Die Labour Party von Sir Keir Starmer hat gegen die Tories einen erdrutschartigen Wahlsieg errungen. Dabei konnte sie in der Bevölkerung (außerhalb Schottlands) kaum Stimmen hinzugewinnen. Obwohl die Labour Party mit 412 Sitzen gegenüber 121 Sitzen für die Tories eine Mehrheit von 170 Sitzen erlangte, betrug der eigentliche Stimmenanteil der Labour Party landesweit nur 33,8 Prozent.
Labour verfügt mit einem Vorsprung von 170 Sitzen über die größte Mehrheit seit 1997 unter Tony Blair. Dabei ist ihr landesweiter Stimmenanteil seit 2019 nur um zwei Prozent angestiegen. Er liegt aktuell fünf Prozent niedriger als im Jahr 2017 unter Jeremy Corbyn, als die Labour Party bei einer viel höheren Wahlbeteiligung von über 68 Prozent knapp unterlag.
Labour übernimmt die Macht mit dem geringsten Stimmenanteil aller neuen Regierungen in der britischen Geschichte.
Ihr Sieg ist das Ergebnis einer enormen Stimmabgabe gegen die Tories: Tatsächlich verzeichneten die Konservativen ihr bisher niedrigstes Wahlergebnis. Seit 2019 mussten die Tories einen massiven Rückgang um 20 Prozentpunkte hinnehmen. Elf hochrangige Minister haben ihre Sitze verloren, darunter die ehemalige Premierministerin Liz Truss, Verteidigungsminister Grant Shapps und der prominente Brexit-Verfechter Jacob Rees-Mogg.
Der bisherige Premierminister Rishi Sunak konnte zwar seinen Sitz halten, ist aber als Parteivorsitzender zurückgetreten.
Keir Starmer konnte vor allem in den großen städtischen Zentren keine Stimmengewinne erzielen. Dort haben andere Kandidaten, die sich wegen des Völkermords im Gazastreifen gegen die Labour Party aussprachen, deutliche Siege errungen. Außerdem haben sich in den großen Städten fast die Hälfte der Wähler der Stimme enthalten. Landesweit lag die Wahlbeteiligung bei 60 Prozent, was die zweitniedrigste Beteiligung seit 1885 ist.
Starmer hat für seine wirtschaftsfreundliche Agenda, die den Tory-Kurs fortsetzen wird, kein Mandat der Bevölkerung – vor allem nicht für seine Pläne, Großbritannien auf dem Nato-Gipfel am 9. Juli in Washington D.C. in eine direkte Konfrontation mit Russland zu stürzen.
Die Labour Party ist weit von einer neuen Blütezeit entfernt; vielmehr deuten die sozialen und politischen Spannungen, die aus krankhafter Ungleichheit und Not entspringen, auf eine explosive Konfrontation mit der Arbeiterklasse hin.
Während die Medien Starmers Wahlsieg bejubeln, beschreibt der politische Redakteur von Channel 4, Gary Gibbon, das Ergebnis treffend als „lieblosen Durchmarsch“.
Während die Labour Party einige Tory-Sitze eroberte, kamen ihre wichtigsten Zugewinne durch den Zusammenbruch der Scottish National Party (SNP) zustande. In Schottland konnte die Partei einen Zuwachs von 17 Prozentpunkten verbuchen. Die SNP büßte 15 Punkte ein und verlor fast 40 Sitze an Labour, darunter alle sechs Sitze in Glasgow.
Hätte Nigel Farages rechtsnationalistische Partei Reform UK nicht einen großen Teil der konservativen Stimmen bekommen, wäre das Ergebnis für Labour weitaus knapper ausgefallen.
Reform UK erhielt 14 Prozent der Stimmen. Aufgrund des britischen Mehrheitswahlrechts bekommt diese einwanderungsfeindliche Partei damit aber nur vier Sitze, und einer davon ist der von Farage in Clacton. In 98 Wahlkreisen erreichte die Partei den zweiten Platz hinter Labour und vor den Tories.
In Wales musste Labour einen Rückgang von 4 Prozent hinnehmen. Ihre Gesamtstimmenzahl in England blieb unverändert, mit Ausnahme eines Zuwachses von sechs Prozentpunkten in den Bezirken, wo sie ehemalige Tory-Sitze erobern konnte.
Starmers offen konzernfreundliches, militaristisches und nationalistisches Auftreten fand Resonanz in den Tory-Bezirken und in den bürgerlichen Zeitungen The Sun, Times und Financial Times, nicht jedoch unter Arbeitern, die dieser Kurs abstieß.
Die Financial Times schreibt: „In den 63 Bezirken, in denen ein Labour-Sitz am sichersten zu erwarten war, ist der durchschnittliche Stimmenanteil der Partei von 67 Prozent auf 50 Prozent abgesunken.“
Die wichtigsten Wahlverschiebungen sind in denjenigen Arbeitervierteln zu verzeichnen, in denen andere Kandidaten davon profitierten, dass sie sich gegen Starmers obszöne Unterstützung für Israels Völkermord in Gaza wandten. Besonders in den Wahlkreisen mit einem muslimischen Bevölkerungsanteil von über zehn Prozent gingen die Stimmen für die Labour Party im Durchschnitt um 11 Prozent zurück.
Vier pro-palästinensische Unabhängige schlugen die Labour Party, und in Islington North, wo Jeremy Corbyn, der aus Labour ausgeschlossene frühere Parteivorsitzende, kandidierte, schlug er die Labour Party mit 24.120 zu 16.873 Stimmen – bei einer Wahlbeteiligung von rund 50 Prozent.
In Dewsbury und Batley lag Iqbal Mohamed um fast 7.000 Stimmen vor der Labour Party.
In Blackburn schlug Adnan Hussain die Labour Party um rund 200 Stimmen, während der Kandidat der Workers Party of Britain, Craig Murray, mit mehr als 7.000 Stimmen den dritten Platz belegte.
In Leicester South wurde Jonathan Ashworth, der Schatten-Kabinettschef der Labour Party, der bei der letzten Wahl eine überwältigende Mehrheit von mehr als 22.000 Stimmen erhalten hatte, von Shockat Adam mit rund 1.000 Stimmen geschlagen.
In Birmingham unterlag der Labour-Abgeordnete Perry Barr dem unabhängigen Ayoub Khan um 500 Stimmen. Andere führende Blair-Parteigänger wurden geschlagen, darunter Jess Phillips, deren frühere Mehrheit von über 13.000 Stimmen durch die Kandidatin der Workers Party, Jody McIntyre, auf 693 Stimmen reduziert wurde.
Die unabhängige Leanne Mohamad unterlag dem Labour-Schattengesundheitsminister Wes Streeting mit gerade mal gut 500 Stimmen, und der Vorsitzende der Workers Party, George Galloway, verlor den Sitz in Rochdale, den er vor vier Monaten von der Labour Party mit 1.400 Stimmen gewonnen hatte.
Keir Starmer verlor in Holborn und St. Pancras 17.757 Stimmen und halbierte damit seinen Stimmenanteil gegenüber 2019. Der unabhängige Andrew Feinstein wurde dort mit über 7.000 Stimmen oder 19 Prozent der Stimmen Zweiter, und die Grünen erhielten 4.000 Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei nur 54 Prozent.
Dies gab Starmers Siegesrede, in der er als sein Ziel den „Wandel“ und eine neue nationale Einheit verkündete, einen surrealistischen Anstrich. Er erinnerte an seine Rolle bei der Entfernung von Corbyn und dessen mehreren Tausend Anhängern aus der Partei und beschwor das nationalistische Mantra der Labour Party: „Erst das Land, dann die Partei“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Für ihn sei das „nicht bloß ein Slogan, sondern das Leitprinzip für alles, was wir getan haben und weiterhin tun müssen: für die Wirtschaft, für die nationale Sicherheit, für den Schutz unserer Grenzen“.
Starmer stellte klar: „Die von uns vorgenommenen Veränderungen sind dauerhaft und unumkehrbar, und wir müssen weitermachen. Wir sind als eine veränderte Labour Party angetreten, und wir werden als eine veränderte Labour Party regieren.“
Was bedeutet das im Klartext?
Das Wahlprogramm der Socialist Equality Party brachte es auf den Punkt. Dort heißt es:
Sir Keir Starmer will eine Regierung bilden, die ebenso wie die Konservativen den Völkermord im Gazastreifen unterstützt und an der führenden Rolle festhält, die das Vereinigte Königreich im US-geführten Krieg gegen Russland einnimmt (...)
Um einen Krieg von solchen Ausmaßen zu führen, müssen die brutalen Sparmaßnahmen verschärft werden, die bereits jetzt dazu geführt haben, dass junge Menschen und Familien aus der Arbeiterklasse kaum noch über die Runden kommen. Die herrschende Klasse fordert ein „Ende der Friedensdividende“. Das bedeutet, dass dem staatlichen Gesundheitswesen (National Health Service), Sozialleistungen und lebensnotwendigen öffentlichen Dienstleistungen der Garaus gemacht werden muss, um den Krieg zu finanzieren.
Parallel dazu werden Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit geschürt und die Notwendigkeit „starker Grenzen“ beschworen, um den Aufstieg der extremen Rechten zu fördern. Mit den Versuchen, die Proteste gegen den Völkermord in Gaza unter dem verlogenen Vorwurf des Antisemitismus zu kriminalisieren, wurde ein koordinierter Angriff auf demokratische Rechte in die Wege geleitet.
Unsere Kandidaten, Tom Scripps in Holborn und St. Pancras und Darren Paxton in Inverness, Skye und West Ross-shire, machten klar, dass der Aufbau einer neuen und wirklich sozialistischen Führung jetzt beginnen muss. Sie legten ein sozialistisches und internationalistisches Programm vor, auf dem diese neue Führung aufgebaut werden muss.
Wir rufen zur Bildung einer Massenbewegung gegen Völkermord und Krieg auf, die auf folgenden vier wesentlichen Prinzipien beruht:
1. Eine Bewegung gegen Völkermord und Krieg muss sich auf die Arbeiterklasse stützen. Es ist die Arbeiterklasse, die im Krieg kämpfen und sterben wird, und es ist die Arbeiterklasse, die gezwungen sein wird, für den Krieg zu bezahlen. Dieselbe kapitalistische Krise, die Krieg hervorbringt, erzeugt auch die Voraussetzungen dafür, ihn zu beenden. Sie führt zu Kämpfen gegen Ungleichheit und Armut und gegen Angriffe auf Löhne, Arbeitsplätze, Gesundheitsversorgung, Bildung und alle sozialen Rechte der Arbeiterklasse.
2. Eine solche Bewegung muss völlig unabhängig von allen politischen Parteien und Organisationen der Kapitalistenklasse sein, allen voran der Labour Party, und in unversöhnlicher Opposition zu ihnen stehen.
3. Eine neue Antikriegsbewegung muss international sein und die Arbeiter in allen Ländern und auf allen Kontinenten auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Klasseninteressen vereinen. Wie bereits der Erste und der Zweite Weltkrieg geht der globale Krieg, der sich heute entwickelt, aus den Widersprüchen des kapitalistischen Weltsystems hervor. Ein neuer globaler Flächenbrand kann nur durch die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse abgewendet werden, die den gesamten gesellschaftlichen Reichtum produziert und daher die soziale und wirtschaftliche Macht hat, die Verschwörungen der kapitalistischen Führungseliten zu durchkreuzen.
4. Sie muss antikapitalistisch und sozialistisch sein, denn man kann nicht ernsthaft gegen Krieg kämpfen, ohne danach zu streben, der Diktatur des Finanzkapitals und dem Wirtschaftssystem, das die Ursache für Krieg bildet, ein Ende zu setzen.
Auf diese vier Grundsätze muss die Arbeiterklasse, insbesondere ihre jüngere Generation, ihren Kampf gegen die Starmer-Regierung der Austerität, der Repression und des Krieges stützen.
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