Sozialistische Gleichheitspartei in Stuttgart: „Die Zukunft wird durch das entschieden, was wir tun“

Auf der Stuttgarter Königstraße organisierte die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) am Samstagnachmittag, 25. Januar, ihre erste Kundgebung in diesem Bundestagswahlkampf. Die SGP, Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), kämpft als einzige Partei gegen Krieg, Faschismus, Völkermord und Massenentlassungen und für ein sozialistisches Programm.

In der belebten Einkaufsstraße in Stuttgarts Zentrum war die Kundgebung nicht zu übersehen. Auf großen Plakaten stand in mehreren Sprachen: „Stoppt den Krieg“, auch: „Stoppt den Genozid in Gaza“, und: „Zwei Weltkriege sind genug“. Etwa 20 Arbeiter und junge Menschen versammelten sich, als Marianne Arens von der World Socialist Web Site begann, das SGP-Wahlprogramm zu erläutern.

Marianne Arens an der Stuttgarter Kundgebung, Samstag, 25. Januar 2025

„Unser Ziel ist nicht die Reform des Kapitalismus, sondern seine Abschaffung“, rief Arens. Das kapitalistische Gesellschaftssystem bringe nur noch soziale Zerstörung, Krieg und Umweltkatastrophen hervor. In den USA sei Donald Trump an die Macht gekommen, um eine Diktatur nach Hitlers Vorbild im Namen einer superreichen schmalen Oberschicht zu errichten. „Das reichste eine Prozent an der Spitze besitzt mehr Vermögen als die übrigen 99 Prozent.“

Die Herrschaft dieser milliardenschweren Oligarchie vertrage sich nicht mit Demokratie, fuhr sie fort, sondern führe zwangsläufig zu Krieg und Diktatur. Das sei in Deutschland nicht anders, auch hier gehe die herrschende Klasse denselben Weg. Parallel zu Trumps Angriffen auf Migranten in den USA werde auch hier Flüchtlingshetze und Law-and-Order-Politik durchgesetzt. „Wir warnen die Arbeiterklasse: Auf dem Altar des Krieges wollen die Herrschenden alles opfern: die Löhne, die Arbeitsbedingungen, die Renten, die Kultur und die demokratischen Rechte.“

Sie forderte alle Zuhörer auf, selbst aktiv zu werden. Die Arbeiterklasse sei eine große Macht. Sie schaffe den ganzen gesellschaftlichen Reichtum. „Und warum sollten die Arbeiter da nicht auch in der Lage sein, sich und ihre Familien zu verteidigen, sich international zusammenzuschließen und den Kapitalismus abzuschaffen?“

Inzwischen hatten sich mehrere Gruppen von Zuhörern um die Kundgebung gebildet. Auch der reich bestückte Büchertisch zog viele an. Dutzende nahmen das Wahlprogramm mit, um es in Ruhe zuhause zu lesen, und mehrere ließen ihre Kontaktdaten da. Eine Teilnehmerin sagte, dass es bei dieser Wahl wirklich schwer falle, sich noch für eine Partei zu entscheiden, da die Spitzenpolitiker aller etablierten Parteien einen derart rechten Kurs einschlügen.

SGP-Vorstandsmitglied K. Nesan an der Stuttgarter Kundgebung, 25. Januar 2025

Nun ergriff K. Nesan, Mitglied des SGP-Vorstands, das Wort. Er sprach über die Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhne in der Industrie und erklärte den Zusammenhang zwischen den Massenentlassungen und der Kriegspolitik. Gerade im Großraum Stuttgart und in Baden-Württemberg sind derzeit tausende Arbeitsplätze bei Mercedes, Mahle und Bosch und vielen weiteren Produktionsbetrieben in Gefahr.

„Die Regierung, die Auto- und die Zulieferindustrie sehen in der Umstellung auf Elektromobilität eine goldene Gelegenheit zur Arbeitsplatzvernichtung und Gewinnmaximierung“, sagte Nesan. Dies bedrohe alle sozialen Errungenschaften, die die Arbeiter sich in den letzten Jahrzehnten erkämpft haben. Er berichtete über die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen bei Mercedes, wo ein beispielloses Sparprogramm umgesetzt wird, und über die Drohungen des Bosch-Chefs Stefan Hartung, noch mehr als die schon angekündigten 12.000 Stellenstreichungen durchzusetzen.

Die IG Metall sei in diese Angriffe unmittelbar integriert. „Die Gewerkschaften fungieren als Werkspolizei, die jede unabhängige Aktion der Arbeiter in den Betrieben untergräbt“, so der Redner. „Ihre Aufgabe ist es, die Profitinteressen der Unternehmen zu erfüllen und die Beschäftigten daran zu hindern, gegen Lohnkürzungen, Entlassungen, Umstrukturierungen und Betriebsschließungen zu kämpfen.“

In den Betrieben wachse die Unruhe, und die Arbeiter verstünden die Rolle der Gewerkschaften immer besser, fuhr er fort. „Ihre langen Erfahrungen mit den Machenschaften der Bürokratie führen unweigerlich zu einer Rebellion.“

Um die Arbeiter unabhängig von diesen Bürokraten zu organisieren, hat das Internationale Komitee im April 2021 die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) gegründet. Solche Aktionskomitees, zitierte Nesan, werden sich „allen Formen des nationalen Chauvinismus und der ausländerfeindlichen Hetze entgegenstellen, die von der herrschenden Klasse eingesetzt werden, um die Arbeiter gegeneinander auszuspielen.“

Er ging auf den Zusammenhang zwischen den Massenentlassungen und der aggressiven Kriegspolitik der herrschenden Klasse ein und erklärte, dass die Arbeitsplätze nur verteidigt werden könnten, wenn diese „Beziehung zwischen den Kriegsvorbereitungen und den sozialen Angriffen“ verstanden würde. „Ohne das kann kein einziger Arbeitsplatz verteidigt werden.“

Als Dritter sprach Florian Hasek im Namen der IYSSE (International Youth and Students for Social Equality). Er schilderte, welche Folgen der Kriegshaushalt für Bildung und Wissenschaft hat: Nicht nur in Berlin sei der Senat dabei, ein brutales Spardiktat umzusetzen, auch in Baden-Württemberg „sollen allein nächstes Jahr ganze 91 Millionen Euro an den Hochschulen zusammengestrichen werden. Die Universität Stuttgart muss beispielsweise jährlich rund 10 Millionen Euro einsparen. Das bedeutet die Streichung von Studiengängen, Professuren, die nicht neu besetzt werden, und Kürzungen bei anderen Leistungen für Studierende.“

Daneben werde die Wiederherstellung der „Kriegstüchtigkeit“, wie Pistorius sie fordert, von einer ideologischen Offensive begleitet: „Immer mehr sogenannte Jugendoffiziere der Bundeswehr strömen in Schulen und Universitäten und versuchen ihre Propaganda in die Köpfe der Jugendlichen zu quetschen. Und mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht soll dem deutschen Imperialismus nun das Menschenmaterial gegeben werden, das er für seine Kriege braucht.“

Hasek verwies auf das Beispiel der Ukraine, „wo in dem Nato-Krieg gegen Russland hunderttausende junge russische und ukrainische Männer abgeschlachtet werden“, während jede Opposition gegen den Krieg unterdrückt werde. „So wurde unser Genosse Bogdan Syrotjuk am 25. April 2024 vom ukrainischen Sicherheitsdienst SBU festgenommen und seither in einem Gefängnis in Nikolajew unter grausamen Bedingungen festgehalten.“

Hasek rief alle Teilnehmer und Zuhörer auf, sich für Bogdans Verteidigung einzusetzen und sich dem Kampf gegen Krieg und Kapitalismus anzuschließen.

Lebhafte DIskussionen an der Stuttgarter Kundgebung vom 25. Januar 2025. Mitte links: Ulrich Rippert

Zuletzt erläuterte der SGP-Ehrenvorsitzende Ulrich Rippert, welche Bedeutung es hat, wenn die Arbeiterklasse wieder an ihre historischen Traditionen anknüpft. Durch das Einkaufsgetümmel des Samstagnachmittags klang seine Stimme klar und deutlich, als er ausrief: „Die Zukunft wird nicht im Kanzleramt und auch nicht im Bundestag entschieden – die Zukunft wird durch das entschieden, was wir tun.“ Die Arbeiterklasse brauche ihre eigene Partei, um selbstständig ins politische Geschehen einzugreifen, die Banken, die großen Konzerne und die Oligarchen zu enteignen und ihre eigenen sozialen und demokratischen Rechte durchzusetzen.

Er fuhr fort: „Jeder in diesem Land weiß, was Aufrüstung, was der Aufstieg der AfD, was Trump und sein ‚Amerika über alles!‘ bedeutet. Jeder weiß, wohin das führt: zu Weltkrieg und faschistischer Diktatur.“

Er erinnerte die Stuttgarter Arbeiter daran, dass in dieser Stadt im Jahr 1907 der große sozialistische Antikriegskongress stattgefunden hatte, der wegweisende Beschlüsse für das Handeln der internationalen Arbeiterklasse im Falle eines Kriegsausbruchs zwischen ihren Ländern gefasst hatte. „Deutschland ist nicht nur das Land der Nazis, das Land Hitlers, das Land der größten Kriegsverbrechen der Geschichte. Es ist auch das Land, wo die Wiege der sozialistischen Bewegung stand. Deutschland ist auch das Land von Karl Marx und Friedrich Engels. Es ist das Land von Rosa Luxemburg und August Bebel. Gerade hier in Stuttgart hat die revolutionäre sozialistische Tradition der Arbeiterklasse tiefe Wurzeln.“

Zu der heutigen Kanzlerpartei SPD sagte Rippert, sie habe ihre letzten Wurzeln in der Arbeiterklasse schon vor vielen Jahren völlig gekappt. Zuletzt habe die SPD unter Kanzler Olaf Schulz „die Zeitenwende in der Kriegspolitik ausgerufen und in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften für eine drastische Senkung der Reallöhne gesorgt“. Die SPD sei bereit, nach der Bundestagswahl mit dem „Black-Rock-Manager Friedrich Merz“ eine Koalition zu bilden.

Die Grünen, die in Baden-Württemberg gemeinsam mit der CDU regieren, hätten sich zwar bei ihrer Gründung in den 1980er Jahren noch in Pazifismus und Umweltschutz gehüllt. „Heute haben sie die Klasseninteressen ihrer wohlhabenden Klientel endgültig übernommen. Kanzlerkandidat Habeck fordert eine Verdreifachung des Wehretats, und die sogenannte feministische Außenpolitik von Annalena Baerbock gipfelt in der Unterstützung des Massakers an palästinensischen Frauen und Kindern in Gaza, wo Tausende und Hunderttausende abgeschlachtet werden.“

Die Linke habe sich seit ihrem Bundesparteitag von den letzten pazifistischen Phrasen verabschiedet: „Sie unterstützt heute Nato-Waffenlieferungen in die Ukraine und das ‚Selbstverteidigungsrecht‘ Israels.“ Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht habe nichts mit Antimilitarismus zu tun, sondern vertrete einen völlig nationalistischen Standpunkt.

Arbeiter müssten heute an ihre eigene historische Tradition anknüpfen: „In derselben Art und Weise, wie die herrschende Klasse an Faschismus und Krieg anknüpft, so muss die Arbeiterklasse an ihre revolutionäre sozialistische Tradition der Vergangenheit anknüpfen.“

Rippert betonte: „Zwei Weltkriege sind bei weitem genug. Nicht noch einmal!“ Er brachte zum Schluss die Bedeutung der Stuttgarter Kundgebung auf den Punkt, die gezeigt hat, dass eine Partei existiert, die sich nicht einschüchtern lässt, und die als Antwort auf die Entwicklung zu Krieg und Faschismus die Arbeiter weltweit zur Vereinigung aufruft, wie es im Kommunistischen Manifest heißt: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Die nächsten Kundgebungen der Sozialistischen Gleichheitspartei finden am Samstag, den 1. Februar, an folgenden Orten statt:

Duisburg, Hamborner Altmarkt 28, 12:00 Uhr
Frankfurt am Main, Brockhaus-Brunnen, Zeil 87, 14:00 Uhr
Leipzig, Historischer Markt, 16:30 Uhr.

Alle aktuellen Termine sind hier zu finden.

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