Der Streik von 45.000 Hafenarbeitern in den USA, der am Dienstag begann, markiert einen wichtigen Meilenstein in der zunehmenden Offensive der Arbeiterklasse. 36 Häfen an der Ost- und Golfküste stehen aufgrund des Streiks still, darunter große Häfen wie New York-New Jersey, Houston, Savannah und Charleston.
Die Arbeitsniederlegung ist Teil einer wachsenden Rebellion der Arbeiter in den USA. Die Hafenarbeiter haben sich den 33.000 Boeing-Beschäftigten angeschlossen, die seit mehr als zwei Wochen streiken, nachdem sie einen Tarifvertrag abgelehnt hatten. Auch Tausende Arbeiter bei Textron und Eaton in der Luft- und Raumfahrtindustrie streiken. Insgesamt befinden sich in den Vereinigten Staaten mindestens 85.000 Beschäftigte in strategisch wichtigen Industrien im Ausstand.
Es entwickelt sich eine weltweite Streikbewegung. Kanadische Hafenarbeiter in Montreal haben einen 72-stündigen Streik begonnen, der eine Bewegung in ganz Nordamerika ermöglicht.
Die Streikwelle ist nur wenige Wochen vor den US-Präsidentschaftswahlen im November ausgebrochen – eine Zeit, in der die Gewerkschaftsbürokratie normalerweise ein faktisches Streikverbot verordnet.
Die herrschende Klasse eskaliert die Kriege im Nahen Osten und gegen Russland, getrieben von dem verzweifelten Versuch, die Vormachtstellung des amerikanischen Kapitalismus zu festigen. Trump und seine Anhänger bereiten sich darauf vor, eine faschistische Diktatur in den USA zu errichten.
Dem steht jedoch eine fortschrittliche gesellschaftliche Kraft gegenüber: die Arbeiterklasse. Die Streikwelle zeigt sowohl die dringende Notwendigkeit als auch die Möglichkeit einer unabhängigen Klassenbewegung, die sich gegen das kapitalistische Profitsystem als Ganzes richtet.
Die Hafenarbeiter kämpfen gegen Arbeitsbedingungen, die überall ähnlich sind: die profitorientierte Gleichgültigkeit der Konzerne gegenüber Sicherheit im Betrieb, stagnierende und sinkende Reallöhne oder extreme Überarbeitung. Vor allem aber streiken die Hafenarbeiter für die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze gegen einen Stellenabbau durch neue Formen der Automatisierung. Konzerne auf der ganzen Welt setzen die Automatisierung als Waffe ein, um große Teile der Arbeiterklasse in die Armut zu treiben. Allein in den USA sind bereits in diesem Jahr Zehntausende Arbeitsplätze in der Autoindustrie, bei UPS, im Technologiesektor und in anderen Branchen auf diese Weise vernichtet worden.
Die herrschende Klasse hat seit langem in den Häfen arbeitssparende Technologien eingesetzt, um Arbeitsplätze abzubauen. Die Containerisierung, d. h. die Verbreitung und Optimierung des Container-Umschlags an den Häfen ab den 1960er Jahren, vernichtete nicht nur Zehntausende Jobs, sondern senkte auch massiv die Transportkosten. Sie war entscheidend für die Globalisierung der kapitalistischen Produktion und die immer stärkere Vernetzung einer wachsenden internationalen Arbeiterklasse. In einem anderen Gesellschaftssystem, das nicht vom Profitstreben bestimmt wird, können diese technologischen Entwicklungen zur Erleichterung der Arbeit und zur drastischen Verbesserung des Lebensstandards eingesetzt werden.
Es wird ein Kampf darüber ausgefochten, wer diese neuen Technologien kontrolliert: die Arbeiterklasse oder die Unternehmenselite. Die Washington Post, die dem Milliardär Jeff Bezos gehört, warnte vorgestern nervös, dass der Hafenstreik nur „eine erste Schlacht gut bezahlter Arbeiter gegen die fortschreitende Automatisierung ist. Es werden noch viele weitere folgen.“
Der Streik ist auch Teil einer wachsenden Rebellion gegen den Gewerkschaftsapparat, der eng mit dem kapitalistischen Staat verbunden ist und seit Jahrzehnten mit den Konzernleitungen kooperiert, um den Arbeitern Zugeständnisse aufzuzwingen. Die aktuelle Streikwelle begann mit der großen Ablehnung eines versuchten Ausverkaufs bei Boeing durch die Bürokratie der Gewerkschaft International Association of Machinists (IAM). Mit einer überwältigenden Mehrheit von 95 Prozent lehnten die Boeing-Beschäftigten den vorgelegten Tarifvertrag ab.
Dieser Schritt hat es auch den anderen Gewerkschaftsführungen erheblich erschwert, einen Streik auszuverkaufen und schlechte Tarifverträge durchzusetzen. Die wütende und vulgäre Rhetorik der Hafenarbeitergewerkschaft International Longshoremen’s Association (ILA) kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gewerkschaftsbürokratie in eine Krise geraten ist. Die treibende Kraft dieses Streiks ist nicht der Gewerkschaftspräsident Harold Daggett, sondern die Belegschaft.
Der Streik ist auch ein Schlag für die Biden-Regierung. Seit Jahren setzt der selbsternannte „arbeitnehmerfreundlichste Präsident in der Geschichte der USA“ auf die Dienste der Gewerkschaften, um Streiks zu blockieren oder einzuschränken und Tarifverträge durchzusetzen, die Stellenabbau ermöglichen und Löhne unterhalb der Inflationsrate vorschreiben. Das Weiße Haus braucht die Gewerkschaftsbürokratie auch, um die Heimatfront auf den Krieg vorzubereiten. Deshalb hat Biden jüngst den Gewerkschaftsverband AFL-CIO als seine „Nato im Inland“ bezeichnet.
Die ILA-Führung hat sich verpflichtet, auf den bestreikten Häfen weiterhin Militärgüter zu transportieren. Mit den Waffenlieferungen unterstützen die USA Israels Völkermord in Gaza und einen Krieg gegen den Iran sowie den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland, der in eine nukleare Katastrophe münden könnte. Präsident Biden hat in einer Erklärung „ausländische“ Reedereien beschuldigt, den Streik zu provozieren. Damit wollte er von der Wall Street und dem US-Kapitalismus ablenken.
Doch sie können den Klassenkampf mit dieser Propaganda für amerikanischen Nationalismus und Militarismus nicht mehr so einfach unterdrücken. Das zeigt die Tatsache, dass die Streiks beim Rüstungs- und Luftfahrtkonzern Boeing und an den Häfen zeitgleich zur Ausweitung der imperialistischen Kriege im Nahen Osten und gegen Russland ausgebrochen sind. Bidens Versuche, die Gewerkschaftsbürokratie zu benutzen, um seine Agenda durchzusetzen, hat die Regierung und die Gewerkschaften in den Augen der Arbeiterklasse zunehmend diskreditiert.
Der Grund ist, dass es dieselben Profitinteressen sind, die hinter dem imperialistischen Krieg und dem Krieg gegen die Arbeiterklasse im Inland stehen: der Kampf um Rohstoffe, Märkte und billige Arbeitskräfte. Unabhängig davon, wer die US-Präsidentschaftswahl gewinnt, sind beide Parteien entschlossen, die Arbeiterklasse für diese Kriege zahlen zu lassen.
Biden behauptet, er habe nicht die Absicht, mit einer einstweiligen Verfügung ein Ende des Streiks zu erzwingen. Aber 2022 haben beide Parteien – die Demokraten ebenso wie die Republikaner – ein Streikverbot gegen die Eisenbahner unterstützt. Das beweist, dass die Regierung durchaus bereit wäre, den Streik mit Gewalt zu beenden, wenn es ihr nicht gelingt, ihn mit den Gewerkschaften unter Kontrolle zu bringen.
Die Hafenarbeiter stehen vor der entscheidenden Frage, ihren Streik zu einer breiten und unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse auszuweiten. Zwei Aufgaben sind hier zentral: Erstens müssen sie ihren Streik selbst demokratisch kontrollieren. Das bedeutet auch, dass sie die Kontrolle über alle künftigen Vertragsverhandlungen erkämpfen und die Möglichkeit bekommen, Entscheidungen zurückzuweisen, die gegen ihren Willen getroffen wurden. Zweitens ist es notwendig, eine wirkliche Vernetzung und Kommunikation mit Arbeitern im ganzen Land und weltweit herzustellen.
Das erfordert die Bildung von Streik- und Aktionskomitees, die sich ausschließlich aus vertrauenswürdigen Arbeitern zusammensetzen und unabhängig von der Gewerkschaftsbürokratie sind. Die Boeing-Beschäftigten haben diesen Schritt bereits getan, ebenso die Eisenbahner und Arbeiter in anderen Branchen. In der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) können sie mit Arbeitern in der ganzen Welt zusammenarbeiten und ihre Arbeitskämpfe koordinieren.
Die Gewerkschaft ILA versucht bereits, die Hafenarbeiter zu isolieren, indem sie die Streikposten und die sozialen Medien überwacht. Außerdem kooperieren der Gewerkschaftschef Daggett und die ILA-Funktionäre mit ihren Kollegen von der International Longshore and Warehouse Union (ILWU) an der Westküste, die ihre Mitglieder zwingt, während des Streiks umgeleitete Fracht umzuschlagen und damit als Streikbrecher zu dienen.
Die streikenden Hafenarbeiter müssen sich mit den Beschäftigten an der Westküste zusammenschließen, die ihren Kampf unterstützen. Sie müssen auf die Eisenbahner zugehen, die gegen neue Tarifverträge kämpfen und die eine Schlüsselrolle dabei spielen, die umgeleitete Fracht zurück an die Ostküste zu bringen.
Außerdem ist es dringend, die Arbeiter in ganz Nordamerika und weltweit zu erreichen, um zu verhindern, dass die Fracht nach Mexiko und Kanada umgeleitet wird. Letztes Jahr haben mexikanische Lkw-Fahrer die Häfen blockiert. Die Arbeiter im Süden wollen sich mit ihren Kollegen im Norden verbünden, um gegen die multinationalen Konzerne zu kämpfen, die sie beide unterdrücken.
Um die Kriege zu stoppen, die von den USA geführt und von der Gewerkschaftsbürokratie unterstützt werden, müssen die Arbeiter handeln und dem internationalen Aufruf der palästinensischen Gewerkschaften folgen, keine Militärgüter nach Israel zu liefern.
Die Hafenarbeiter kämpfen nicht nur gegen ihre Konzernleitungen, sondern gegen ein ganzes Gesellschaftssystem – den Kapitalismus, der auf Ausbeutung und Ungleichheit beruht. Der herrschenden Klasse müssen die Arbeiter ihr eigenes politisches Programm entgegensetzen – den Kampf für Sozialismus, also die Machteroberung der Arbeiterklasse, die Abschaffung des Profitsystems und die Ausrichtung der Gesellschaft auf die Bedürfnisse der Menschen.