In der Nacht zum 17. Oktober wurde Robert Roberson aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Obersten Gerichtshofs von Texas in letzter Minute von der Hinrichtung durch tödliche Injektion verschont. Die dadurch vorübergehend angehaltene Kampagne, den unschuldigen Mann hinzurichten, steht sinnbildlich für das „Justiz“-System in Amerika.
Robersons Hinrichtung wurde aufgeschoben, doch der grausame Prozess der staatlich sanktionierten Tötungen geht weiter. Noch während in Texas um Robersons Schicksal gerungen wurde, vollstreckte Alabama Derrick Dearmans Hinrichtung durch die Giftspritze.
Die Verzögerung im Fall Roberson kam am Donnerstag nach einem heftigen Schlagabtausch juristischer Schritte, während die letzten Bemühungen um sein Leben durch verschiedene Gerichte gingen. Bundesstaatsabgeordnete beantragten einen Aufschub, damit Roberson am Montag, den 21. Oktober, zu einer Anhörung vor der texanischen Legislative erscheinen kann, um darüber auszusagen, wie das Landesgesetz über „Junk Science“ Häftlingen wie Roberson hilft, die auf der Grundlage wissenschaftlich entkräfteter Beweise verurteilt worden sind.
Ein Richter des Bezirks Travis erließ eine einstweilige Verfügung, die die Hinrichtung von Roberson nur wenige Stunden vor dem für 18:00 Uhr angesetzten Termin stoppte. Der Bundesstaat legte jedoch gegen die Entscheidung des Richters Berufung beim texanischen Berufungsgericht ein, das die Verfügung aufhob und die Hinrichtung noch vor Ablauf der Frist um Mitternacht erlaubte. Gegen diese Entscheidung legten die Gesetzgeber wiederum Berufung beim Obersten Gerichtshof von Texas ein, der um 22:00 Uhr seine Entscheidung verkündete und damit die Hinrichtung von Roberson für mindestens 90 Tage aussetzte.
Während die Sekunden und Minuten verstrichen und sich dieser Prozess abspielte, saß Roberson in seiner Gefängniszelle im Todestrakt von Huntsville und wusste nicht, ob er bald durch eine tödliche Injektion getötet werden würde.
Nicht nur ist Robert Roberson ein unschuldiger Mann – der Staat Texas versucht unter der Führung des faschistischen Gouverneurs Gregg Abbott und seines ebenso üblen Generalstaatsanwalt Ken Paxton, ihn für ein Verbrechen hinzurichten, das nie stattgefunden hat.
Roberson wurde 2003 verurteilt, seine zweijährige Tochter Nikki durch das „Shaken Baby Syndrome“ (SBS) getötet zu haben. Die Kriterien, nach denen die Behörden den Tod der Tochter infolge von SBS diagnostizierten, sind inzwischen von medizinischen Experten widerlegt worden. Ihr Tod war in Wirklichkeit die tragische Folge einer nicht diagnostizierten Lungenentzündung und der Verschreibung unangemessener Medikamente, die zu einer Sepsis führten, an der sie verstarb.
Roberson konnte diese neuen Beweise nie vor Gericht vorlegen, obwohl diese eindeutig belegen, dass er Nikki nicht gewaltsam geschüttelt hat und ihr Tod das tragische Ende einer zweijährigen Krankheit war. Die Weigerung der Gerichte, den Fall erneut zu verhandeln, missachtet insbesondere die ärmlichen Verhältnisse, in denen sie und ihr Vater lebten; Schwierigkeiten, die durch Robersons nicht diagnostizierten Autismus noch verstärkt wurden.
Seine Berufungen wurden jedoch immer wieder abgelehnt: 2007 vom texanischen Berufungsgericht, 2015 vom US-Berufungsgericht des fünften Bezirks, 2023 erneut vom Berufungsgericht und 2023 vom Obersten Gerichtshof der USA. Eine weitere Berufung beim CCA wurde am 11. Oktober 2024 abgelehnt, und das Bezirksgericht von Anderson County wies die Argumente von Roberson zurück, dass seine frühere Richterin nicht ordnungsgemäß mit seinem Fall betraut war und dass ihre Voreingenommenheit ihre Entfernung aus dem Fall rechtfertigte.
Der Oberste Gerichtshof der USA lehnte am Donnerstag Robersons Berufung auf einen Aufschub der Hinrichtung ab. In einer bemerkenswerten Stellungnahme erklärte die liberale Richterin Sonia Sotomayor, „die Ablehnung“ von Robersons Berufung zu respektieren und dass „ein Aufschub zwingend erforderlich ist, der eine Prüfung von Robersons glaubwürdigen Behauptungen über seine tatsächliche Unschuld ermöglicht; dennoch ist dieses Gericht nicht in der Lage, ihn zu gewähren. Das bedeutet, dass nur ein einziger Weg für Abhilfe offen bleibt: eine Begnadigung durch die Exekutive.“
Mit anderen Worten: Eine große Ungerechtigkeit ist geschehen, die einen unschuldigen Mann in den Todestrakt gebracht hat. Doch der einzige Weg, Gerechtigkeit für Roberson zu erringen, führte über den blutrünstigen Abbott, der sich bereits geweigert hatte, ihn zu begnadigen, und in nahezu zehn Jahren 73 Hinrichtungen beaufsichtigt und nur eine Begnadigung gewährt hat.
Die Behörden, die diese staatlichen Morde durchführen, kümmern sich nicht um solche Formalitäten wie ein ordnungsgemäßes Verfahren, einen angemessenen Rechtsbeistand oder auch nur darum, ob die Person schuldig oder unschuldig ist. Die Brutalität der Todesstrafe wird von den Behörden und der Bundesregierung nicht nur als Knüppel gegen diejenigen eingesetzt, die den ultimativen Preis bezahlen, sondern auch als Erinnerung der gesamten Bevölkerung, wer das Sagen hat.
Im Jahr 2024 wurden bisher neunzehn Hinrichtungen vollstreckt, darunter zwei Fälle, in denen zwei Insassen der Todeszelle am selben Tag hingerichtet wurden. Einer dieser Männer war Marcellus „Khaliifah“ Williams, der am 24. September 2024 durch tödliche Injektion starb.
Wie Roberson erhielt auch Williams überwältigende Unterstützung, um seine Hinrichtung zu stoppen. Mehr als eine Million Menschen unterzeichneten eine Petition um seine Begnadigung. Es besteht kein Zweifel daran, dass Williams an dem Mord an der Reporterin Felicia Gayle aus St. Louis im Jahr 1998 unschuldig war. Keiner der physischen Indizien – blutige Fingerabdrücke, Fußabdrücke und Haare – brachte ihn mit dem Tatort in Verbindung. Vielmehr wurde er von einem ehemaligen Zellengenossen und einer Ex-Freundin, die inzwischen beide verstorben sind, beschuldigt, die damit eine staatliche Belohnung anstrebten.
Williams beteuerte bis zu seinem Tod seine Unschuld. Gegen seine Hinrichtung wehrten sich Gayles Familie, die Geschworenen, die ihn ursprünglich zum Tode verurteilt hatten, und die Staatsanwaltschaft, die ihn verurteilt und versucht hatte, die Verurteilung rückgängig zu machen.
Wie Williams genießt auch Roberson breite Unterstützung. Dazu zählen unter anderem der leitende Ermittler in seinem Fall, eine parteiübergreifende Gruppe texanischer Abgeordneter, Autismus-Experten, das Innocence Project und andere.
Mindestens sechs weitere Insassen des Todestrakts sollen noch vor Ende des Jahres sterben. Doch die Kandidaten der beiden Parteien des Großkapitals befürworten diese staatlichen Tötungen am Fließband. Donald Trump beaufsichtigte die Hinrichtung von 13 zum Tode Verurteilten, darunter drei zwischen seinem faschistischen Putschversuch vom 6. Januar 2021 und seinem Ausscheiden aus dem Amt. Er spricht geifernd darüber, Drogendealer hinzurichten und das Militär gegen seine linken Gegner zu mobilisieren.
Vizepräsidentin Kamala Harris hat sowohl zu der Flut von Hinrichtungen im Vorfeld der Wahl als auch zu Robersons und Williams’ Unschuldsbeteuerungen geschwiegen. Als kalifornische Generalstaatsanwältin versprach sie, „die Todesstrafe so zu vollstrecken, wie es das Gesetz vorschreibt“, eine Haltung, die sie auch im US-Senat und jetzt als Präsidentschaftskandidatin beibehält. Es ist bemerkenswert, dass die Demokratische Partei ein Lippenbekenntnis zur Abschaffung der Todesstrafe aus ihrem diesjährigen Wahlprogramm gestrichen hat und die barbarische Praxis damit stillschweigend unterstützt.
Harris folgt damit dem Beispiel der Biden-Regierung und der beiden vorherigen demokratischen Präsidenten. Joe Biden warb im Wahlkampf mit dem Versprechen, die Todesstrafe auf Bundesebene abzuschaffen, doch im Januar 2024 gab sein Justizministerium bekannt, die Todesstrafe für den weißen Rassisten anzustreben, der im Mai 2022 bei einem Massaker in einem Supermarkt in Buffalo zehn Afroamerikaner getötet hatte.
Barack Obama wandelte die Todesurteile von zwei Bundesgefangenen um, beließ jedoch 62 Menschen in den Todeszellen der Bundesgefängnisse. Während er früher erklärte, „zutiefst besorgt“ über die Todesstrafe zu sein, sagte er während seiner Amtszeit, dass die Todesstrafe für diejenigen angewendet werden sollte, die sich „besonders abscheulicher Verbrechen“ schuldig gemacht haben.
1996 unterzeichnete Bill Clinton den Antiterrorism and Effective Death Penalty Act, der das Recht der Insassen der Todestrakte auf Einreichung von Habeas-Corpus-Petitionen auf Bundesebene stark beschnitt. Während seines Präsidentschaftswahlkampfs 1992 als Gouverneur von Arkansas flog Clinton zurück in den Bundesstaat, um die Hinrichtung eines schwer geistig eingeschränkten Häftlings sicherzustellen.
All diese Ansätze zur Vollstreckung der Todesstrafe sind ebenso unaufrichtig wie reaktionär. Unter welchen Umständen ist es akzeptabel, dass der Staat seine eigenen Bürger tötet? Tatsache ist, dass die Todesstrafe weder von der Verübung von Verbrechen abschreckt, noch den Opfern von Gewaltverbrechen Trost bietet. Sie ist vielmehr ein Mittel, mit dem die amerikanische herrschende Klasse versucht, ihre Herrschaft inmitten wachsender sozialer Ungleichheit und zunehmender Aufstände der Arbeiterklasse zu sichern.
Die Vollstreckung der Todesstrafe durch die herrschende Klasse im Inland spiegelt die Rolle des US-Imperialismus auf Weltebene wider, wo er ebenso ungestraft mordet. Joseph Kishore, Präsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party (US), erklärte zur drohenden Hinrichtung von Robert Roberson:
Die Todesstrafe ist eine barbarische Institution, die als Terrorinstrument des Staates dient. Das US-amerikanische Strafrechtssystem, das seine eigenen Bürger mit solch gefühlloser Gleichgültigkeit tötet, ist der innenpolitische Ausdruck derselben herrschenden Klasse, die im Ausland imperialistische Kriege führt und völkermörderische Gewalt verübt, darunter das andauernde Abschlachten der Palästinenser in Gaza.
Wir erleben, dass die herrschende Elite selbst in Kriminalität versinkt. Die Macht des Staates, Unschuldige zu töten, steht sinnbildlich für die allgemeine Gewalt des amerikanischen Kapitalismus, eines Systems, das im In- und Ausland Leben zerstört. Robert Robersons Hinrichtung wird ein weiterer Blutfleck auf einem System sein, das völlig unfähig ist, sich zu reformieren.
Die World Socialist Web Site berichtet seit Langem über die mehr als 1.600 Hinrichtungen, die seit der Wiedereinführung der Todesstrafe durch den Obersten Gerichtshof der USA im Jahr 1976 vollstreckt wurden, und kämpft dagegen. Wir haben mehr als 300 Artikel gegen die Todesstrafe veröffentlicht, in denen wir die Notlage derer aufzeigen, die den ultimativen Preis für dieses unterdrückerische System der Klassenherrschaft zahlen mussten.
Das Fortbestehen der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten entlarvt die Kriminalität und Gewalt des gesamten kapitalistischen politischen und wirtschaftlichen Systems. Robert Roberson muss freigelassen werden und diese längst überholte Strafe, die in überwältigender Weise gegen Arbeiter und Arme verhängt wird, muss abgeschafft werden.