US-Arbeitsministerin Julie Su flog am Montag nach Seattle, um mit Gewerkschafts- und Unternehmensvertretern zu sprechen. Ziel der Reise ist, einen vierwöchigen Streik von 33.000 Boeing-Arbeitern zu beenden, wie Reuters berichtete.
Die Entsendung von Su ist nach einer Reihe von Erklärungen in der vergangenen Woche der bisher deutlichste Akt der Regierung gegen den Streik. Zwar wird Su ihre Tätigkeit unweigerlich hinter Phrasen über eine „gerechte Einigung“ verbergen, doch ihre Aufgabe besteht darin, in enger Zusammenarbeit mit dem Gewerkschaftsapparat der International Association of Machinists (IAM) einen für das Management günstigen Tarifabschluss durchzusetzen.
Letztes Jahr reiste Su an die Westküste, als Hafenarbeiter spontane Streiks begonnen hatten. Die Arbeiter protestieren mit der Aktion gegen die Tatsache, dass sie bereits ein Jahr lang ohne neue Tarifvereinbarung arbeiteten. Innerhalb weniger Tage handelte Su einen neuen Vertrag aus, den die Gewerkschaft International Longshore and Warehouse Union (ILWU) schnell durchboxte. Wenn sie nun persönlich nach Seattle geschickt wird, deutet dies darauf hin, dass das Weiße Haus den Streik in den nächsten Tagen beenden will.
Die Lage ist brenzlig. Die Boeing-Arbeiter brauchen eine neue Strategie. Diese muss auf dem Verständnis basieren, dass sie nicht nur gegen Boeing, sondern auch gegen die Regierung und die gesamte Kapitalistenklasse kämpfen. Die Arbeiter bei Boeing müssen in ihrem Unternehmen ein Aktionskomitee gründen und aufbauen und sich darüber mit Arbeitern in den gesamten USA und auf der ganzen Welt vernetzen. Der IAM-Apparat wollte keinen Streik und versucht nun, die Arbeiter ins Leere laufen zu lassen. Der Aufstand der Boeing-Arbeiter gegen die Gewerkschaftsfunktionäre muss mit einem breiteren Kampf gegen Ausbeutung und Krieg verbunden werden.
Das Weiße Haus ist entschlossen, einen Streik gegen einen großen Rüstungskonzern zu unterbinden, da die US-Regierung derzeit einen Krieg gegen den Iran vorbereitet. Die Vereinigten Staaten kündigten an, eigene Soldaten und Luftverteidigungssysteme nach Israel zu verlegen, um sich in den Konflikt hineinziehen zu lassen. Über ein Jahr lang hat Washington den Völkermord Israels in Gaza unterstützt und bewaffnet. Die gegenwärtige Eskalation zielt darauf ab, die Vorherrschaft der USA über den Nahen Osten und seine wichtigsten Energieressourcen und Versorgungswege zu sichern.
Die Biden-Regierung hat vor ihrer jetzigen Intervention bei Boeing für die Beendigung eines dreitägigen Streiks in den Häfen an der Ost- und Golfküste gesorgt. Das Weiße Haus nutzte auch dabei die nationalistische, unternehmensfreundliche Gewerkschaftsbürokratie, die Biden als seine „Nato im Inland“ bezeichnet. Mithilfe der Gewerkschaften wird die innenpolitische Opposition gegen die Kriege des US-Imperialismus im Ausland unterdrückt sowie gegen die Arbeiterklasse im Inland vorgegangen.
Boeing ist sich der Unterstützung der Regierung sicher. Das Unternehmen ist in die Offensive gegangen und kündigte am vergangenen Freitag an, dass es 10 Prozent seiner weltweiten Belegschaft, d. h. 17.000 Mitarbeiter, entlassen werde.
Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über einen Vergleich im Zusammenhang mit zwei tödlichen Unfällen in Boeing-Flugzeugen, bei denen 346 Menschen ums Leben kamen, stellten die Anwälte des Unternehmens jüngst die arrogante Behauptung auf, dass der Luftfahrtriese „eine Säule der nationalen Wirtschaft und der nationalen Verteidigung“ sei und daher keine strengeren Strafen für die massiven Sicherheitsprobleme in Boeing-Flugzeugen bekommen sollte. Insbesondere warnte ein Anwalt vor Einbrüchen im Verteidigungsbereich, und dass die „globale und nationale Lieferkette“ gefährdet sei, wenn der aktuelle Vergleich nicht zustande käme.
Dieses Thema wird in den Leitmedien aufgegriffen. Am Sonntag veröffentlichte das Wall Street Journal einen Leitartikel, in dem Boeing-Arbeiter beschuldigt wurden, „Boeing in Geiselhaft zu nehmen“. In Wirklichkeit sind es Boeing und seine Aktionäre, welche die Volkswirtschaft in Geiselhaft nehmen, indem sie als Vergeltung für den Streik mit Massenentlassungen drohen.
Im Journal heißt es weiter: „Der Streik hat zwar nicht das gleiche Potenzial, die US-Wirtschaft lahmzulegen wie der Streik der Hafenarbeiter, könnte aber größere Folgen für die nationale Sicherheit haben. Der Streik verzögert die Produktion von Militärjets, und die Entlassungen könnten die Forschung und Entwicklung im Bereich Verteidigung und Raumfahrt einschränken.“
Jerry White, der Kandidat der Socialist Equality Party für das Amt des US-Vizepräsidenten, verurteilte die Biden-Regierung für ihre Versuche, den Streik zu beenden.
„Indem sie interveniert, um den Streik zu beenden, verteidigt die Biden-Regierung kriminelle Unternehmen, die in den Tod von Hunderten von Menschen verwickelt sind“, schreibt White. “Die unerbittliche, gewinnorientierte Kostensenkung hat über Jahre hinweg zu massiven Sicherheitsproblemen bei den 737 MAX-Flugzeugen des Unternehmens geführt, darunter zwei tödliche Abstürze in den Jahren 2018 und 2019. Darüber hinaus wurden die verdächtigen Todesfälle zweier Boeing-Whistleblowern noch nicht angemessen aufgeklärt. Diese Menschen wurden dem Profit geopfert.“
White verurteilt auch die Eskalation des Kriegs im Nahen Osten und den Völkermord in Gaza. Er bemerkt: „Die Bomben, die Israel – der Kampfhund der USA im Nahen Osten – auf die wehrlose Bevölkerung von Gaza regnen lässt, werden in den USA hergestellt und vom Weißen Haus so schnell wie möglich nach Israel geliefert.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Er betont die Notwendigkeit einer vollständigen Mobilisierung der gesamten Arbeiterklasse, „die ein Interesse an diesem Streik hat, weil es nicht nur ein Kampf gegen die Führungskräfte von Boeing ist, sondern gegen das gesamte kapitalistische Profitsystem, das alle Entscheidungen dem Profit unterordnet.“
White fügt hinzu: „Die unkontrollierte Macht von Boeing und den anderen Großkonzernen muss gebrochen und ihre Vermögen für die menschlichen Bedürfnissen eingesetzt werden, nicht die Wall Street. Ich rufe die Arbeiter auf: Kämpft für die Umwandlung von Boeing und anderen wesentlichen Industrien in öffentliche Versorgungsunternehmen, die demokratisch von den Arbeitern selbst geführt werden.“
Boeing-Mechaniker: „Jetzt, da der Streik an den Häfen beendet ist, können sie sich auf uns konzentrieren.“
Ein Boeing-Mechaniker sagte gegenüber der WSWS: „Jetzt, da der Streik an den Häfen beendet ist, können sie sich auf uns konzentrieren. Es ist wie 2022 bei den Eisenbahnen. Die Eisenbahner wurden verarscht. Ich hoffe wirklich, dass uns das nicht passiert.“
Und weiter: „Die Entlassungen sind auch ein Teil davon. Ich habe mit einem befreundeten Ingenieur gesprochen, und alle sind sehr besorgt darüber, wie sich das auf sie auswirken wird. Sie werden nicht nach Dienstalter entlassen, also könnte er, obwohl er schon seit 20 Jahren dabei ist, entlassen werden.“
„Meine Freunde, Mechaniker, fragen immer wieder, wann wir wieder Streikposten beziehen. Die sind wirklich ausgedünnt, und die IAM hat keine neuen Streikpostenkarten verschickt. Es gibt also keinen wirklichen Plan für Streikposten, wie es zu Beginn des Streiks der Fall war.“
„Die Leute haben sich nach anderen Jobs umgesehen, weil das Streikgeld (250 US-Dollar pro Woche) nicht ausreicht. Das bedeutet auch, dass weniger Leute Streikposten beziehen. Ich kenne auch mehrere Kollegen aus Vietnam, die nach der ersten Woche oder so nach Hause gefahren sind, um bei ihrer Familie zu bleiben. Sie werden nach dem Streik zurückkommen, aber sie konnten es sich nicht leisten, zu bleiben.“
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