteichef Starmer, weil er als Generalstaatsanwalt von 2008 bis 2013 verfügt habe, dass Gerichte in 24-stündigem Betrieb „schon zwölfjährige Kinder zu Gefängnisstrafen verurteilt haben, weil sie Wasserflaschen gestohlen haben. Ihr Verbrechen war es, arm zu sein.“ Er verurteilte Starmer, weil er „ sich Menschenrechtsanwalt nennt, aber das Verbrechen des Völkermords leugnet [und] Israel uneingeschränkt unterstützt“.
Yusuf Islam (vormals Cat Stevens) sang seinen bekannten Hit „Wild World“, bevor er sich Gaza zuwandte. Seine Musik wird zwar von seinem Glauben beeinflusst, spricht aber ehrlich die Probleme der heutigen Gesellschaft und das Leid der Unterdrückten an.
In „All nights, All days“ singt er von „Schweren Stürmen oder klarem Himmel/ Diese Politiker erzählen weiter Lügen/ Tageslicht, tiefe Dunkelheit/ Sie stehlen die Hoffnung aus den Herzen der Menschen“. In „The boy who knew how to climb walls“ singt er davon, wie ein Freund aus Kindertagen getötet wird: „Dann fielen die Bomben auf mein kleines Dorf/ Als ich mich umsah, war es weg/ Mama rief unsere Namen, Vater kam nicht mehr/ Seit diesem Tag war das Leben nicht mehr dasselbe wie zuvor.“
Waters trug zwei Stücke vor: zuerst, begleitet von einer Gitarre, das bewegende „Wish You Were Here“, das er als „Klagelied für Syd Barrett, einen toten Freund aus Kindertagen“ vorstellte, aber „heute Abend für Palästina ist“. Danach sang er seine Ballade „The Bar“, ein zutiefst menschliches und nie aufgenommenes Lied, das sich mit schweren Tragödien wie dem Vietnamkrieg und der Enteignung der Lakota-Indianer befasst: „Hier ist eine Botschaft an das weiße Establishment/ Würden Sie sich bitte von unserem Land verpissen?“ Der Zusammenhang mit Gaza war nicht zu übersehen. Neben Widerstand rief Waters auch zu Einheit und Solidarität auf und fragte: „Fühlen alle in der Bar den Schmerz? ... fühlt ihr euch ein wenig verstümmelt? ... Ich glaube, wir fühlen uns alle ziemlich ähnlich.“
Waters lobte alle, die sich für Gaza einsetzen und erklärte, er und viele andere seien „den Tränen nahe“, weil „wir Empathie für unsere Brüder und Schwestern in Gaza und den anderen besetzten Gebieten in Palästina verspüren“.
Waters bezeichnete Starmer als „Beihelfer zum Völkermord“ und erklärte, „er lebt in einem selbst gewählten Käfig, in dem er die Befehle der herrschenden Klasse befolgt. Für uns alle, die wir in dieser wunderschönen Kirche versammelt sind, bedeutet das, dass wir in dem Krieg eine Statistenrolle spielen... Wir alle sind Soldaten im Kampf für Menschenrechte, auch und vor allem für die Menschen in Palästina.“
Allerding bestand eine große Diskrepanz zwischen der großen Aufrichtigkeit der Künstler, die für Palästina auftraten und dem kalkulierten Ausweichen der politischen Redner, die das Konzert als Wahlveranstaltung für Andrew Feinstein benutzten. Er tritt in den Stadtteilen Holborn und St. Pancras für das Wahlbündnis Collective als unabhängiger Kandidat gegen Starmer an.
Feinstein ist ein ehemaliger Abgeordneter des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), der später der britischen Labour Party beitrat und ein wichtiger Unterstützer des ehemaligen Parteichefs Jeremy Corbyn wurde, weil er der Meinung war, dass seine Führung die Möglichkeit eines Linksrucks der Labour Party biete.
Nach Lowkeys Auftritt sprach er gemeinsam mit den beiden anderen parteilosen Kandidatinnen Leanne Mohamad aus Ilford North und Tanushka Marah aus Brighton und Hove. Sie alle sind Mitglieder des Bündnisses „Collective“, das von Corbyns Peace and Justice Project unterstützt wird. Seine fünf Forderungen lauten: eine Lohn- und Gehaltserhöhung für alle, ein grüner New Deal mit öffentlichem Eigentum, Wohnraum für alle, Besteuerung der Reichen, um den NHS zu retten und Aufnahme von Flüchtlingen in einer Welt ohne Krieg. Diese Forderungen werden als utopisch-reformistische Wunschliste vorgebracht, die völlig losgelöst vom wirklichen Klassenkampf und dem Aufbau einer Massenbewegung der Arbeiterklasse für den Sozialismus ist.
Es wurde daher auch nicht darauf eingegangen, wie die reformistischen Sehnsüchte von Collective durchgsetzt werden sollen, abgesehen von der Wahl von Persönlichkeiten wie Feinstein ins Parlament. Es wurde auch kein einziger Vorschlag gemacht, wie die Millionen Menschen in Großbritannien und der Welt, die ein Ende des Völkermords fordern, einen Kampf führen können, der sich nicht nur gegen Israel richtet, sondern auch gegen die imperialistischen Mächte, die es unterstützen. Stattdessen wurde immer wieder an die „heiligen Werte von Frieden, Liebe, Mitgefühl, Güte und Empathie“ appelliert, wie es der Moderator des Konzerts mit Blick auf die Kirche, in der die Veranstaltung stattfand, formulierte.
Mit anderen Worten: Aus der katastrophalen Regierungszeit von Corbyn als Führer der Labour Party wurde und wird keine einzige Lehre gezogen, geschweige denn aus der von Syriza in Griechenland.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Ironischerweise zeigte die Warnung von Cat Stevens in seinem Song „Wild World“ – „a lot of nice things turn bad out there“ (viele schöne Dinge ändern sich und werden schlecht) – ein weitaus größeres Verständnis der politischen Realität, als man es in den Reden der Vertreter von Collective finden konnte, dessen Mitglieder „hoffen, nur mit einem Lächeln durchs Leben zu gehen“.
Besonders auffällig war das Fehlen jeglichen Hinweises auf den De-facto-Krieg der Nato gegen Russland, der sich rasch zu einem atomaren Konflikt ausweitet. Die Entscheidung, das Thema Ukraine nicht anzusprechen, spiegelt die politischen Differenzen über den Krieg unter den Corbyn-Anhängern wider und trennt den Widerstand gegen den Völkermord in Gaza vom breiteren globalen Kampf gegen den Imperialismus.
Feinstein sprach nur davon, „unsere Politik [und] unsere Welt zu verändern, nicht durch die Suche nach irgendwelchen Führern, sondern durch einen Blick in den Spiegel, auf uns selbst, und indem wir uns mit unseren Nachbarn zusammenschließen“.
Marah, eine Theaterregisseurin und Schauspielerin, sprach von einer „neuen Politik“, die nicht sozialistisch sei, sondern vom „Zusammenkommen aller Völker, Rassen und Klassen“ geprägt sei.
Die Einheit aller Klassen zu beschwören, ist ein altbewährtes Mittel, um die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus abzulehnen. Im Kontext des Gaza-Kriegs, in dem die herrschende Klasse in jedem Land und alle großen Parteien Israel entweder offen unterstützten, mit Waffen beliefern und/oder alibihafte Forderungen nach einem Waffenstillstand erhoben haben, ist ein solcher Appell unverzeihlich.
Die Kandidatur von Tom Scripps für die Socialist Equality Party in Holborn und St. Pancras gegen Starmer ist Teil des Kampfs zum Aufbau einer sozialistischen Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse in ganz Europa und der Welt.
Unser Wahlprogramm erklärt, dass die Unterstützung der USA und Großbritanniens für Israels Massenmorde und die ethnische Säuberung in Gaza Teil der Pläne der imperialistischen Mächte für eine neue militärische Aufteilung der Welt und ihrer Rohstoffe sind. Im Mittelpunkt stehen dabei die weit fortgeschrittenen Vorbereitungen auf Krieg gegen Russland, den Iran und China.
Wir betonen, dass der Aufbau einer neuen Antikriegsbewegung einen unwiderruflichen Bruch mit der Labour Party und den Aufbau einer revolutionären Massenpartei der Arbeiterklasse erfordert. Das Wahlmanifest der SEP spricht die zentralen Lehren aus Corbyns fünf Jahren als Vorsitzender der Labour Party an:
Wenn Starmer am Ende in die Downing Street 10 einziehen kann, dann nur deshalb, weil Corbyn und seine Unterstützer, die 2015 mit überwältigender Mehrheit an die Spitze der Labour Party gewählt worden waren, die Forderungen nach dem Hinauswurf der rechten Blair-Anhänger zurückgewiesen haben. Corbyn kapitulierte in allen grundlegenden Fragen, einschließlich der Nato-Mitgliedschaft und der Atomwaffen, und trat die Parteiführung anschließend huldvoll an Starmer ab. Indem er der Lüge vom ,linken Antisemitismus‘ nicht entgegentrat, schuf er die Voraussetzungen für die Massenausschlüsse aus der Labour Party unter diesem Vorwand und auch für die anschließende groteske Darstellung der Proteste gegen den Gazakrieg, an denen auch Hunderte von Juden teilnahmen, als ,Hassmärsche‘... Die Socialist Equality Party erklärt Arbeitern und insbesondere der jungen Generation klar und deutlich: Der Aufbau einer neuen und wahrhaft sozialistischen Führung muss jetzt beginnen. Wir vertreten das sozialistische und internationalistische Programm, auf dessen Grundlage diese neue Führung aufgebaut werden muss.“
Mitglieder und Unterstützer der SEP, die vor der Kirche für die Kampagne warben, wurden von einigen Feinstein-Unterstützern beschuldigt, „die Linken zu spalten“ oder die „Gaza-Unterstützung zu spalten“. Das ist nur eine weitere Variante der alten Angriffe auf unsere Partei, weil wir mit einem sozialistischen Programm gegen Labour antreten.
Die SEP wird ihre politischen Differenzen mit Corbyn und seinen Unterstützern nicht beilegen. Sie sind politisch für Starmers Aufstieg zum Parteichef verantwortlich. Sie werden Labour unabhängig vom Wahlergebnis weiterhin unterstützen, nicht ohne ihren „Protest“ anzumelden – so, wie sie jetzt zur Wahl von Labour aufrufen, wo sie nicht antreten. Diejenigen, die uns dazu auffordern, lassen damit zu, dass Corbyn erneut die oppositionelle Stimmung unter Arbeitern und Jugendlichen unter Kontrolle bekommt, was unweigerlich zu ihrer Niederlage führen wird.