Dass der DGB und die Einzelgewerkschaften die Kriegspolitik der Bundesregierung unterstützen, ist nicht neu. Bereits mehrfach haben ihre Spitzenfunktionäre an Treffen der Konzertierten Aktion im Kanzleramt teilgenommen.
Dass aber der DGB am 86. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, des Beginns des Zweiten Weltkriegs, im Namen aller Einzelgewerkschaften zu Kundgebungen für militärische Aufrüstung aufruft und Kriegspropaganda betreibt, ist eine neue Dimension der Rechtswende der Gewerkschaften.
Es zeigt, wie stark die gewerkschaftlichen Apparate in die Regierungspolitik eingebunden sind und wie dringend es ist, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, um die bürokratische Kontrolle der Gewerkschaften zu durchbrechen und den Kampf gegen Entlassungen und Sozialabbau mit dem Kampf gegen Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit zu verbinden.
Der DGB-Aufruf beginnt mit ein paar abgedroschenen Phrasen über „multilaterale Konfliktlösungen“ im Rahmen der UNO „mit den Mitteln der Diplomatie und wirksamer Krisenprävention“, gefolgt von der Klage über die „Wiedergeburt einer verhängnisvollen Denk- und Handlungslogik“, die die „Stärke des Völkerrechts“ durch das „Recht des Stärkeren“ ersetze. Dann folgt eins zu eins Regierungspropaganda.
Die Bundesregierung hat den Wahlsieg von Trump in den USA genutzt, um eine wahnwitzige militärische Aufrüstung von über einer Billion Euro einzuleiten. Sie begründet das damit, dass mit Trump die europäischen Sicherheitsinteressen nicht mehr garantiert seien und dass Deutschland daher einen starken militärischen Beitrag zur Aufrüstung Europas leisten müsse. So könne Europa als angebliche „Friedensmacht“ in die wachsenden Konflikte zwischen den USA, China und Russland eingreifen.
Tatsächlich verfolgt die Bundesregierung keine Friedens-, sondern eine Kriegspolitik. Sie nutzt die Trump-Wahl, um zur Großmachtpolitik zurückzukehren, die sie seit langem vorbereitet hat, und die eigenen Wirtschaftsinteressen mit Gewalt durchzusetzen, wie es der deutsche Imperialismus bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg getan hat.
Der DGB macht die „Großmachtkonkurrenz zwischen den USA, China und Russland“ dafür verantwortlich, dass „Interessen mit Waffengewalt verfolgt“ werden und „militärische Aggression als legitimes Mittel der Politik betrachtet“ wird. „In ihrem Ringen um geopolitischen und geoökonomischen Einfluss forcieren sie eine Politik der Konfrontation und Blockbildung“, wirft ihnen der DGB vor.
Die europäischen und deutschen Mächte sind dagegen nur Opfer dieser Entwicklung und wahre Friedensengel. Auf „das Schutzbündnis mit den USA“ sei „kein Verlass mehr“, klagt der DGB. Als würden führende Vertreter der deutschen Regierung nicht seit Jahren dafür werben, dass Deutschland, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, militärisch wieder eine weltpolitische Rolle spielt, die ihrem wirtschaftlichen Gewicht entspricht.
Der DGB bezeichnet Russland als „Großmacht“ und warnt, dass die EU mit ihrem zehnmal höheren Bruttoinlandsprodukt (BIP) „zum Spielball rivalisierender Großmachtinteressen“ werde. Daraus leitet er seine Unterstützung für den deutschen Militarismus ab: „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sehen deshalb durchaus die Notwendigkeit, in Deutschland und Europa die gemeinsame Verteidigungsfähigkeit zu stärken.“ Das ist der Kernsatz der DGB-Erklärung.
Während die Bundeswehr überall Rekrutierungsplakate mit der Parole „Wie weit gehst du für unsere Demokratie?“ aufhängen lässt, verbreitet der DGB am Antikriegstag einen Aufruf, in dem es am Ende heißt: „Wir brauchen eine klares gemeinsames Bekenntnis, worum es uns bei der Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit eigentlich geht – nämlich um die Verteidigung unserer liberalen Demokratie…“
Schon vor zwölf Jahren, im Frühjahr 2013, hatten sich der damalige DGB-Chef Michael Sommer und die Vorsitzenden der acht DGB-Gewerkschaften mit dem amtierenden Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) getroffen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärten sie anschließend, das Treffen bilde den Auftakt zu einem intensiveren Dialog zwischen dem DGB und der Bundeswehr. Eine enge Zusammenarbeit sei geplant.
Wir schrieben damals:
Die Allianz zwischen den Gewerkschaften und der Bundeswehr muss Arbeitern eine Warnung sein. Die Gewerkschaften machen damit deutlich, dass sie nicht nur bereit sind, mit Polizeimethoden die Arbeiter in den Betrieben zu kontrollieren. Sie werden auch nicht davor zurückschrecken, die Anwendung militärischer Gewalt zu unterstützen, um eine revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse zu unterdrücken.
Seitdem nimmt die Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung, Gewerkschaftsführern und Armee ständig zu. Als die Aufrüstung vor zwei Jahren mit einem Hundert-Milliarden-Programm beschleunigt wurde, reagierte der DGB begeistert. Er bezeichnete die Aufrüstung als Konjunkturprogramm. Unmittelbar nach der „Zeitenwende“-Rede des damaligen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) gaben die IG Metall und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) eine gemeinsame Erklärung heraus. Darin betonten sie:
Die Spitzenvertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und der Industriegewerkschaft Metall, die auch Mitbegründer des Bündnisses „Zukunft der Industrie“ sind, unterstützen mit Nachdruck die von der Bundesregierung, der Europäischen Union und den westlichen Bündnispartnern verhängten Sanktionsmaßnahmen gegen Russland.
Der IG Metall-Vorstand unterstützt nicht nur die Kriegshysterie gegen Russland, er hat sich auch bereit erklärt, die verheerenden wirtschaftlichen Folgen der Sanktionspolitik – explodierende Sprit- und Energiepreise, hohe Inflation, Entlassungen, Kurzarbeit und Lohneinbußen – auf die Arbeiter abzuwälzen und jeden Widerstand dagegen zu ersticken.
Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem in den Kernbereichen der Industrie – insbesondere in der Auto-, Zuliefer- und Chemieindustrie sowie in fast allen Bereichen der Verwaltung – keine Massenentlassungen, Werkschließungen, Lohnsenkungen und kein Sozialabbau angekündigt werden. Die Gewerkschaft unterdrückt jeden Widerstand dagegen, sabotiert jeden ersthaften gemeinsamen Kampf und isoliert und begrenzt ihn auf fruchtlosen Protest.
Die Bundesregierung wälzt die Kosten der Aufrüstung mit massiven sozialen Angriffen auf die Bevölkerung ab. Kanzler Merz hat erklärt, dass der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar sei. Rentenkürzungen, Sparmaßnahmen im Bildungs- und Gesundheitssystem, Einschränkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall seien unvermeidbar. Der DGB unternimmt nichts dagegen. Er verlangt nur, dass der soziale Kahlschlag in engster Zusammenarbeit mit den Gewerkschaftsfunktionären im Rahmen der Mitbestimmung stattfindet.
Gleichzeitig unterstützt der DGB die Umstellung der Produktion auf Rüstung.
Als der Chef des größten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger, im Frühjahr Interesse an der Übernahme und Umnutzung von VW-Werken für die Produktion von Militärfahrzeugen und -ausrüstung bekundete, klatschte die IG Metall Beifall. Insbesondere das VW-Werk in Osnabrück hat Papperger als „sehr geeignet“ für eine Umstellung auf militärische Produktion bezeichnet.
Ferner wurde das Alstom-Werk in Görlitz, das traditionell Eisenbahnwaggons baute, mit Unterstützung der IG Metall an den Rüstungskonzern KNDS verkauft. Auch der bekannte Kölner Motorenhersteller Deutz will in das Rüstungsgeschäft einsteigen. Motoren für Radpanzer versprechen höhere Gewinne als Landmaschinen.
Die Meyer-Werft in Papenburg, die bisher riesige Kreuzfahrschiffe baut, wird bald auf Kriegsschiffe spezialisiert. Letzten Sommer hatten die Bundesregierung und das Land Niedersachsen – beide damals von der SPD geführt – der steinreichen Meyer-Familiendynastie mit 400 Millionen Euro Unterstützung und Bürgschaften von 2,8 Milliarden Euro aus der Krise geholfen.
Die IG Metall ist bei all diesen Deals eine treibende Kraft. Bereits im Februar 2024 schloss sie mit der SPD und der Rüstungsindustrie einen Aufrüstungspakt.
In einem gemeinsamen Positionspapier mit dem Titel „Souveränität und Resilienz sichern“ fordern IG Metall, SPD und Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) ein „umfassendes industriepolitisches Konzept für die Verteidigungsindustrie“, das darauf ausgerichtet ist, die „Leistungsfähigkeit der Industrie zu sichern und ihre Möglichkeiten zur Produktentwicklung und Produktproduktion relevanter Verteidigungssysteme in den Dimensionen Land, Luft und See zu ermöglichen“.
Die Unterstützung von Kriegspolitik, Rüstungsproduktion und Sozialkürzungen durch die Gewerkschaften ist nicht auf Deutschland beschränkt. In Frankreich entwickelt sich der Widerstand gegen den Sparhaushalt des verhassten Macron-Regimes zu einer Generalstreikbewegung. Die Gewerkschaftsführer versuchen, die Bewegung zu spalten, und tun alles, um den Widerstand zu sabotieren.
Besonders krass zeigt sich die Rolle der Gewerkschaftsführung in den USA. Dort fand Anfang der Woche, zeitgleich mit dem Anti-Kriegs-Tag hier, der traditionelle Labor-Day statt. An diesem „Tag der Arbeit“ taten die Gewerkschaften alles, um eine machtvolle Mobilisierung gegen die Diktatur- und Polizeistaatsmaßnahmen Trumps zu verhindern.
Die Socialist Equality Party (SEP) in den USA veröffentlichte an diesem Tag einen Aufruf „Nein zur Diktatur! Mobilisiert die Arbeiterklasse gegen Trumps Putsch!“, der auch für Arbeiter hier bedeutsam ist. Er endet mit den Worten:
Die Arbeiterklasse verfügt über immense gesellschaftliche Macht. Sie ist in der Lage, die Produktion lahmzulegen, die gesamte Wirtschaft zum Stillstand zu bringen und die herrschende Klasse zu stürzen. Diese Macht kann jedoch nur durch unabhängige Organisation und politische Klarheit verwirklicht werden.
An diesem Labor Day muss sich jeder Arbeitende der Schwere dieser Krise bewusst werden: Die Organisationen, die behaupten, eure Interessen zu vertreten, haben euch verraten; die Politiker, die um eure Stimme buhlen, haben euch getäuscht, und das kapitalistische System zerstört rücksichtslos euer Leben und das Leben eurer Kinder.
Die Aufgabe besteht nun darin, unabhängige Organisationen aufzubauen, die die Arbeitenden selbst führen – die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) – um eine unabhängige Bewegung in der Arbeiterklasse zu schaffen und sich auf die bevorstehenden Kämpfe vorzubereiten.
Die IWA-RFC ist auch in Europa und Deutschland aktiv. Melde dich über das untenstehende Formular, um mit ihr Kontakt aufzunehmen, und entscheide dich noch heute, ein Aktionskomitee in deinem Betrieb oder deinem Wohnviertel zu gründen!