Der folgende Vortrag wurde von Eric London, einem führenden Mitglied der Socialist Equality Party (US), bei der Internationalen Sommerschulung der SEP (US) gehalten, die vom 30. Juli bis 4. August 2023 stattfand.
Der Eröffnungsbericht von David North, dem Vorsitzenden der internationalen Redaktion der WSWS und nationalen Vorsitzenden der SEP, „Leo Trotzki und der Kampf für den Sozialismus in der Epoche des imperialistischen Kriegs und der sozialistischen Revolution“, wurde am 7. August veröffentlicht.
Der zweite Vortrag, „Die historischen und politischen Grundlagen der Vierten Internationale“, wurde am 14. August veröffentlicht.
Der dritte Vortrag, „Der Ursprung des pablistischen Revisionismus, die Spaltung in der Vierten Internationale und die Gründung des Internationalen Komitees“, wurde am 18. August veröffentlicht.
Der vierte Vortrag, „Die kubanische Revolution und die Opposition der SLL gegen die prinzipienlose Wiedervereinigung von 1963 mit den Pablisten“, wurde am 25. August veröffentlicht.
Der fünfte Vortrag, „Der ‚große Verrat‘ in Ceylon, die Gründung des Amerikanischen Komitees für die Vierte Internationale und die Gründung der Workers League“, wurde am 30. August veröffentlicht.
Der sechste Vortrag, „Der anhaltende Kampf gegen den Pablismus, der Zentrismus der OCI und die Anzeichen einer Krise im IKVI“, wurde am 6. September veröffentlicht.
Der siebte Vortrag, „Das Internationale Komitee analysiert die globale Wirtschaftskrise und entlarvt Mandels ‚Neokapitalismus‘: 1967-1971“, wurde am 8. September veröffentlicht.
Der achte Vortrag, „Wohlforths Renegatentum, die Erneuerung des Kampfes gegen den Pablismus in der Workers League und die Hinwendung zur Arbeiterklasse“, wurde am 13. September veröffentlicht.
Die WSWS wird in den kommenden Wochen alle Vorträge veröffentlichen.
Der Fünfte Kongress des Internationalen Komitees, Frühjahr 1974
Im Frühjahr 1974 reiste Tim Wohlforth, damals nationaler Sekretär der Workers League, nach England zum Fünften Weltkongress des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), an dem Delegierte der internationalen Sektionen und sympathisierende Gruppen teilnahmen. Einige der Konferenzteilnehmer lebten unter Militärdiktaturen, darunter auch Francos Spanien, wo revolutionäre Aktivitäten mit dem Tod bestraft werden konnten.
Wohlforth hatte vor kurzem eine Beziehung mit einem jungen Mitglied der Workers League, Nancy Fields, begonnen, die er trotz ihrer mangelnden politischen Erfahrung und ihres mangelnden Interesses am Marxismus zum Kongress mitnehmen wollte. Obwohl er es zunächst leugnete, gab Wohlforth bald zu, dass er zu diesem Zeitpunkt wusste, dass Nancy Fields enge familiäre Verbindungen zu führenden Mitgliedern der Central Intelligence Agency hatte. Er informierte die Genossen des IK nicht über ihre Verbindungen im Vorfeld des Kongresses in London und bemühte sich auch nicht um eine Sicherheitsfreigabe für ihre Teilnahme.
Das Treffen fand unter Bedingungen einer außergewöhnlichen politischen Krise statt, die ernste Auswirkungen auf die Sicherheit der Partei und aller Anwesenden hatte. Im Februar 1974 hatten die Bergarbeiter gestreikt, und die Tory-Regierung von Edward Heath rief noch im selben Monat unter dem Slogan „Wer regiert Großbritannien?“ und auf der Grundlage eines direkten Aufrufs zur Zerschlagung der Arbeiterklasse zu allgemeinen Wahlen auf.
Harold Wilson und die Labour-Partei gewannen die Wahl, und die britischen Geheimdienste begannen rasch mit den Vorbereitungen für die so genannte Operation „Clockwork Orange“, um einen möglichen Staatsstreich vorzubereiten. Sie befürchteten, dass Wilson nicht in der Lage sein würde, das Wachstum des Klassenkampfes einzudämmen. Truppen wurden mobilisiert, um den Flughafen Heathrow zu besetzen, und es wurde eine Desinformationskampagne entfacht, in der behauptet wurde, Wilson sei ein sowjetischer Spion.[1]
Die Workers Revolutionary Party (WRP) stand zu der Zeit, als Fields mit Wohlforth zur Konferenz in London anreiste, unter strenger Beobachtung. Aus zeitgenössischen Berichten des MI5 und der Metropolitan Police, die im Rahmen der British Undercover Policing Inquiry veröffentlicht wurden, geht hervor, dass die Parteibüros abgehört wurden und überall in der Partei Polizeibeamte eingesetzt wurden, um über die Aktivitäten der WRP zu berichten.
Aus kürzlich freigegebenen Dokumenten geht hervor, dass die WRP in den Berichten der so genannten Special Demonstration Squad der National Public Order Intelligence Unit in den Jahren 1973, 1974 und 1975 erwähnt wurde und dass mehrere Polizeibeamte in dieser Zeit detaillierte Informationen über Parteimitglieder, ihr Privatleben, interne Streitigkeiten, Pläne für Kampagnen und Initiativen sowie andere Parteiangelegenheiten lieferten. Aus anderen Quellen, die offensichtlich in Führungspositionen der WRP saßen, erfuhr die Polizei vom Inhalt der Sitzungen der politischen Ausschüsse.[2]
Polizeiberichte über einfache Parteimitglieder trugen Titel wie „Bericht über die bevorstehende Hochzeit des Sekretärs des Little Ilford-Ortsverbands der Workers Revolutionary Party“, „Bericht über die Sitzung der Highbury-Sektion des Hackney-Ortsverbands der Workers Revolutionary Party“, „Bericht über Details der Schwangerschaft der nationalen Versammlungsleiterin der Jugendbewegung der Workers Revolutionary Party“ usw.
Unter diesen Bedingungen reisten Wohlforth und Fields nach Großbritannien und nahmen gemeinsam an der IK-Konferenz teil, ohne jemanden über ihre Verbindungen zur CIA zu informieren.
Das ganze Jahr 1974 hindurch spielte Fields mit Wohlforths Unterstützung eine destruktive Rolle in der Workers League. Fields, eine zutiefst subjektive Person, die sich selbst als Organisationsgenie darstellte, wurde durch ihre persönliche Beziehung zum nationalen Sekretär schnell zur politischen Führungsperson befördert. Sie und Wohlforth reisten in einem von Parteigeldern bezahlten Sportwagen durch das Land, bellten Parteimitglieder im Befehlston an und vertrieben sie. Ein Mitglied der Workers League sagte über ihre Haltung gegenüber dem Kader, dass „sie uns wie Hunde behandelte“.
Die Partei befand sich in einer schweren Krise. Wohlforth gab gegenüber Healy zu, dass von 1973 bis Mitte 1974 100 Personen die Bewegung verließen, darunter die Hälfte des Nationalkomitees und des Politischen Komitees.
Am 19. Juli 1974 schrieb er an Healy: „Wir ähneln heute natürlich stark einer skelettartigen Bewegung, wobei in vielen Gebieten sehr, sehr wenige Leute sehr gute Arbeit leisten. Was Intellektuelle angeht, so sind wir praktisch am Ende – eine einzige, schweinische Desertion. Was in diesem Bereich geschieht, bleibt an mir und Nancy hängen.“
Das Sommerlager der Workers League, 30. und 31. August 1974
Die Krise in der Workers League spitzte sich zu und brach im August auf dem Sommerlager der Workers League aus. Zwei Wochen vor dem Camp wurde Wohlforth nach England gerufen, um die Krise der Workers League zu diskutieren. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Berichte über Fields’ extrem subjektive und feindselige Haltung die Führung des IK erreicht.
Auf einer Sitzung des Parteivorstands der WRP am 18. August 1974 konfrontierte Healy Wohlforth mit Fields’ rasantem Aufstieg und fragte, ob Wohlforth Grund zu der Annahme habe, dass sie mit der Central Intelligence Agency in Verbindung stehe. Healy äußerte sich besonders besorgt über ihre Teilnahme am Fünften Kongress des IK in jenem Frühjahr. In Anbetracht ihrer zerstörerischen Aktivitäten in den USA schien Fields’ Teilnahme politisch unerklärlich zu sein. Es war die Zeit von COINTELPRO, und es war allgemein bekannt, dass das FBI und andere inländische Überwachungsbehörden linke Gruppen und Antikriegsgruppen mit Agenten überschwemmten, deren Aufgabe es war, bei ihren Zielorganisationen Schaden anzurichten.
Wohlforth antwortete, er habe keinen Grund zu der Annahme, dass sie Verbindungen zur CIA habe.
Doch innerhalb von zwei Wochen würden dem IK Informationen zur Verfügung stehen, aus denen hervorging, dass sie solche Verbindungen hatte. Sie war seit ihrer Kindheit von ihrem Onkel Albert Morris, einem hochrangigen Mitarbeiter des US-Geheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA), aufgezogen und finanziell unterstützt worden, der die IBM-Computerabteilung der Behörde leitete und ein enger persönlicher Freund des CIA-Direktors Richard Helms war, der wiederum in Fields’ Jugend häufig bei Morris zu Gast war.[3]
Helms war zu dieser Zeit persönlich an einer massiven Überwachungsaktion gegen mehr als 10.000 Sozialisten, Linke und Kriegsgegner beteiligt. In einem Bericht von Seymour Hersh in der New York Times vom Dezember 1974 heißt es:
Im Rahmen ihrer angeblichen Kampagne gegen amerikanische Dissidenten in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren ermächtigte die CIA Agenten, Teilnehmer an Antikriegs- und anderen Demonstrationen zu verfolgen und zu fotografieren. Die CIA baute auch ein Netz von Informanten auf, die den Auftrag hatten, Antikriegsgruppen zu infiltrieren.[4]
Für Ende August war ein Sommercamp der Workers League in Kanada geplant, und es stellte sich bald heraus, dass Wohlforth praktisch nichts zu dessen Vorbereitung getan hatte. Cliff Slaughter, der von Beginn an am Camp teilnahm, ersuchte Healy herzufliegen, um auf die Krise zu reagieren. Die Workers League stand am Rande des Zusammenbruchs. Als Wohlforth im Lager mit Fragen nach Fields konfrontiert wurde, gab er zu, von ihren familiären Verbindungen zur CIA gewusst zu haben, sagte aber, dass er sie für „unwichtig“ gehalten habe.
Der Zusammenhang zwischen diesem Versäumnis und der Krise, die sich in der Partei anbahnte, wurde immer deutlicher. Am 31. August 1974 stimmte das Zentralkomitee der Workers League dafür, Wohlforth als nationalen Sekretär abzusetzen und Fields’ Mitgliedschaft auszusetzen, bis eine Kontrollkommission ihre familiären Beziehungen untersucht hätte. Die Abstimmung erfolgte einstimmig, sowohl Wohlforth als auch Fields stimmten dafür. Die Workers League setzte eine zweiköpfige Kontrollkommission ein, um die Vorwürfe zu untersuchen, und die Kommission plante, sowohl Wohlforth als auch Fields im Rahmen der Untersuchung zu befragen.
Beide weigerten sich daraufhin, in irgendeiner Weise an der Kontrollkommission teilzunehmen, lehnten Interviewanfragen ab und gaben keine schriftlichen Erklärungen zu Fields’ Verbindungen zur CIA ab. Einen Monat später, Ende September, verließ Wohlforth die Bewegung. In seinem Rücktrittsschreiben vom 29. September 1974 erklärte er plötzlich:
Ich lehne die Verfahren und Beschlüsse der Sitzung des Zentralkomitees, die am 31. August in unserem Lager auf Antrag und in Verbindung mit den Genossen des Internationalen Komitees stattfand, vollständig und entschieden ab. Ich bin der Meinung, dass diese Sitzung einen schweren Rückschlag für den Aufbau der revolutionären Partei in den Vereinigten Staaten und für den Aufbau der revolutionären Partei weltweit darstellt.
Wohlforth fuhr fort:
Ich wurde als Nationaler Sekretär unter Bedingungen einer völlig hysterischen Sitzung abgesetzt, auf der Grundlage von Anschuldigungen völlig verleumderischer Natur, mitten in der Nacht in einem Lager, so dass es keine, absolut keine vorherige Diskussion der Fragen im Politischen Komitee, im Zentralkomitee und in der gesamten Partei gegeben hatte.[5]
Wohlforth räumte natürlich nicht ein, dass es vor dem Lager nur deshalb keine Diskussion über Fields gegeben hatte, weil er selbst ihre Verbindungen zur CIA so lange vertuscht hatte. Er nannte die Bedenken über ihre CIA-Verbindungen „unbegründet, lächerlich und absurd“ und sagte: „Das Vorgehen in dieser Angelegenheit ist ungeheuerlich. Der Ruf einer Genossin wird durch eine solche Anschuldigung auf jeden Fall irreparabel geschädigt...“[6]
Wohlforth erklärte, dass jede Untersuchung von Fields einer „Inquisition“ und „Hexenjagd“ gleichkäme, und sagte dann: „Ich würde vorschlagen, Agenten in der Workers League unter jenen zu suchen, die Skandale gegen die Führer der League verbreiten, und nicht unter jenen, die Opfer der Verleumdung sind. So war es auch in den Tagen der Vierten Internationale unter Trotzki.“[7] Diese Behauptung war, wie wir nachweisen werden, zu 100 Prozent falsch.
Die Antwort des IK und die Ergebnisse der Kontrollkommission
Cliff Slaughter, der im Namen des Internationalen Komitees schrieb, antwortete Wohlforth in einem Brief vom 6. Oktober 1974. Die Gründe für Wohlforths Rücktritt, schrieb Slaughter, seien „in unserer Bewegung völlig inakzeptabel und stellen das Vorgehen des Zentralkomitees der Workers League am 30. und 31. August völlig falsch dar.“[8]
Slaughter erklärte: „Du wurdest durch einstimmigen Beschluss deines eigenen Zentralkomitees als Sekretär abgesetzt... Der Grund für diese Entscheidung war dein eigenes Verhalten auf der IK-Konferenz im April [sic] 1974. Du hast zugelassen, dass diese Konferenz, bei der Genossen aus Ländern anwesend waren, in denen sie illegal arbeiten, ihre Arbeit in Anwesenheit von Nancy Fields abschloss, die Mitglied deiner Delegation war und von der du wusstest, dass sie sehr enge familiäre Verbindungen zur CIA hatte. Weder du noch sie habt diese Frage vor das Zentralkomitee gebracht, damit sie untersucht und geklärt werden kann.“[9]
Slaughter forderte Wohlforth auf, seine Behauptung zurückzuziehen, der Untersuchungsausschuss sei eine „Inquisition“ gewesen, die Beweise gegen Fields „ausgraben“ sollte. Er stellte Wohlforth für dessen Vorwurf zur Rede, das Zentralkomitee der Workers League habe die Suspendierung von Nancy Fields „nur aufgrund der Intervention des IK“ beschlossen.
Er schrieb:
Als Genosse, der gegen den Anti-Internationalismus von Cannon und Hansen, sowie später Robertson, kämpfen musste, musst du sicherlich scharf die Luft anhalten, wenn du diese Worte erneut liest... Mit einem solchen Aufruf verleugnest du deine eigenen vergangenen Kämpfe und appellierst an die schlimmsten Elemente rund um die Bewegung und insbesondere an die feindlichen Gruppen, die darauf warten, sie anzugreifen und zu zerstören. Jeder verkommene kleinbürgerliche Revisionist konzentriert seinen Angriff auf den angeblichen Autoritarismus des IK und verteidigt seine nationale Unabhängigkeit.[10]
Zu dieser späten Stunde, Genosse Wohlforth, rufen wir dich auf, deine Position zu überdenken und sofort zu ändern. Es ist noch nicht zu spät. Du bist aufgerufen, sofort wieder die führende Verantwortung für die Workers League und das IK zu übernehmen und an der Arbeit der Kontrollkommission mitzuwirken... Nur auf diese Weise kannst du dich darauf vorbereiten, deine Positionen in der Führung wieder einzunehmen.[11]
Am 9. November veröffentlichte die Kontrollkommission ihre Ergebnisse. Der Bericht stellte fest, dass Wohlforth und Fields „sich weigerten, mit der Untersuchung zusammenzuarbeiten und ihre persönlichen Erwägungen über die Entscheidungen der Partei stellten, eine Position, die unzulässig ist“.
Die Kommission kam zu dem Schluss, dass Tim Wohlforth „Informationen zurückgehalten hat, die für die Sicherheit des IK und seiner Konferenz von 1974 entscheidend waren“. Sie erläuterte, die Aussagen von 22 Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern aufgenommen zu haben und schlussfolgerte:
Die Untersuchung ergab, dass NF seit dem Alter von zwölf Jahren bis zu ihrem Universitätsabschluss von ihrem Onkel und ihrer Tante, Albert und Gigs Morris, erzogen und finanziell unterhalten wurde. Albert Morris ist Chef der IBM-Computerabteilung der CIA in Washington und Großaktionär von IBM. Er war Mitglied der OSS, des Vorläufers der CIA, und arbeitete in Polen als Agent des Imperialismus. Während der sechziger Jahre war Richard Helms, der Ex-Direktor der CIA und heutige US-Botschafter in Iran, häufig zu Gast in ihrem Haus in Maine.[12]
In Bezug auf Nancy Fields erklärte die Kommission:
Wir stellten fest, dass NF in der Partei ein äußerst unbeständiger Mensch war, der nie mit den opportunistischen Methoden des Mittelklasse-Radikalismus gebrochen hatte. Im Umgang mit politischen Problemen griff sie zu administrativen und völlig subjektiven Methoden. Diese Methoden waren besonders im entscheidendsten Bereich, dem Aufbau der Führung, außerordentlich destruktiv. TW [Tim Wohlforth] war sich dieser Unbeständigkeit völlig bewusst und trägt die Verantwortung dafür, NF in die Führung gebracht zu haben. Er fand sich schließlich in einer isolierten Position wieder und verbarg dem IK letztendlich NFs frühere Verbindungen zur CIA. Dafür trägt eindeutig er die politische Verantwortung.[13]
Die Kommission hielt daraufhin fest:
Nach Befragungen und Sichtung alles zugänglichen Materials ergeben sich keine Hinweise für die Vermutung, dass TW oder NF in irgendeiner Weise mit der Arbeit der CIA oder irgendeiner anderen Regierungsagentur in Verbindung stehen. Die Untersuchung berücksichtigte TWs langjährigen Kampf für die Partei und das IK, den er oft unter sehr schwierigen Bedingungen geführt hat, und drängte ihn, seine individualistischen und pragmatischen Fehler zu korrigieren und zur Partei zurückzukehren.
Wir empfehlen, dass TW, sobald er seinen Austritt aus der Workers League zurücknimmt, in die führenden Gremien und zu seiner Arbeit am »Bulletin« zurückkehrt und das Recht hat, auf der kommenden Nationalen Konferenz Anfang 1975 für jede Position, auch die des nationalen Sekretärs, vorgeschlagen zu werden.
Wir empfehlen, sofort die Suspendierung von NF unter der Bedingung aufzuheben, dass sie für zwei Jahre keinerlei Funktion in der Workers League übernehmen darf.[14]
Die Kommission schloss:
Die Untersuchung möchte die Aufmerksamkeit aller Sektionen dringend auf die Notwendigkeit lenken, in Fragen der Sicherheit ständig wachsam zu sein. Aufgrund der beispiellosen Klassenkämpfe, die aus der kapitalistischen Weltkrise heraus aufbrechen müssen, hat unsere Bewegung in jedem Land große Möglichkeiten zu wachsen. Diese Situation bedeutet auch, dass sich die konterrevolutionären Aktivitäten der CIA und aller anderen imperialistischen Agenturen gegen uns verstärken werden. Es ist eine grundlegende revolutionäre Pflicht, im Rahmen der Hinwendung zu den Massen zum Aufbau revolutionärer Parteien diesen Sicherheitsfragen ständig sorgfältige Aufmerksamkeit zu widmen.[15]
Bevor wir uns mit der Reaktion der revisionistischen und pablistischen Organisationen befassen, ist es zunächst notwendig, einige Bemerkungen zur Kontrollkommission selbst zu machen. Trotz aller Angriffe auf die Workers League und das IK wegen vermeintlicher „Hysterie“ hat die Kontrollkommission ihre Arbeit verantwortungsvoll und ohne jegliche Panik durchgeführt. Im Gegensatz zu den Kontrollkommissionen, die von der SWP in den Jahren nach Trotzkis Ermordung eingesetzt wurden, sagte sie den Mitgliedern die Wahrheit. Sie bot sowohl Wohlforth als auch Fields die Möglichkeit, sich an der Untersuchung zu beteiligen und nach deren Abschluss wieder in die Bewegung einzutreten. Sie schloss keinen der beiden von der Übernahme von Führungspositionen aus und deutete sogar an, dass Wohlforth in naher Zukunft erneut für das Amt des nationalen Sekretärs kandidieren könnte. Fields wurde für zwei Jahre von der Übernahme einer Führungsposition ausgeschlossen, erhielt aber ebenfalls alle Möglichkeiten zur Fortsetzung der Arbeit. Die Workers League schloss sie nicht aus der Mitgliedschaft aus, sie schlossen sich selbst aus.
Den revisionistischen Gruppen war das alles gleichgültig, sie nutzten Wohlforths und Fields’ Angriff auf das IK und die Workers League, um eine Kampagne zu beginnen, die darauf abzielte, die Partei zu diskreditieren und zu zerstören. Innerhalb weniger Monate gab der nationale Sekretär der Workers League, der 1964 an der Gründung des Amerikanischen Komitees für die Vierte Internationale beteiligt war, bekannt, dass er sich nahezu über Nacht wieder der pablistischen Bewegung angeschlossen habe.
Die Tiefe des Subjektivismus, den er und Fields in diesem Kampf an den Tag legten, ist eine bittere Lektion für die Bewegung. Politischer Subjektivismus, der darauf beruht, dass persönliche Interessen über die der Arbeiterklasse gestellt werden, ist mit revolutionärer sozialistischer Politik völlig unvereinbar. Wir tolerieren einen solchen Ansatz nicht. Wir sind keine Partei für Karrieristen und Selbstdarsteller, die persönliche Beziehungen nutzen, um Cliquen zu pflegen, die Trotzki als „Zirkelmentalität (du für mich und ich für dich)“ bezeichnete. In The Struggle for a Proletarian Party („Der Kampf für eine proletarische Partei“), geschrieben über die Spaltung mit Shachtman, Abern und Burnham 1939-40, schrieb James Cannon:
Der kleinbürgerliche Intellektuelle, der die Arbeiterbewegung lehren und leiten will, ohne an ihr teilzunehmen, fühlt sich nur lose mit ihr verbunden und ist immer voller „Beschwerden“ gegen sie. Sobald man ihm auf die Füße tritt oder ihn zurückweist, vergisst er die Interessen der Bewegung und denkt nur noch daran, dass seine Gefühle verletzt worden sind; die Revolution mag wichtig sein, aber die verletzte Eitelkeit eines kleinbürgerlichen Intellektuellen ist wichtiger.[16]
Die Socialist Workers Party reagiert auf Wohlforths Austritt aus der Workers League
Im Februar und März 1975 lobte Joseph Hansen Wohlforth für seinen Entschluss, aus der Workers League auszutreten, und die Wochenzeitschrift der SWP, Intercontinental Press, veröffentlichte Wohlforths Denunziationen der Bewegung.
Am 22. März 1975 antwortete die Workers League auf Wohlforths Angriffe auf die Partei und schrieb:
Die CIA ist für unsere Bewegung keine nebensächliche Frage, sondern eine Frage der unabdingbaren Aufgaben, die sich aus den Prinzipien des Aufbaus revolutionärer Parteien des Internationalen Komitees der Vierten Internationale ergeben. Nur jemand, der den Aufbau der Weltpartei der sozialistischen Revolution überhaupt nicht ernst nimmt, kann die Frage der Sicherheit gegenüber der CIA, dem internationalen Zentrum der konterrevolutionären Pläne der Imperialisten, abtun.[17]
Am 31. März 1975 veröffentlichte Joseph Hansen seine berüchtigte Denunziation des IK und seine Verteidigung von Wohlforth – dem Mann, der 14 Jahre lang sein politischer Gegner gewesen war und den er über ein Jahrzehnt zuvor aus der SWP hatte ausschließen helfen. Hansen schrieb, Wohlforths „ Aufrichtigkeit ist unbestreitbar, und für sein nächstes Projekt kann man ihm nur Glück wünschen.“ Gerry Healy angreifend, schrieb Hansen:
Wohlforth beschreibt Healys Darbietung als „Wahnsinn“. Wäre es nicht besser und vielleicht auch präziser, einen modernen Begriff wie „Paranoia“ zu verwenden?
Wenn der Begriff zutrifft, dann ist die wahre Erklärung für Healys Besessenheit von CIA-Agenten, Polizeiagenten und Komplotten gegen sein Leben sowie für seine Wutausbrüche, „extremen Reaktionen“ und seine seltsame Version der Dialektik nicht in seiner Politik, seiner philosophischen Methodik oder Vorbildern wie Pablo oder Cannon zu suchen, sondern in der Funktionsweise eines Geistes, der am besten von Psychiatern verstanden wird.[18]
Diese Erklärung und der koordinierte Angriff auf das IK, der sich damals abspielte, hatten eine tiefe Bedeutung, die das Internationale Komitee sofort erkannte. Joseph Hansen war Trotzkis Wächter in Coyoacan gewesen. Er war beim Mord am 20. August 1940 zugegen, der als Ergebnis der Infiltration von Trotzkis Lager und der SWP in den Vereinigten Staaten durch Stalins GPU verübt wurde. Im Jahr 1975 war öffentlich bekannt, dass Mark Zborowski, Lew Sedows rechte Hand in Paris, die Bewegung infiltriert hatte und eine entscheidende Rolle bei den Morden an Trotzki und Sedow, sowie dem GPU-Überläufer Ignatz Reiss, Erwin Wolf und Rudolph Klement, Sekretär der Vierten Internationale, spielte. Kein Revolutionär, der diese Zeit katastrophaler Zusammenbrüche der Sicherheit erlebt hatte, würde Sicherheitsbedenken als „Paranoia“ bezeichnen. Das IK erkannte in Hansens Worten und Handlungen einen bewussten Versuch, die revolutionäre Bewegung zu desorientieren und ein Klima gewalttätiger Feindschaft gegenüber dem Internationalen Komitee zu schaffen.
Das Internationale Komitee antwortet auf Hansen, April 1975
Das IK antwortete Hansen in einer im April 1975 veröffentlichten Erklärung.
Die Erklärung spricht den Wesenskern an, der eine revolutionäre Partei ausmacht:
Sicherheit ist keine abstrakte oder zweitrangige Frage. Eine Partei, die sich nicht auf revolutionäre Disziplin in ihren eigenen Reihen gründet, kann nicht über die Unterstützung der Arbeiterklasse verfügen, wenn es darum geht, die kapitalistische Staatsmaschinerie zu bekämpfen, sie zu stürzen und die Diktatur des Proletariats zu errichten.
Die Erklärung des IK fuhr fort festzustellen, Hansens Angriff auf die Workers League und das IK „gibt uns Gelegenheit, entscheidende Seiten in der Geschichte des Trotzkismus wieder aufzuschlagen“.
Sie stellte fest: „Wir sind verpflichtet, diese Geschichte mit all ihren Schattenseiten darzulegen, denn unsere Bewegung hat in der Vergangenheit furchtbar bezahlen müssen, als sie Sicherheitstraining in ihren eigenen Reihen vernachlässigte und lächerlich machte. Dies sind die Seiten, die Hansen unterschlagen will.“
Das Internationale Komitee „wird sich von dem Geschrei und Gekreische der Revisionisten nicht einschüchtern lassen“, heißt es in der Erklärung.
Sie können uns „Sektierer“ und „Paranoiker“ nennen, bis sie schwarz werden. In Wirklichkeit greifen sie mit diesen Bezeichnungen den Kampf des IK für Prinzipien und seine Aufmerksamkeit gegenüber Disziplin und Wachsamkeit in unseren Reihen an. Was wir aufbauen, ist keine Schwindelfirma für kleinbürgerliche Freibeuter und Abenteurer, wie Hansens internationale Gruppierungen. Dieser Weg ist eine offene Einladung an die CIA und an Polizeiinfiltration, denn gerade unter solchen Elementen arbeiten Polizeiagenturen wie ein Fisch im Wasser. Hansen will die Sicherheitsfrage verbergen. Wir wollen sie aufwerten, um unsere Bewegung auszubilden und aufzubauen. Deswegen halten wir es für notwendig, die Seiten der Geschichte des Trotzkismus wieder zu öffnen, um zu erklären, weshalb wir gegen Wohlforth vorgingen, und weshalb wir in der Zukunft ähnliche Maßnahmen ergreifen werden, wenn es notwendig ist.[19]
Um die Seiten der Geschichte wieder zu öffnen, war es zuallererst notwendig, sich mit den Ereignissen auseinanderzusetzen, die zu Trotzkis Tod führten.
Der Mord an Leo Trotzki
Das Attentat auf Leo Trotzki war das folgenreichste politische Attentat des 20. Jahrhunderts. Es war der kriminelle Höhepunkt der GPU-Verschwörung, die sich über viele Jahre und viele Kontinente erstreckte und an der zahllose Agenten und nahezu unbegrenzte Ressourcen beteiligt waren. Es war der höchste Ausdruck des konterrevolutionären Charakters der stalinistischen Reaktion.
Es war das Ergebnis des Großen Terrors, des präventiven Bürgerkriegs, mit dem Stalin und die bürokratische Kaste Generationen von Sozialisten und führende Persönlichkeiten des intellektuellen, wissenschaftlichen und kulturellen Lebens liquidierten. Hunderttausende Regimegegner und Sympathisanten der Linken Opposition und der Vierten Internationale wurden ermordet.
Der größte Teil der Führung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, darunter fast alle alten Bolschewiki, wurde umgebracht. Neunzig Prozent der Führung der Roten Armee wurden ermordet. In ganz Spanien wurden Revolutionäre inhaftiert und in Kerkern gefoltert, wo die Stalinisten die Revolution erstickten und den Weg für Franco ebneten. Eine ganze Abteilung der Lubjanka, des Hauptquartiers der GPU, wurde eingerichtet, um Trotzkis Ermordung zu planen. Die kulturellen und politischen Auswirkungen des Großen Terrors sind noch heute spürbar.
1975 waren nur 35 Jahre seit Trotzkis Ermordung vergangen. Zu dieser Zeit war nur wenig darüber bekannt, wie die GPU Trotzki ermordet hatte, obwohl die SWP weniger als zwei Monate nach dem Attentat die Broschüre The Assassination of Leon Trotsky: The Proofs of Stalin’s Guilt („Die Ermordung Leo Trotzkis: Die Beweise für Stalins Schuld“) des trotzkistischen Anwalts Albert Goldman veröffentlichte.
Bei seiner Verhaftung benutzte der Attentäter den Namen Frank Jacson. Sein wahrer Name, Ramón Mercader, wurde schließlich 1950 dank der Arbeit des mexikanischen Kriminologen Alfonzo Quiroz Cuarón bekannt, der später von David North im Rahmen der Ermittlungen befragt wurde, die das IK einleitete.
Dass nach der Veröffentlichung von Goldmans Broschüre nur wenig unternommen wurde, um die Fakten rund um Trotzkis Ermordung aufzudecken, lag vor allem an der Rolle, die die Socialist Workers Party in den USA spielte – die Partei, die für Trotzkis Sicherheit in Mexiko garantieren sollte. Infolgedessen setzten Figuren wie Mark Zborowski und Sylvia Callen ihre Arbeit innerhalb der Bewegung über viele Jahre hinweg fort und gaben alle Informationen an die GPU weiter, die auf dem Schreibtisch von James P. Cannon landeten. Sylvia Callen und später Sylvia Ageloff zogen sich aus der Politik zurück und lebten ein langes und komfortables Leben.
Der Sechste Kongress des IK leitet die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale ein, das IK schlägt eine paritätische Kommission mit dem Vereinigtem Sekretariat vor, Mai 1975
Auf dem Sechsten Kongress des Internationalen Komitees, der Ende Mai 1975 stattfand, leitete das IK die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale ein. Am 29. Mai, unmittelbar nach der Sitzung des Kongresses, schrieb Cliff Slaughter an Hansen und schlug dem pablistischen Vereinigten Sekretariat, dem die SWP angeschlossen war, die Einrichtung einer paritätischen Kontrollkommission vor, die die staatliche Durchdringung der Arbeiterbewegung untersuchen sollte. Der Vorschlag wurde nicht unter dem Gesichtspunkt gemacht, die politischen Differenzen zwischen den Pablisten und dem IK zu überspielen, und er war kein Schritt in Richtung Wiedervereinigung. Vielmehr war es ein Versuch, eine gemeinsame Basis für die Untersuchung von Fragen der Parteigeschichte und der Parteisicherheit zu finden, Themen, die jeder Sozialist als notwendige Untersuchungsgegenstände erkannt hätte, insbesondere angesichts der jüngsten Enthüllungen über staatliche Überwachung.
Dieses Angebot wurde von Hansen in einem Brief vom 5. Juni 1975 – der den für seine Arbeit kennzeichnenden Zynismus verdeutlichte – sofort abgelehnt. Hansen machte sich über die Unterschrift lustig, die Slaughter auf seinem Brief angebracht hatte, in dem er die Paritätskommission vorschlug, und witzelte, sie weise darauf hin, dass Slaughter selbst ein Agent sei.
Hansen schrieb: „Ich bin sicher, dass Dein Zentralkomitee in Anbetracht seines Fachwissens in solchen Angelegenheiten die Notwendigkeit anerkennen wird, auf scheinbar unbedeutende Hinweise wie diese zu achten. Sie können zur Identifikation eines Agenten führen, der von der Polizei oder der CIA in die Organisation eingeschleust wurde... Vielleicht wird Euch dies helfen, den Polizeiagenten ausfindig zu machen, wenn es von einem solchen geschrieben wurde.“[20]
Es ist bemerkenswert, dass Wohlforth seine Erklärung vom 29. September 1974 mit einer ähnlichen Schlussfolgerung beendete.
Die ersten Ergebnisse von Sicherheit und die Vierte Internationale, August-September 1975
Das IK veröffentlichte die ersten Ergebnisse von Sicherheit und die Vierte Internationale im August und September 1975 in einer Serie von 19 Artikeln in der Workers Press, der Publikation der WRP.
Die Ergebnisse dokumentierten, wie die SWP systematisch die Rolle von GPU-Agenten in ihrer Mitte vertuscht hatte. Dazu gehörte auch die Veröffentlichung von Dokumenten aus den Nationalarchiven, aus denen hervorging, dass Joseph Hansen schon Tage nach Trotzkis Tod Verbindung zum US-Außenministerium und zum FBI aufgenommen hatte.
Wir können hier nur kurz alle Dokumente zusammenfassen, die von Sicherheit und die Vierte Internationale im Zusammenhang mit Hansens Treffen mit der US-Regierung veröffentlicht wurden. Diese Treffen wurden in den höchsten Ebenen des Staates sorgfältig verfolgt, auch von FBI-Direktor J. Edgar Hoover. Zu Hansens Kontaktpersonen gehörten führende Männer wie George P. Shaw, Robert McGregor und B.E. Sackett.
Bei seinem ersten Treffen versorgte Hansen die Regierung mit Informationen über Trotzkis Ermordung. Zu diesem Zeitpunkt teilte Hansen der US-Regierung mit, dass er sich 1938 mit Agenten der stalinistischen Geheimpolizei getroffen hatte. In McGregors Bericht über das Treffen vom 31. August 1940 heißt es, dass Hansen sagte, „er selbst sei von einem Agenten der GPU angesprochen und aufgefordert worden, die Vierte Internationale zu verlassen und der Dritten beizutreten“. Der Bericht besagt, dass Hansen sich drei Monate lang mit einem GPU-Führungsoffizier namens „John“ alias Dr. Gregory Rabinowitz traf, dem Führer des GPU-Spionagerings in New York.[21]
Hansen versorgte die US-Regierung mit Kopien der unveröffentlichten Schriften Trotzkis, einer Kopie des „W“-Memorandums – einer Liste mit Namen von GPU-Agenten, die die SWP von Whittaker Chambers, einem ehemaligen Mitglied der Kommunistischen Partei erhalten hatte – und mit Informationen über die interne Untersuchung der SWP zu Trotzkis Ermordung.
Die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale sollte auch enthüllen, dass der amerikanische Konsul in Mexiko George P. Shaw am 25. September 1940 an den Spitzenbeamten des Außenministeriums Raymond E. Murphy schrieb, dass Joseph Hansen „mit jemandem in Kontakt gebracht werden möchte“, um „vertrauliche Informationen... ungestraft“ weiterzugeben. FBI-Direktor J. Edgar Hoover reagierte positiv und ermutigte seine Leute, Hansen zu kontaktieren, indem er am 1. Oktober schrieb: „Sollte Hansen im New Yorker Büro anrufen, sollte man ihn taktvoll behandeln und alle Informationen, die er liefern kann, sowie seine Unterstützung bei dieser Untersuchung einholen.“[22]
Nichts davon war irgendeinem führenden Mitglied der SWP bekannt, wie die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale später ergeben sollte. Hansens Rechtfertigungen für seine Treffen mit dem FBI und der GPU erwiesen sich ebenfalls als falsch. Das Fehlen Hansens auf der Liste der 29 SWP-Führer, die 1941 von der Roosevelt-Regierung wegen Volksverhetzung verfolgt wurden, lässt sich nur durch die Beziehungen erklären, die er zum Staat aufgenommen hatte. Das IK hat inzwischen festgestellt, dass die Staatsanwälte ihren Fall auf die Nähe der SWP zu Trotzki in Mexiko stützten und alle Beweise vorlegten, die sie zu fassen bekamen und die Nähe der SWP zu Trotzki in Coyoacan belegen.
Hansen, der drei Jahre lang dort war, wäre für den Nachweis dieser Verbindung von entscheidender Bedeutung gewesen. Hoover war jedoch in erster Linie darüber besorgt, dass seine Agenten während des Prozesses enttarnt werden könnten. An einer Stelle des Prozesses erwähnte der Staatsanwalt Hansen nur beiläufig und nannte ihn „Joe“.
„Joseph Hansen: Komplize der GPU“
Das Internationale Komitee beschuldigte Hansen nicht, ein Agent zu sein, als es Sicherheit und die Vierte Internationale ins Leben rief. Das IK beschuldigte Hansen und die SWP stattdessen „der kriminellen Nachlässigkeit bezüglich der Sicherheitsimplikationen von Trotzkis Tod und der Aufgaben der revolutionären Sicherheit hinsichtlich der Verteidigung der Vierten Internationale“. Hansen und George Novack „haben die Umstände von Trotzkis Ermordung vertuscht“, schrieb das IK. „Sie haben über die stalinistischen Agenten, die in ihre eigenen Reihen eingedrungen sind, geschwiegen. Dies war kein Versehen. Es ist eine bewusste und absichtliche Politik.“[23]
Hansen war nicht nur für die Vertuschung seiner eigenen Verbindungen zur GPU und zum FBI verantwortlich, sondern auch für die Vertuschung anderer GPU-Agenten, die innerhalb der Vierten Internationale arbeiteten. Zu ihnen gehörten:
(1) Mark Zborowski, über dessen Meineidsprozess im Jahr 1958 die SWP im Militant nicht berichtet hatte.
(2) Sylvia Callen (alias Caldwell oder Franklin), die neun Jahre lang Cannons Sekretärin war und von der Louis Budenz zuerst 1947 und dann noch deutlicher 1950 berichtete, sie sei eine GPU-Agentin gewesen. Die SWP hatte im März 1947 aufgrund eines Hinweises von Max Shachtman und Albert Glotzer unwiderlegbare Beweise für ihre Rolle erhalten, vertuschte diese jedoch mittels einer trügerischen Kontrollkommission, die im Mai abgehalten wurde.
(3) Die Gebrüder Soblevicius, Jack Soble und Robert Soblen, die in den frühen 1930er Jahren unter den Namen Senin und Well als Agenten in der Linken Opposition in Deutschland tätig waren und später, nachdem sie in die USA eingewandert waren, die trotzkistische Bewegung in den Vereinigten Staaten ausspionierten. Sylvia Callen war 1960 auch als nicht angeklagte Mitverschwörerin genannt worden, als Robert Soblen wegen Atomspionage angeklagt wurde. Auch hier weigerten sich Hansen und die SWP, über Soblens Prozess zu berichten, der seine Rolle bei der Überwachung der trotzkistischen Bewegung bestätigte und 1961 mit seiner Verurteilung endete.
(4) Floyd Cleveland Miller, ein prominentes ehemaliges SWP-Mitglied, wurde ebenfalls als nicht angeklagter GPU-Mitverschwörer im Soblen-Fall aufgeführt und sagte aus, dass er der GPU Informationen über trotzkistische Handelsmarines auf Schiffen in die Sowjetunion geliefert habe.
(5) Thomas Black, ein stalinistischer Agent, der 1956 vor einem Senatsausschuss aussagte, enthüllte, dass es eine Reihe von GPU-Agenten gab, die in Trotzkis Haushalt in Mexiko tätig waren. Die SWP hat Blacks Aussage nie untersucht.
(6) Robert Sheldon Harte, der später in den Venona Papers als GPU-Agent entlarvt wurde, war der Wachmann, der dem von David Alfaro Siqueiros angeführten Attentäterteam am 24. Mai 1940 den Zutritt zu Trotzkis Anwesen ermöglichte. Er wurde von der GPU getötet, um ihn am Reden zu hindern.
(7) Obwohl es 1975 nicht so prominent aufgeworfen wurde, können wir zu dieser Liste nun Sylvia Ageloff hinzufügen. Ageloffs öffentliche Aussage von 1950 vor dem House Committee on Un-American Activities fand auch in der SWP-Presse keine Beachtung. In einem Artikel vom 15. Februar 1941 im Militant bezeichnete Hansen Ageloff als „bei Trotzkis Freunden seit Jahren als verlässlich und loyal bekannt“ und trug so dazu bei, den Mythos der „armen Sylvia“ zu begründen.
Während des Prozesses gegen Robert Soblen sagte der GPU-Spion Jack Soble aus, dass er zehn Agenten hatte, die innerhalb der trotzkistischen Bewegung unter seiner Kontrolle arbeiteten. Sechs von ihnen waren öffentlich genannt worden, die anderen vier jedoch nicht. Die SWP-Führung war nicht daran interessiert, herauszufinden, wer die anderen Agenten waren, nicht zuletzt deshalb, weil Hansen selbst einer von ihnen war.
Im August 1975 machte Genosse North Zborowski vor seinem Haus in San Francisco ausfindig, wo er nach seiner Professur an der anthropologischen Fakultät der UC Berkeley in bequemer Altersteilzeit lebte.
North fotografierte Zborowski mit seiner Frau Regina. Zborowski griff North an, während Regina drohte: „Du kannst mit diesen Bildern nichts anfangen, wenn du weißt, was gut für dich ist.“ Hansen nannte die Ermittlungen gegen Zborowski einen „trockenen Brunnen“.[24]
Hansen und Novack verteidigen GPU-Agenten
Hansens Reaktion auf die Forderung nach einer paritätischen Kommission warf jedoch nur weitere Fragen zu seiner Rolle auf. In der Ausgabe der Intercontinental Press vom 24. November 1975 wies Hansen die Forderung nach einer paritätischen Kommission zur Untersuchung der Sicherheit und der Umstände des Mordes an Trotzki erneut zurück. Er denunzierte Sicherheit und die Vierte Internationale als einen „Geysir aus Schlamm“ und verteidigte offen Sylvia Callen, Robert Sheldon Harte und Sylvia Ageloff.
Über Franklin-Caldwell-Callen schrieb er: „Sylvia Caldwell (das war ihr Parteiname) arbeitete sehr hart in ihrer recht schwierigen Aufgabe, das Büro der Socialist Workers Party zu leiten, was auch umfasste, Cannon in einer Sekretariatsfunktion zu assistieren. Alle Genossen, die diese oft lästige Arbeit mit ihr teilten, erachteten sie als beispielhaft. Sie ärgerten sich ebenso wie sie über die üblen Verleumdungen von Budenz.“[25]
Er verteidigte Harte als Opfer böswilliger Angriffe und als unschuldig im Sinne der Vorwürfe, ein GPU-Agent gewesen zu sein, was nun jedoch endgültig bewiesen ist. Bemerkenswert ist, dass Hansen auch Ageloff als unschuldiges Opfer darstellte.
„Der Geruch der alten GPU-Verleumdungen gegen Harte hält sich, wie wir sehen, immer noch in der Zentrale der Workers Revolutionary Party“, schrieb er. „Es gibt dort keinen Gedanken daran, dass Harte von Jacson so benutzt worden sein könnte, wie Sylvia Ageloff benutzt wurde. Dort wird nicht die Möglichkeit eingeräumt, dass Harte sich darüber täuschen ließ, Jacson als vertrauten Freund zu haben, so wie Ageloff sich in Jacson verliebte und sich darüber täuschen ließ, dass ihre Liebe erwidert wurde.“[26]
Hansen nannte Ageloff „ein vertrauenswürdiges Mitglied der trotzkistischen Bewegung, das nicht die leiseste Ahnung von seiner wahren Identität hatte“[27] und wiederholte damit die Behauptung, die er erstmals 1941 veröffentlicht hatte. Damit trug er dazu bei, den Mythos von der „armen Sylvia“ zu festigen, der – wie wir jetzt wissen – erfunden wurde, um sie zu schützen und das GPU-Netzwerk hinter ihr und Mercader zu verschleiern.
In der Ausgabe der Intercontinental Press vom 8. Dezember 1975 griff das führende SWP-Mitglied George Novack, der Zborowski während des Zweiten Weltkriegs bei der Einreise in die Vereinigten Staaten geholfen und diese Tatsache 30 Jahre lang vertuscht hatte, Healys „rücksichtslose und wahllose Anschuldigungen“ gegen „Sylvia Caldwell, Cannons Sekretärin“ an und schrieb, dass „in seinem verzweifelten Bemühen, ein Netz des Verdachts um Joseph Hansen und seine Kollegen zu spannen, alles erlaubt sein soll“.[28]
Am 23. Dezember 1975 veröffentlichte Trotzkis ehemaliger Wächter Harold Robins einen offenen Brief an das Nationalkomitee der SWP, der Organisation, der er angehört hatte. Robins, der Genosse North auf zwei Reisen nach Mexiko-Stadt begleitete, um die Anschläge auf Trotzkis Leben zu rekonstruieren, forderte, dass die SWP Hansens Artikel vom 24. November 1975 zurückweisen solle. Robins schrieb an die SWP:
Die Rolle von Spitzeln in der Arbeiterbewegung, von Schauprozessen gegen Gewerkschaftsaktivisten und Verfolgung sozialer Gegner des Kapitalismus durch die kapitalistischen und vorkapitalistischen Staaten zieht sich durch die gesamte Geschichte der Klassengesellschaft. Immer – ohne jede Ausnahme – musste die Frage der „Sicherheit“ auf der Tagesordnung von Rebellen und Revolutionären stehen. Genosse Hansen vertritt eine diametral entgegengesetzte „Linie“. Könnt Ihr diese Politik weiterhin mittragen?[29]
Die SWP antwortete nicht auf diesen Brief. Im Januar 1976 erhob das Internationale Komitee öffentlich Anklage gegen Hansen und nannte ihn einen „Komplizen der GPU“. Kurz darauf, Anfang 1976, veröffentlichte die SWP eine Aufsatzsammlung zum Gedenken an den im August 1974 verstorbenen James P. Cannon, in der Joseph Hansens Frau Reba Hansen Callen als jemanden bezeichnete, dessen „Hingabe an die Bewegung und ihre Bereitschaft, lange Stunden harter Arbeit zu leisten, uns alle inspirierte. Sylvia und ich wurden enge Kolleginnen und gute persönliche Freunde. Sie war ein warmherziger Mensch“.[30]
Die SWP lehnte nicht nur die Forderung nach einer paritätischen Kommission ab, sondern mobilisierte die weltweite pablistische Bewegung gegen das Internationale Komitee. Im September 1976 veröffentlichte sie ein heuchlerisches „Urteil“, das Hansen und Novack für unschuldig erklärte.
Im Dezember 1976 veröffentlichte die SWP eine Broschüre mit dem Titel „Healys große Lüge“. Sie begann mit einer Einleitung von Wohlforth, in der er Sicherheit und die Vierte Internationale als „bizarre Hexenjagd bezeichnete, die Healy gegen Nancy Fields eingeleitet hatte, indem er sie beschuldigte, eine ‚CIA-Agentin‘ zu sein. Als Fields sich gegen Healys Schikanen wehrte und ich sie unterstützte, wurden wir in hysterischer Weise denunziert“.[31] Dies verfälschte natürlich völlig, wie sie die Bewegung verließen.
Wohlforth, Hansen und die Plattform der Schande
In der SWP-Presse lobte Wohlforth Hansen und vertiefte seine Angriffe auf das IK. Er schrieb: „Nachdem wir bereits begonnen hatten, eine Reihe politischer Fragen neu zu durchdenken, waren Nancy Fields und ich von Hansens Einschätzung beeindruckt. Dies eröffnete einen Prozess der Diskussion und Zusammenarbeit, der uns Anfang 1976 dazu brachte, der Socialist Workers Party beizutreten.“ Er schloss: „Die Ähnlichkeit zwischen den Methoden von Healy und denen Stalins in den Moskauer Prozessen ist frappierend.“ Er nannte Hansen einen „selbstlosen Revolutionär“.[32]
Der schnelle Eintritt von Wohlforth und Fields in die SWP wirft Fragen zu Fields’ politischer Vergangenheit auf. Sie hatte damit geprahlt, dass sie den Black Panthers nahe stand und erzählte dem Militant, dass sie, als sie die Western Reserve University in Cleveland besuchte, „an einigen Kursen teilnahm, die das YSA-Mitglied John McCann auf dem Campus gab“. In diesem am 7. Mai 1976 veröffentlichten Interview gab sie an, während ihrer Zeit in der Workers League Fred Halsted, den Präsidentschaftskandidaten der SWP im Jahr 1968, „immer gemocht“ und „die Linda-Jenness-Kampagne für wichtig gehalten“ zu haben.[33] Jenness war die Präsidentschaftskandidatin der SWP im Jahr 1972.
Nancy Wohlforth wurde später Mitglied des AFL-CIO-Vorstands und eine aktive Wahlkämpferin für die Demokratische Partei.
Nach der Veröffentlichung von „Healys großer Lüge“ hielt die pablistische Weltbewegung am 14. Januar 1977 in der Friends Hall in London eine Veranstaltung ab, die das Internationale Komitee als „Plattform der Schande“ bezeichnete. Die internationale Führung der pablistischen Bewegung versammelte sich, um Sicherheit und die Vierte Internationale in hysterischen Worten anzuprangern, wobei Wohlforth einer der Hauptredner war. Als WRP-Führer Gerry Healy am Ende des Treffens die Hand hob, um auf die Verleumdungen gegen ihn und die Bewegung zu antworten, wurde ihm das Rederecht verweigert. Der führende britische Pablist Tariq Ali versuchte, ihn zu übertönen, indem er die Menge einen Sprechgesang anstimmen ließ.
Sogar die bürgerliche Presse erkannte den beschämenden Charakter der Pablisten-Versammlung an. Der Sunday Observer berichtete: „Mr. Healy setzte sich ruhig wieder hin, vielleicht mit dem Gefühl, dass er seinen Standpunkt eloquenter dargelegt hatte, als es jegliche Worte hätten tun können.“[34] Die Newsline der WRP schrieb: „Indem das Treffen alle wichtigen Fragen umging, hat es ihre Krise nur verschärft. Es hat nichts geklärt.“[35]
Das Internationale Komitee schrieb über die Plattform der Schande:
Wer die Geschichte des Kampfs gegen den Revisionismus kennt, dem wird speiübel, wenn er sieht, mit welcher Dreistigkeit die Organisatoren die kriminellen Aktivitäten der GPU und ihrer Verbündeten unter der Parole einer verlogenen ‚Arbeiterdemokratie‘' abdecken... die Offenlegung von Stalins Verbrechen und der Komplizenschaft der Revisionisten bei der Vertuschung dieser Verbrechen ist wesentlicher Bestandteil der Vorbereitung eines neuen revolutionären Kaders. Wer sich, in welcher Form auch immer, gegen diese Aufgabe stellt, dient den Interessen des konterrevolutionären Stalinismus. Wir sind gewarnt.[36]
Das IK macht Sylvia Franklin-Caldwell-Callen-Doxsee ausfindig
Das Internationale Komitee setzte seine Ermittlungen fort. Im Mai 1977 machten David North und Alex Mitchell Sylvia Callen in Wheaton (Illinois) ausfindig.
Auf die Frage nach ihrer politischen Vergangenheit gab Callen zu, als Cannons Sekretärin gearbeitet zu haben, versuchte aber, ihre Jahre in der SWP als eine unbedeutende Episode in ihrem Leben abzutun. Das Bulletin, die Zeitung der Workers League, gab sie am 31. Mai 1977 mit den Worten wieder: „Ich verstehe nicht, warum das überhaupt wichtig sein sollte. Ich war nie wirklich mit Politik befasst. Ich las nie. Ich habe das Ganze nie verstanden. Ich war nur ein unreifes Kind, das ist alles, was ich sagen kann... Es ist, als hätte ich es verdrängt, diese ganze Periode meines Lebens.“[37]
Über Cannon sagte Callen: „Er war meiner Meinung nach kein bedeutender Mann. Oder? Welche Rolle spielte er in der Welt?“ Auf die Frage von Genosse North, warum sie als Mitverschwörerin in einem GPU-Spionagering angeführt worden war, sagte Callen, sie könne sich nicht erinnern.[38]
In jenem Sommer befragte North auch Felix Morrow, ein ehemaliges Mitglied des SWP-Nationalkomitees, das zu den 18 SWP-Mitgliedern gehörte, die nach dem Smith Act-Prozess von 1941 wegen Aufwiegelung inhaftiert worden waren. Morrow erzählte North, dass es nach Trotzkis Ermordung keine offiziellen Bemühungen der Parteiführung gab, die amerikanische Regierung zu kontaktieren. „Keine“, sagte Morrow zu North. „Sie waren in keiner Weise involviert.“[39] Hansens Kommunikation mit dem Außenministerium und dem FBI diente persönlichen Zwecken, sie fand im Geheimen statt, hinter dem Rücken der SWP-Führung.
Später erklärten die SWP-Führer Farrell Dobbs und Morris Lewit in einer vom Richter im Gelfand-Fall angeordneten eidesstattlichen Erklärung, dass sie von Hansens Treffen mit dem FBI keine Kenntnis hatten. Hansens Kartenhaus stürzte ein.
Nach der Veröffentlichung des Interviews mit Callen am 31. Mai 1977 reagierte Hansen in einem Artikel der Intercontinental Press vom 20. Juni 1977 mit dem Titel „Healyites Escalate Frame-up of Trotskyist Leaders“ („Healy-Anhänger eskalieren Verleumdung trotzkistischer Anführer“). In dem Artikel versuchte Hansen, das – in seinen Worten – „angebliche“ Interview mit Callen in Zweifel zu ziehen, indem er behauptete, das IKVI habe „seine Verleumdungen gegen die Führung der Socialist Workers Party eskaliert“.[40]
Hansen griff die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale an, indem er die Behauptung ins Lächerliche zog, dass Callen eine Agentin sei. In seinem Artikel vom 20. Juni 1977 schrieb Hansen: „Die Mitglieder dieses auserwählten Gremiums von Hexenjägern [d.h. des IKVI] legen sich auf eine Verleumdung fest, die sie vorher nur angedeutet hatten; nämlich dass die von der Socialist Workers Party 1947 eingesetzte Kontrollkommission, die die über Caldwell [d.h. Callen] kursierenden Gerüchte untersuchte, ‚manipuliert‘ war.“[41]
Die SWP-Kontrollkommission vom Mai/Juni 1947 war in der Tat manipuliert, wie eine Artikelserie der WSWS von 2018 eindeutig belegt. Dieser Kontrollkommission wurden verheerende Informationen zur Kenntnis gebracht, die der SWP vorgelegt wurden, wonach Sylvia Callen eine GPU-Agentin war. Anstatt den Vorwürfen nachzugehen, vertuschte die Kommission Callens Rolle als Agentin und verpflichtete die Anwesenden zur Verschwiegenheit.
Hansen schrieb weiter: „Die Healy-Anhänger sind durchaus in der Lage, physische Gewalt gegen andere Teile der Arbeiterbewegung zu entwickeln.“ Er drohte dem Internationalen Komitee und warnte, dass die Untersuchung „tödliche Konsequenzen“ haben würde.[42]
Der Mord an Genosse Tom Henehan
In den frühen Morgenstunden des 16. Oktober 1977 wurde Hansens Drohung Wirklichkeit. Genosse Tom Henehan wurde in New York City von zwei Auftragskillern erschossen, während er eine Veranstaltung der Partei im Ponce Social Club beaufsichtigte. Tom war 26 Jahre alt.
Die Workers League leitete sofort eine Kampagne ein und forderte die Verhaftung der beiden Mörder sowie eine Untersuchung, wer hinter dem Anschlag steckte. Die Mörder wurden schnell als Edwin Sequinot und Angelo Torres identifiziert, doch die Polizei von New York City weigerte sich, sie zu verhaften. Die Presse sprach sofort von einer „sinnlosen Tötung“. Polizeidirektor John Mohl sagte der Detroit Free Press: „Wir wissen, wer es getan hat, und ich kann Ihnen sagen, dass es kein politisches Motiv gab.“
Es bedurfte einer dreijährigen Kampagne in der Arbeiterbewegung, damit die Mörder verhaftet werden konnten. Die Workers League forderte, dass der Bezirksstaatsanwalt von Brooklyn, Eugene Gold, die Mörder verhaftet und das Attentat untersucht. Sie führte Kampagnen in der Arbeiterklasse und den Gewerkschaften durch, sammelte Unterschriften und stieß Briefe an, die Bezirksstaatsanwalt Gold aufforderten, tätig zu werden. Die Briefe wurden von Gewerkschaften eingereicht, die über eine Million Mitglieder vertraten. Zu den Unterzeichnern gehörten Anthony Mazzochi, William Winpisinger, Gary Tyler, Ed Asner und Vertreter der ACLU, der IRA, der PLO und des American Indian Movement. Im Oktober 1980 beugte sich die Polizei schließlich dem wachsenden Druck und verhaftete Torres und Sequinot. Sie wurden 1981 für schuldig befunden, sagten aber nicht aus, wer hinter ihren Taten steckte. Ihr Pflichtverteidiger sagte der Partei: „Auf der Straße hieß es, es war ein Auftragsmord.“
Die Carleton-Zwölf
Leider reicht die Zeit nicht aus, um die Kampagne nach dem Mord an Genossen Henehan umfassend zu beleuchten oder jeden Schlag im Detail zu schildern, den Sicherheit und die Vierte Internationale in den folgenden Jahren gegen die Pablo-Bewegung geführt hat. 1979 deckte das Internationale Komitee die Tatsache auf, dass fast die gesamte Führung der SWP das Carleton College, eine kleine Privatschule im ländlichen Northfield (Minnesota) besucht hatte.
Wie es im historischen Grundlagendokument der SEP (US) heißt:
Einige weitere Tatsachen ergaben sich als Nebenprodukt aus der Sicherheitsuntersuchung. Es kam heraus, dass buchstäblich die gesamte zentrale Führung der Socialist Workers Party - wie auch eine Mehrheit ihres Politischen Komitees - das Carlton College besucht hatte, eine kleine liberale Hochschule für Geisteswissenschaften im Mittleren Westen. Es gab keine Hinweise darauf, dass die SWP in den Jahren von 1960 bis 1964 irgendeine systematische Arbeit am Carlton Collge durchgeführt hatte, in denen so viele Studierende, darunter Jack Barnes, der Partei beitraten und schnell an ihre Spitze aufstiegen. Ihre Verwandlung aus konservativen Studenten aus dem Mittleren Westen (Jack Barnes war Anhänger der Republikaner) in Führer einer angeblich revolutionären Organisation geschah über das Fair Play for Cuba Committee, das von FBI-Agenten durchsetzt war und von ihnen kontrolliert wurde. Die SWP-Führung konnte keine glaubhafte Erklärung für das Carlton College-Phänomen liefern.[43]
Der Fall Gelfand
Ein weiterer Meilenstein in der Untersuchung war der Fall Gelfand, ein 1979 vom damaligen SWP-Mitglied Alan Gelfand angestrengter Prozess, der aus der SWP ausgeschlossen worden war, weil er Fragen zu „Sicherheit und die Vierten Internationale“ aufgeworfen hatte. Gelfand und seinen Anwälten gelang es, Aussagen zahlreicher führender SWP-Mitglieder zu erzwingen, die zusätzliche Beweise für eine breite Unterwanderung der Organisation lieferte.
Im Jahr zuvor, im Dezember 1978, hatte Gelfand einen Amicus-Curiae-Schriftsatz eingereicht, um eine Klage der SWP bezüglich der Überwachung der Bewegung durch das FBI mittels COINTELPRO zu unterstützen. Diese Klage wurde von der SWP in erster Linie geführt, um Spendengelder zu sammeln – nicht mit der Absicht, frühere oder noch aktive Agenten innerhalb der Partei zu enttarnen. Tatsächlich legte die US-Regierung den Fall schließlich durch Zahlung hunderttausender Dollar an die SWP bei, ohne einen einzigen Agenten zu identifizieren, den sie in die Partei eingeschleust hatte. Im Laufe des Prozesses gab das FBI zu, dass zwischen 1960 und 1976 300 Informanten als Mitglieder der SWP tätig waren.
In seiner Klage machte Gelfand geltend, dass seine verfassungsmäßigen Rechte verletzt worden seien, als er aus einer Partei ausgeschlossen wurde, die von Agenten der Regierung geleitet wurde. Es gelang ihm, die Freigabe von Sylvia Callens Aussage vor der Grand Jury zu erwirken, in der sie zugab, eine GPU-Agentin gewesen zu sein. Richter Pfaelzer lieferte Gelfands Anwalt John Burton nach langem Zögern endlich die endgültige Information, dass die SWP eine GPU-Agentin gedeckt hatte und alle ihre Bemühungen, zu lügen oder Halbwahrheiten zu verdrehen, genau das waren. Der Richter legte diese Zeugenaussage der Grand Jury vor, kurz nachdem SWP-Führer Jack Barnes vor Gericht erklärt hatte, dass Sylvia Callen seine „Heldin“ sei, weil sie unter den Anschuldigungen des Internationalen Komitees gelitten habe. Die ganze Zeit über hatte die SWP eine GPU-Agentin verteidigt.
Vaughn T. O’Briens Brief vom 9. Juni 1976
Die Veröffentlichung von Sylvia Callens Zeugenaussage vor dem Geschworenengericht fiel zeitlich mit der Veröffentlichung des vollständigen Textes eines Briefes zusammen, den Hansens Jugendfreund Vaughn T. O’Brien aus Utah am 8. Juni 1976 an diesen geschrieben hatte. Hansen hatte einen Teil des Briefes in der Intercontinental Press zitiert, um seine früheren Treffen mit der GPU zu rechtfertigen. Dabei behauptete er zunächst fälschlicherweise, sie seien auf Trotzkis Anweisung erfolgt, um die GPU dazu zu bringen, 25.000 Dollar für ein Exemplar von Trotzkis Stalin-Biographie zu zahlen.
Hansen hatte jedoch nicht den vollständigen Brief von O’Brien zitiert, und dank des Gelfand-Falles wissen wir jetzt, warum. Das Schreiben, dessen Freigabe von Richter Pfaelzer angeordnet wurde, enthielt eine erschütternde Enthüllung. In einem Abschnitt des Briefes, der von Hansen nicht öffentlich zitiert wurde, erzählte O’Brien von einer Begegnung in den späten 1940er oder frühen 1950er Jahren – dem allgemeinen Zeitraum, in dem die Kontrollkommission der SWP Sylvia Callen deckte und das Buch von Louis Budenz, das sie als Agentin identifizierte, veröffentlicht wurde. O’Brien begegnete damals Pearl Kluger, einem ehemaligen Mitglied der American Workers Party von A.J. Muste, die Budenz persönlich kannte. O’Brien schrieb: „Ich hatte Pearl seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen, aber sie sagte sofort: ‚Budenz sagt, dein Freund Joe Hansen habe mit der GPU zusammengearbeitet.‘“[44]
Dies zeigte, dass Hansen und die SWP Callen verteidigen mussten, weil es Budenz war, der sie ursprünglich geoutet hatte, und wenn seine Warnungen richtig waren, hätte dies auch als weiterer Beweis für Hansens Rolle als GPU-Agent gedient. Um Hansen zu schützen, verteidigten er, Barnes und die SWP Callen als ihre „beispielhafte Genossin“. Obwohl Budenz mit Informationen über Callen an die Öffentlichkeit ging, gab er nicht bekannt, was er über Hansen wusste, der zu diesem Zeitpunkt bereits ein Agent des amerikanischen Imperialismus geworden war.
Der Fall Gelfand enthüllte auch in weiterer erschütternder Weise die Verwandlung der SWP. Während des Prozesses sah es zum ersten Mal so aus, als könne es Gelfand gelingen, die Befragung von Mark Zborowski zu erzwingen. Doch die SWP half Zborowskis Anwälten, einen Antrag auf Aufhebung seiner Vorladung zu stellen, und Jack Barnes erklärte, Zborowski habe ein demokratisches Recht, nicht vor Gericht auszusagen. Damit verhinderte die SWP, dass Zborowski gezwungen werden konnte, sich zum ersten Mal für seine Verbrechen gegen die trotzkistische Bewegung zu verantworten.
Die CIA wollte ebenfalls verhindern, dass Zborowski als Zeuge aussagt und dass durch den Prozess die Wahrheit über andere Agenten an die Öffentlichkeit dringt. In einem Memorandum des General Counsel der Central Intelligence Agency, Stanley Sporkin, an den CIA-Direktor William J. Casey vom 11. Juni 1982 wird der Fall Gelfand als ein „Thema von großem Interesse“ für die CIA bezeichnet. In einem kürzlich aufgedeckten CIA-Memo heißt es:
In der Rechtssache „Gelfand gegen Generalstaatsanwalt (DCI) u. a.“ behauptet Gelfand, dass angebliche CIA- und FBI-Agenten in der Socialist Workers Party (SWP) ihn aus der Partei ausgeschlossen hätten. In der gerichtlichen Voruntersuchung reichte Gelfand Fragebögen ein, in denen er den DCI [Director of Central Intelligence] fragte, ob 19 genannte SWP-Mitglieder CIA-Agenten sind oder waren und ob die CIA glaubt, dass eine genannte Person ein sowjetischer Geheimdienstagent ist.[45]
Die Rolle von Sicherheit und die Vierte Internationale in der Spaltung mit der Workers Revolutionary Party
Die Enthüllungen, die durch den Fall Gelfand an die Öffentlichkeit gelangten, wurden von der Workers Revolutionary Party nahezu nicht zur Kenntnis genommen. Als der Fall Anfang 1983 abgeschlossen wurde, hatte die WRP im weitgehend aufgehört, Sicherheit und der Vierten Internationale Beachtung zu schenken. Sie spielte keine Rolle mehr dabei, die Untersuchung zu entwickeln. Dies fiel mit der zunehmenden Anpassung der WRP an die nationalistische Politik der Pablisten im Vorfeld der Spaltung zusammen.
Ab Ende 1985, als die Krise innerhalb der WRP ausbrach, griff die von Banda und Slaughter geführte Fraktion der WRP-Führung Sicherheit und die Vierte Internationale offen an – die Untersuchung, für deren Einleitung sie selbst gestimmt und an der sie Mitte der 1970er Jahre aktiv teilgenommen hatten.
Am 26. November 1985 erschien Cliff Slaughter ohne jegliche Diskussion mit dem Internationalen Komitee – dem er zu diesem Zeitpunkt noch angehörte – auf einem Treffen von Pablisten und Stalinisten und prangerte Sicherheit und die Vierte Internationale an, bevor er dem prominenten Stalinisten Monty Johnstone die Hand schüttelte. Nur wenige Wochen zuvor hatte Slaughter Sicherheit und die Vierte Internationale auf einer Sitzung des Politischen Komitees der Workers League verteidigt.
Am 11. Dezember 1985 schrieb die Workers League an das WRP-Zentralkomitee:
Was in Friends Hall stattfand, war keine Versammlung; es war eine Perspektive. Was sich bei dieser Versammlung zeigte, ist eine Tendenz in Richtung einer – wie die SWP es einmal nannte – „Umgruppierung“, d. h. eines Aufgebens des Trotzkismus zugunsten prinzipienloser Bündnisse mit Radikalen, Revisionisten und Stalinisten aller Art.[46]
Während sie sich auf die explizite Zurückweisung des Trotzkismus zubewegten, denunzierten Slaughter und Banda das IK und Genossen North und behaupteten, Sicherheit und die Vierte Internationale bedeute eine „Abkehr vom internationalen Kampf gegen den Revisionismus“. Slaughter und Banda präsentierten Sicherheit und die Vierte Internationale als zentralen Beweis für ihre so genannte Theorie der „gleichen Degeneration“, die besagte, dass die gesamte internationale Bewegung und all ihre Sektionen genauso verdorben seien wie die WRP.
Im Dezember 1985 forderte das Zentralkomitee der WRP, Sicherheit und die Vierte Internationale zu untersuchen und verlangte „eine internationale Untersuchungskommission über die staatliche Unterwanderung der trotzkistischen Bewegung, und zwar öffentlich“. Diese atemberaubende Forderung, das IK und all seine Sektionen zu untersuchen, war ein zynischer Versuch, die vom IK im Mai 1975 erhobene (und von Banda und Slaughter unterstützte) Forderung nach einer Untersuchungskommission über die Unterwanderung der SWP zu entstellen und gegen das IK zu wenden.
Slaughter und Banda auf einer Linie mit der SWP
Kehren wir nun zu den Wurzeln von Sicherheit und die Vierte Internationale zurück. Anfang 1986 forderten sowohl Slaughter als auch Banda eine Neubewertung der Erfahrungen mit Tim Wohlforth. Slaughter versuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen, während Banda in seinen „27 Gründen“ erklärte: „Healy verschärfte künstlich die Krise mit Wohlforth durch seine paranoiden Tobsuchtsanfälle wegen der Sicherheit und seiner totalen Unfähigkeit, sich mit den Problemen der Politik und Perspektiven der Workers League zu befassen. Der Fall von Nancy Fields wurde über alle Maßen übertrieben und verzerrt.“[47]
In der berüchtigten Resolution 1 des WRP-Zentralkomitees vom 26. Januar 1986 prangerte die WRP das IK an und erklärte, „dass Sicherheit und die Vierte Internationale ein Ersatz für einen wirklichen Kampf gegen Revisionismus und für trotzkistische Prinzipien war. Alle Beweise und Schlussfolgerungen müssen zusammen mit Material, das von der amerikanischen SWP oder irgendjemand anderem zu diesen Fragen veröffentlicht wurde, neu überprüft werden.“[48]
Am 2. Februar 1986 antwortete Genosse North mit einem Brief an die WRP-Mitglieder mit dem Titel „Verteidigung von Sicherheit und die Vierte Internationale“. Der Brief verurteilte die Angriffe der WRP-Führung auf Sicherheit und die Vierte Internationale als „Teil eines umfassenderen Angriffs auf die gesamte Geschichte des Internationalen Komitees“, der aus fraktionellen Gründen inszeniert werde und „eine unabdingbare Voraussetzung für eine Annäherung an die Revisionisten“ sei.[49]
Am 7. Februar 1986 veröffentlichte Banda seine „27 Gründe“, die zu dem Schluss kamen: „Keine Untersuchung des IK wäre vollständig oder in aufrichtiger Weise objektiv, wenn sie sich nicht auch mit dem finstersten und reaktionärsten Ausdruck des Healyismus im IK befassen würde – Sicherheit und die Vierte Internationale.“
Er nannte die Untersuchung eine „monströse Intrige“, die von „dem paranoiden North und seinen Kumpanen im IK“ angeführt wurde.[50]
Die SWP begrüßte Slaughters und Bandas Bruch mit dem IK und ihre Verurteilung von Sicherheit und die Vierte Internationale mit offenen Armen, genau wie sie es mit Wohlforth nach dessen Bruch mit dem Trotzkismus getan hatte. In ihrer Ausgabe der Intercontinental Press vom 10. März 1986 veröffentlichte die SWP Artikel der News Line, in denen Doug Jenness, Absolvent des Carleton College, schrieb, der Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale sei durch den Angriff der WRP-Renegaten „ein vernichtender Schlag versetzt“ worden. Die SWP schrieb: „Mit ihrer Absage an die healyistische Agentenhetz-Kampagne haben diese WRP-Führer den ersten Schritt in die notwendige Richtung getan, damit ihre Positionen als rechtmäßiger Bestandteil der politischen Auseinandersetzung, die heute unter den Revolutionären stattfinden, akzeptiert und ernst genommen werden.“[51]
Als Reaktion auf die Feierlichkeiten ihrer ehemaligen Gegner schrieb Genosse North eine Artikelserie mit dem Titel „Der Prozess gegen die SWP – was die Tatsachen zeigen“, die vom 11. bis 18. März 1986 im Bulletin veröffentlicht wurde. North schrieb:
Bandas Artikel bestätigt ein politisches Gesetz: Jeder, der mit dem Trotzkismus bricht, verbündet sich auf der Stelle mit Hansen. Für diese Renegaten ist es ein obligatorisches Ritual, Sicherheit und die Vierte Internationale zurückzuweisen.[52]
Die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale stellte einen bedeutenden Teil der täglichen politischen Aktivität der führenden Parteikader und insbesondere von Genossen North dar. Sie brachte eine immense Sammlung historischer Informationen mit sich. Die in dieser Zeit entstandenen Artikel und Serien wurden von den Parteimitgliedern mit großer Sorgfalt und großem Interesse studiert. Es ist wichtig, die Auswirkungen zu verstehen, die der Kampf in den Jahren 1974/1975 bis 1983 auf die gesamte Parteimitgliedschaft hatte. Er ermöglichte es den Kadern, ihre tägliche politische Arbeit auf den Kampf gegen den Pablismus zu gründen und in die Aufarbeitung des gesamten historischen Inhalts der trotzkistischen Bewegung einzubetten. Der Kampf gegen den Revisionismus wurde dadurch nicht ersetzt, sondern im Gegenteil ermöglicht und vertieft.
Es ist kein Zufall, dass diese Zeitspanne die Brücke zwischen zwei Meilensteinen in der Geschichte der Bewegung bildet: der Spaltung mit Wohlforth und dem Übergang zu einer neuen politischen Führung, und dem Auftreten von Differenzen zwischen der Workers League und der WRP im Jahr 1982. Als diese Differenzen später den Mitgliedern der Workers League in vollem Umfang zur Kenntnis gebracht wurden, war ihre Empfänglichkeit für Genossen Norths Kritik am Opportunismus der WRP zum Teil dem Einfluss zuzurechnen, den Sicherheit und die Vierte Internationale auf das Bewusstsein der Mitglieder ausgeübt hatte.
In einem offenen Brief von 1987, mit dem er auf Cliff Slaughters Denunziation des Gelfand-Falls antwortete, schrieb Genosse North:
Die heutige Führung der Workers League entwickelte sich in dem theoretischen und politischen Kampf gegen Wohlforth. Die Verteidigung des Erbes und Programms der Partei führte in der Workers League zur Wiedererstehung des Trotzkismus. Ihr Kader konnte Wohlforth in politischer Hinsicht nur besiegen, indem er sich erneut alle Lehren aus den vergangenen Kämpfen des Internationalen Komitees im Aufbau der trotzkistischen Bewegung in den USA zu eigenmachte...
Gerade weil die Workers League den Kampf gegen Wohlforth auf der höchsten politischen und theoretischen Ebene führte, nahm sie die Sicherheitsfragen wahr, die sich aus der Fields-Affäre ergaben, wenn man sie in den historischen Kontext des internationalen Kampfes für den Trotzkismus stellte. Die Führung der Workers League... kam auf dieser prinzipiellen Grundlage zu der Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale. Die Workers League betrachtete Sicherheit und die Vierte Internationale niemals als eine kriminalistische Angelegenheit. Wenn sie recherchieren musste, dann war dies Bestandteil des Kampfes, die geschichtlichen Tatsachen zu klären und den Kader der Weltbewegung mit den bitteren Lehren aus der Vergangenheit zu bewaffnen.[53]
Es war ein Zeugnis dieses Prozesses, dass die Workers League in ihrem Perspektivendokument von 1978 die folgende Zusammenfassung von Sicherheit und Vierter Internationale verfassen konnte:
Sicherheit und die Vierte Internationale bedeutet nichts weniger als die Rückgewinnung der gesamten historischen Kontinuität des Bolschewismus durch die Vierte Internationale und das Internationale Komitee aus dem bösen Griff der stalinistischen Konterrevolution und Verfälschung. All die Lügen, Entstellungen und Verbrechen, die der Stalinismus gegen den Trotzkismus, die politische Verkörperung des Kampfes für den Weltoktober, begangen hat; all die ungeheuerlichen Taten, die begangen wurden, um Generationen von Arbeitern über die wahre Geschichte der Oktoberrevolution und die Rolle Trotzkis zu verwirren und zu desorientieren - all das hat einen Schlag erhalten, von dem sich der Stalinismus und alle Agenturen der imperialistischen Konterrevolution niemals erholen werden.[54]
Unbeantwortbar: Sicherheit und die Vierte Internationale heute
Heute blamieren sich diejenigen, die Sicherheit und die Vierte Internationale angreifen, nur selbst. Die Beweislage ist zu erdrückend. Susan Weissman konnte nicht auf den von Genossen North verfassten Brief antworten, als sie Hansen verteidigte, Sicherheit und die Vierte Internationale verurteilte und verkündete, dass Zborowski Gelfands Anwälten während des Gelfand-Falls „haushoch überlegen“ gewesen sei. Sie wird für ihr lautes Schweigen in Erinnerung bleiben.
Eine neue Generation von Sozialisten, die in der Zeit der Massenüberwachung durch die NSA, der Militarisierung der Polizei und der endlosen Angriffe auf demokratische Rechte aufgewachsen ist, wird von Sicherheit und die Vierte Internationale über Fragen der revolutionären Sicherheit aufgeklärt werden. Für diese Generation erscheint die Bemühung absurd, die Sicherheit der Bewegung vor staatlicher Infiltration herunterzuspielen. Doch genau aus diesem Grund versuchen neue Opportunisten, die Behauptung der SWP zu wiederholen, dass es absurd sei, sich um staatliche Unterwanderung zu sorgen. Aus diesem Grund schrieb Nathaniel Flakin von der Morenistischen Left Voice in einem Artikel vom 23. Juni 2022, dass Sicherheit und die Vierte Internationale eine „abstoßende Verschwörungstheorie“ sei, die „nie mehr als die lächerlichsten Indizien hervorgebracht hat.“[55]
Flakin war und ist nicht in der Lage, die in Sicherheit und die Vierte Internationale aufgedeckten Beweise anzufechten. Sein Ziel ist es, ungeachtet aller Beweise jedes Bestreben als „lächerlich“ darzustellen, die physische Unabhängigkeit der revolutionären Bewegung von den Agenten des Staates aufrechtzuerhalten – und zwar aus demselben Grund, aus dem die Pablisten Sylvia Franklin verteidigten, selbst nachdem ihre Aussage, eine GPU-Agentin zu sein, an die Öffentlichkeit gelangte. Sie lehnen die staatliche Unterwanderung ihrer Bewegungen nicht ab, weil ihre Bewegungen nicht politisch gegen den Kapitalismus und den kapitalistischen Staat kämpfen. Bemerkenswerterweise schrieb Flakin seinen Artikel, in dem er unsere „lächerlichen“ Beweise für die GPU-Unterwanderung angreift, mehr als ein Jahr nach dem Nachweis der World Socialist Web Site, dass Sylvia Ageloff eine GPU-Agentin und ein Dreh- und Angelpunkt im Komplott der GPU zur Ermordung Trotzkis war. Er konnte darauf nicht antworten. Niemand konnte das.
Vergleicht ihren Ansatz mit der Art und Weise, wie das IK Sicherheit und die Vierte Internationale in der Einleitung zu „How the GPU Murdered Trotsky“ [Wie die GPU Trotzki ermordete] erklärt hat:
Wenn wir Sicherheit und die Vierte Internationale als „Untersuchung“ bezeichnen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass dieses Wort den vollen politischen und historischen Inhalt des Kampfes, den das Internationale Komitee während der letzten sechs Jahre geführt hat, nur teilweise erfasst. Wie Trotzkis Entlarvung der Moskauer Prozesse von 1936-38 ist sie der höchste bewusste Ausdruck der objektiven Bewegung der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie und alle ihre Agenturen... Die Entwicklung der Untersuchung hat gezeigt, dass das gesamte Schicksal der sozialistischen Weltrevolution vom Ausgang des Kampfes abhängt, der in Sicherheit und die Vierte Internationale verkörpert ist...
Die Erkenntnisse von Sicherheit und die Vierte Internationale bilden eine unverzichtbare Grundlage für die Ausbildung der marxistischen Kader und eine mächtige materielle Waffe der Weltrevolution. Die Agenten, die diese Waffe bereits entlarvt hat, und diejenigen, die sie letztlich politisch vernichten wird, stellen die Speerspitze der Konterrevolution dar. Diese Tatsache muss von jedem klassenbewussten Arbeiter und Jugendlichen begriffen werden: Der gesamte historisch angesammelte Selbsterhaltungstrieb der Bourgeoisie findet seine größte Bewusstseinsstufe in der Ausarbeitung ihrer Strategie, um die revolutionäre Führung der Arbeiterklasse zu vernichten.[56]
Das Internationale Komitee ist die einzige Organisation, die diese entscheidende Auseinandersetzung mit der GPU und der imperialistischen Unterwanderung der revolutionären Bewegung verteidigt, weil wir die einzige Organisation sind, die die Eroberung der Macht als ihr Ziel ansieht. Unsere Existenz ist das Ergebnis eines systematischen, höchst bewussten Kampfes für die politische Kontinuität des Bolschewismus gegen die Agenten des Staates und ihre politischen Komplizen unter den Pseudolinken. Dies war die politische Essenz der Spaltung mit Wohlforth, prägte die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale, leitete das IK in der Spaltung mit der WRP an und bildet das Rückgrat des Kampfes für den Sozialismus heute.
Mehr lesen
- Leo Trotzki und der Kampf für den Sozialismus in der Epoche des imperialistischen Kriegs und der sozialistischen Revolution
- Wohlforths Renegatentum, die Erneuerung des Kampfes gegen den Pablismus in der Workers League und die Hinwendung zur Arbeiterklasse
- Das Internationale Komitee analysiert die globale Wirtschaftskrise und entlarvt Mandels „Neokapitalismus“: 1967-1971
- Die Trotzki-Gedenkveranstaltung auf Prinkipo und das weltweite Wiedererstarken der Arbeiterklasse
- Eine „beispielhafte Genossin“: Sylvia Callen, stalinistische Agentin, 40 Jahre lang von der Socialist Workers Party (USA) gedeckt
- Sommerschulung der Socialist Equality Party: Lehren aus der Geschichte für den Kampf für Sozialismus heute
Vgl. David North, Das Erbe, das wir verteidigen. Ein Beitrag zur Geschichte der Vierten Internationale, 2. Auflage, Mehring Verlag, Essen 2019, Kapitel 32
Seymour Hersh, New York Times, 22. Dezember 1974
https://timesmachine.nytimes.com/timesmachine/1974/12/22/432151792.html
Tim Wohlforth’s Letter of Resignation from the Workers League, Trotskyism versus Revisionism, Volume Seven, „The Fourth International and the Renegade Wohlforth“, Labor Publications, Detroit 1984, S. 250–51. Aus dem Englischen
Ebd., S. 252
Ebd.
From Cliff Slaughter to Tim Wohlforth, ebd., S. 258
Ebd.
Ebd., S. 262
Ebd., S. 264
Findings of the Commission of Inquiry, ebd., S. 269–70
Ebd., S. 271
Ebd., S. 271-72
Ebd.
James P. Cannon, The Struggle for a Proletarian Party, Pathfinder Press, New York 1972, S. 41. Aus dem Englischen
An answer to the slanders of Robertson and Wohlforth, How the GPU Murdered Trotsky, Mehring Books, Oak Park (Michigan) 2015, S. 49. Aus dem Englischen
Joseph Hansen, Healy’s Big Lie, Socialist Workers Party Education for Socialists, Dezember 1976, S. 5. Aus dem Englischen
A reply to Joseph Hansen’s „The Secret of Healy‘s Dialectics“, How the GPU Murdered Trotsky, S. 60–62. Aus dem Englischen
Letter from Joseph Hansen to Cliff Slaughter, June 5, 1975, Security and the Fourth International, Labor Publications, New York 1975, S. 136. Aus dem Englischen
The Gelfand Case Vol. 1, Labor Publications, Detroit 1985, S. 8. Aus dem Englischen
Ebd., S. 29–30
We charge Joseph Hansen, How the GPU Murdered Trotsky, S.374. Aus dem Englischen
Healy’s Big Lie, S. 11
Ebd., S. 9
Ebd., S. 11
Ebd.
Ebd., S. 19
Letter from Harold Robins to the SWP National Committee, How the GPU Murdered Trotsky, ePub edition, p. 395.
James P. Cannon as We Knew Him, Pathfinder Press, New York 1976, S. 232–33. Aus dem Englischen
Healy’s Big Lie, S. 2
Ebd.
Militant, 7. Mai 1976, S. 17. Aus dem Englischen
The Observer, 16. Januar 1977, S. 1. Aus dem Englischen
Newsline, 17. Januar 1977. Aus dem Englischen
David North, Der Prozess gegen die SWP – was die Tatsachen zeigen, Vierte Internationale, Jg. 13, Nr. 2 (Herbst 1986), S. 165
https://www.wsws.org/de/special/library/das-IKVI-verteidigt-den-Trotzkismus-1982-1986/48.html
Eric London, Agenten: Das FBI und die GPU in der trotzkistischen Bewegung, Mehring Verlag, Essen 2020, S. 117
Ebd., S. 118
Interview mit Felix Morrow von David North, 2. Juni 1977 (Abgedruckt in Agenten, S. 38–39).
Joseph Hansen, Healyites Escalate Frame-up of Trotskyist Leaders, Intercontinental Press, Vol. 15 no. 23, 20. Juni 1977, S. 700. Aus dem Englischen
Ebd.
Ebd., S. 701
Socialist Equality Party, Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party. In englischer Sprache erschienen bei Mehring Books, Oak Park 2008. In deutscher Sprache abrufbar unter:
https://www.wsws.org/de/special/library/historical-international-foundations-sep-us/00.html
The Gelfand Case Vol. 2, Labor Publications, Detroit 1985, S. 651. Aus dem Englischen
Memorandum von Central Intelligence Agency General Counsel Stanley Sporkin an CIA Director William J. Casey, 11. Juni 1982. Aus dem Englischen
David North, Ein Kommentar zu Gelfands Offenem Brief, Vierte Internationale, Jg. 14 Nr. 2 (Sommer 1987), S. 79
David North, Das Erbe, das wir verteidigen, S. 551
1. Resolution des Zentralkomitees der WRP (26. Januar 1986), Vierte Internationale, Jg. 13, Nr. 2 (Herbst 1986), S. 116
https://www.wsws.org/de/special/library/das-IKVI-verteidigt-den-Trotzkismus-1982-1986/30.html
David North, Verteidigung von Sicherheit und die Vierte Internationale, ebd., S. 136
https://www.wsws.org/de/special/library/das-IKVI-verteidigt-den-Trotzkismus-1982-1986/36.html
Ein Kommentar zu Gelfands Offenem Brief, Vierte Internationale, Jg. 14, Nr. 2, S. 79
Doug Jenness, Giant blow to agent-baiting campaign, Intercontinental Press, Bd. 24 Nr. 5, 10. März 1986, S. 147; S. 150. Aus dem Englischen
Der Prozess gegen die SWP – was die Tatsachen zeigen, Vierte Internationale, Jg. 13, Nr. 2 (Herbst 1986), S. 165
https://www.wsws.org/de/special/library/das-IKVI-verteidigt-den-Trotzkismus-1982-1986/48.html
Ein Kommentar zu Gelfands Offenem Brief, Vierte Internationale, Jg. 14, Nr. 2, S. 86–87
The World Economic-Political Crisis and the Death Agony of US Imperialism: Draft Resolution on the Perspectives and Tasks of the Workers League, 1978, S. 38. Aus dem Englischen
Nathaniel Flakin, The Strange Story of Trotskyism in the Alps, Left Voice, June 23, 2022
https://www.leftvoice.org/the-strange-story-of-trotskyism-in-the-alps/
How the GPU Murdered Trotsky, S. 13–14. Aus dem Englsichen