Das Ergebnis der brandenburgischen Landtagswahl vom vergangenen Sonntag folgt demselben Muster wie das der Wahlen in Sachsen und Thüringen vor drei Wochen: Die Wut über die Kriegs- und Sozialpolitik der Bundesregierung äußert sich in massiven Verlusten der etablierten Parteien, von denen die rechtsextreme AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) profitieren.
Bei einer Rekordbeteiligung von 73 Prozent erzielte die AfD mit 29,2 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis in Brandenburg. Das BSW, das in diesem Jahr gegründet wurde, kam aus dem Stand auf 13,5 Prozent. Da mehrere Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten und den Einzug in den Landtag verpassten, verfügen die beiden Parteien zusammen über die Hälfte aller Mandate. Die AfD hat eine Sperrminorität und kann wichtige Beschlüsse blockieren.
Die CDU fuhr mit 12,1 Prozent ihr bisher schlechteste Ergebnis bei Wahlen in Ostdeutschland ein. Die Grünen und Die Linke flogen aus dem Landtag. Die FDP, die mit 4 Prozent bereits beim letzten Mal den Einzug verfehlt hatte, erreichte weniger als 1 Prozent und damit nicht einmal halb so viel wie die Tierschutzpartei.
Einzige Ausnahme bildete die SPD, die, nachdem sie in den Umfragen lange hinten gelegen hatte, die AfD auf der Zielgerade überholte und die Wahl mit 30,9 Prozent gewann. Trotzdem ist es nach 2019 das zweitschlechteste Ergebnis der SPD in dem Bundesland, das sie seit 1990 ununterbrochen regiert.
Ministerpräsident Dietmar Woidke, der in der Region geboren ist und sein gesamtes privates und politisches Leben dort verbracht hat, richtete den Wahlkampf der SPD ganz auf seine Person aus. Gemeinsame Auftritte mit Bundeskanzler Olaf Scholz und anderen SPD-Bundespolitikern mied er demonstrativ. Kurz vor dem Wahltermin drohte er dann mit Rücktritt, falls die SPD nicht stärkste Partei werde. Selbst der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der seine CDU-Mehrheit auf ähnliche Weise verteidigt hatte, rief – sehr zum Missfallen der CDU-Bundeszentrale – zur Wahl Woidkes auf, um einen Wahlsieg der AfD zu verhindern.
Woidke rettete so die SPD, zerstörte aber seine Regierungskoalition, ein Bündnis aus SPD, CDU und Grünen, mit dem er seit 2019 regiert hat. Die Grünen verloren mit 6,7 und die CDU mit 3,5 Prozentpunkten weit mehr, als die SPD hinzugewann (4,7 Prozent).
Nach dem Ausscheiden der Grünen fehlt SPD und CDU ein Mandat für eine Mehrheit. Da im neuen Landtag nur noch vier Parteien vertreten sind, verfügen nur SPD und BSW über genügend Abgeordnete, um eine mehrheitsfähige Regierung ohne Beteiligung der AfD zu bilden. Die CDU hat bereits erklärt, sie werde in die Opposition gehen und habe kein Interesse an den Sondierungsgesprächen, die ihr Woidke trotzdem angeboten hat.
Die Wagenknecht-Partei hat dagegen – wie schon in Sachsen und Thüringen – grundsätzlich ihre Bereitschaft erklärt, sich an einer Regierung unter Woidke zu beteiligen. Sie wird dabei die gleiche Rolle spielen, wie die Linkspartei, aus der sie hervorgegangen ist: Unter dem Deckmantel einiger Phrasen über Frieden und soziale Gerechtigkeit wird sie die verhasste Politik der Ampel und der CDU fortsetzen und verschärfen.
Ihre Forderungen nach mehr Abschiebungen, nach mehr Polizei, nach einer eigenständigen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, nach Handelskriegsmaßnahmen und nach einer Stärkung des Mittelstands zeigen den rechten Kern ihres Programms. Die Opposition gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden, die dem BSW viele Stimmen einbrachten, haben dagegen reinen Symbolcharakter. Es gehe darum, „ein Signal zu setzen“, sagt BSW-Generalsekretär Christian Leye, d.h. um eine folgenlose Geste.
Der BSW-Spitzenkandidat in Brandenburg, Robert Crumbach, ist wie geschaffen für eine solche Politik. Bevor er sich Anfang des Jahres dem BSW anschloss, war er 41 Jahre lang Mitglied der SPD. Der Jurist, der Mitglied der Gewerkschaft Verdi ist, arbeitete unter anderem als Referent im brandenburgischen Arbeitsministerium, als Mitarbeiter der SPD-Landtagsfraktion sowie als Arbeitsrichter in Potsdam und Brandenburg. Man kennt sich also bestens.
Eine SPD-BSW-Regierung wird die AfD weiter stärken, die von der Wut auf die Regierenden in Berlin und Potsdam lebt und diese ausschlachten kann, weil die Gewerkschaften den Widerstand dagegen sabotieren und unterdrücken. Sie profitiert davon, dass die anderen Parteien ihre Politik Eins zu Eins übernehmen.
So waren die Tage vor der Brandenburg-Wahl – wie schon vor der Thüringen- und Sachsenwahl – von einer ohrenbetäubenden Kampagne gegen „illegale Flüchtlinge“ und „kriminelle Ausländer“ geprägt. CDU-Chef Friedrich Merz verlangte, dass alle Flüchtlinge an der Grenze rechtswidrig abgewiesen werden, und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) setzte dies sofort in die Tat um. Dem BSW ging dies alles nicht weit genug, es fordert, dass ausreisepflichtigen Asylbewerbern jede soziale Unterstützung gestrichen wird.
Auch wenn es CDU und SPD wegen des zu erwartenden Widerstands bisher nicht wagen, die AfD in die Regierung zu holen, wird sich dies ändern. Sie brauchen die Faschisten und stärken sie, um den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse und der Jugend zu unterdrücken.
Die AfD hat vor allem in ländlichen Regionen Unterstützung gewonnen, die seit der Wende immer weiter abgesunken und verarmt sind. Auch unter jungen Wählern hat sie überdurchschnittlichen Zulauf. So wählten Erhebungen zufolge 31 Prozent der Erstwähler (16 bis 24 Jahre) die AfD, während die SPD hier nur auf 19, das BSW auf 13, die Linke auf 7 und die Grünen auf 6 Prozent kamen. Die SPD erreichte dagegen bei Wählern über sechzig 35 und bei Wählern über siebzig sogar 49 Prozent.
Die AfD wird in Brandenburg von Ultrarechten dominiert. Ihr Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt, ein Labormediziner und ehemaliger Personalrat an der Berliner Charité, übernahm 2020 die Nachfolge von Andreas Kalbitz an der Spitze der Landtagsfraktion. Kalbitz musste die AfD damals wegen seiner Mitgliedschaft in einer verbotenen Neonazi-Organisation verlassen.
Doch Berndt stand ihm in nichts nach. Er ist Mitbegründer und Co-Vorsitzender des Vereins „Zukunft Heimat“, der in Cottbus rassistische Demonstrationen organisierte. Er trat als Redner auf Pegida-Demonstrationen in Dresden auf und ist mit Organisationen der Neuen Rechten, wie dem „Institut für Staatspolitik“ und dem Magazin Compact, vernetzt. Er lehnt Corona-Schutzmaßnahmen strikt ab und bezweifelte öffentlich, ob überhaupt jemand an Corona gestorben sei. Nachdem ein rechtsextremes Treffen in Potsdam zu bundesweiten Demonstrationen geführt hatte, erklärte er, die dort diskutierte „Remigration“ sei „kein Geheimplan, sondern ein Versprechen“.
Der Stimmenzuwachs der AfD ist ein Alarmzeichen. Das Anwachsen der extremen Rechten kann nur bekämpft werden, indem der gesellschaftliche und politische Sumpf trockengelegt wird, in dem sie gedeiht – durch die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse und der Jugend gegen soziale Ungleichheit, Krieg und Kapitalismus.