Kommunalwahlen in NRW: Wie SPD, CDU und Grüne der AfD den Weg bereiten

Hendrik Wüst, CDU-Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, schüttelt einer neuen Rekrutin der Bundeswehr bei einer Vereidigungszeremonie vor dem Landtag von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf am Donnerstag, 4. September 2025, die Hand [AP Photo]

Am Sonntag, den 14. September, finden in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen statt. Rund 13,7 Millionen Wahlberechtigte entscheiden über Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte sowie über Oberbürgermeister und Bürgermeister – darunter erstmals auch Jugendliche ab 16 Jahren. Sieben Monate nach der Bundestagswahl gilt die Abstimmung als Stimmungstest für die Regierung von Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD). Umfragen zufolge wird die AfD von der aktuellen politischen Lage profitieren, die SPD erneut eine historische Niederlage erleiden.

In den Kommunen manifestiert sich die Bundes- und Landespolitik konkret. Die sozialen Kürzungen, die Bundes- und Landesregierung beschließen, werden hier praktisch umgesetzt: Geschlossene Schwimmbäder und Bibliotheken, marode Straßen und Brücken, mangelnde Kita-Plätze, ausgedünnte Gesundheitsversorgung und reduzierte kommunale Dienstleistungen.

Die Kommunen sind so hoch verschuldet wie noch nie. Im letzten Jahr machten sie ein Rekorddefizit von über 24 Milliarden Euro. Die Gesamtschulden liegen über 320 Milliarden Euro. Von den bundesweiten kommunalen Gesamtschulden stammen mehr als 40 Prozent aus NRW.

Doch die von der Bundesregierung angekündigten 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur gehen, anders als behauptet, nur zu einem Fünftel in die Länder und Kommunen. In NRW müssen sich 427 Kommunen mit der Landesregierung um den vom Bund für NRW zugedachten Anteil von wenigen Milliarden Euro streiten.

Diese Gelder werden dann nur unter einem Aspekt investiert, dem der Kriegsvorbereitung. Die Brücken, Straßen und Schienen sollen Panzer, Waffen und Truppen tragen können, die Krankenhäuser müssen im Kriegsfall Tausende von Verletzten und Verwundeten aufnehmen können, die IT-Netze sollen vor Cyberangriffen geschützt sein. Schon jetzt erklären hochrangige Vertreter der Bundeswehr den Bürgermeistern und Landräten, wie sie ihre Kommunen auf den Kriegsfall vorzubereiten haben.

Alle Investitionen, die nicht kriegsrelevant sind, stehen hingegen auf der Streichliste. Die Verwahrlosung zahlreicher Städte, insbesondere in den großen Ballungszentren an Rhein und Ruhr, wird weitergehen. Wenn die kommunalen Kandidatinnen und Kandidaten ehrlich wären, müssten sie erklären, wie sie die kommenden Milliardenkürzungen für Aufrüstung und Krieg zu verwirklichen gedenken. Stattdessen fabulieren sie von „bezahlbarem Wohnraum“, „funktionierendem ÖPNV“, „mehr Kitas“, „besseren Schulen“ usw.

Die kommende Streichorgie trifft im Ruhrgebiet auf verbrannte Erde. Die Städte von Duisburg bis Dortmund mit ihren über 5 Millionen Einwohnern sind bereits durch den jahrzehntelangen Niedergang der Kohle- und Stahlindustrie zu den Armenhäusern Deutschlands mutiert. Jeder fünfte Erwachsene und jedes vierte Kind leben in Armut.

In den nördlichen Städten und Stadtteilen des Ruhrgebiets lebt teilweise jede zweite Familie von Bürgergeld oder ähnlichen Leistungen. Duisburg und Gelsenkirchen haben mit 13,4 und 15,5 Prozent die bundesweit höchsten Arbeitslosenquoten. Die Ankündigung von Thyssenkrupp Stahl, das den Großteil seiner 27.000 Mitarbeitenden vor allem im Ruhrgebiet beschäftigt, 11.000 Arbeitsplätze zu vernichten, wird die Abwärtsspirale weiterdrehen.

Bis vor drei Jahrzehnten beherrschten die Sozialdemokraten das Ruhrgebiet. Sie konnten aufstellen, wen sie wollten, die SPD-Kandidaten wurden gewählt. So entstand das Bild des Ruhrgebiets als „Herzkammer der SPD“. Doch das ist schon lange vorbei. Dafür sorgt die SPD-Politik und nicht zuletzt der lokale Filz, die Korruption und Unfähigkeit sozialdemokratischer Lokalpolitikerinnen und -politiker. In Essen und Mülheim besetzt schon länger die CDU die Oberbürgermeister-Posten.

Bei der Bundestagswahl 2025 hat die CDU im Ruhrgebiet mit 26,2% erstmals die SPD (23,6%) als stärkste Partei überholt. Die AfD erzielte in NRW 16,8%, in 20 Städten holten die Rechtsextremen über 20%. In Gelsenkirchen war sie mit 24,7% stärkste Partei.

In den Umfragen liegt die CDU bei rund 32 %, vor allem stark im ländlichen Raum und in Städten wie Düsseldorf. Die SPD fällt mit etwa 22% deutlich zurück, besonders im Ruhrgebiet, wo frühere Hochburgen an die AfD verloren gehen könnten. In Städten wie Duisburg und Gelsenkirchen erreichen die AfD-Kandidaten für die Oberbürgermeisterposten wahrscheinlich die Stichwahlen am 28. September.

Die Grünen rutschen von 20 auf 14% ab, hoffen aber auf Achtungsergebnisse in Bonn, Münster, Aachen und Köln. Linke und BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) dürften nur in einigen Universitäts- und Ruhrgebietsstädten eine Rolle spielen.

Allerorten betreiben die Bewerber und Amtsinhaber der etablierten Parteien das Geschäft der Rechten. Sie machen weniger die massiven Kürzungen zum Hauptproblem und zur Ursache für Verwahrlosung, Kriminalität und Armut, als den „ungehinderten Zuzug“ von Geflüchteten und Migranten, im Ruhrgebiet vor allem aus Bulgarien und Rumänien.

Berüchtigt ist der Ausspruch des amtierenden und erneut kandidierenden Duisburger SPD-Oberbürgermeisters Sören Link aus dem Jahre 2015: „Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.“

In vielen Städten gehen die Verwaltungen systematisch gegen die Arbeitsmigranten aus diesen beiden Ländern vor, doch nirgendwo so rigoros wie in Duisburg. Dort hatte die SPD schon vor über zehn Jahren eine städtische Sondereinheit, die „Task Force Problemimmobilien“, eingerichtet. Deren Leidtragende sind nicht die Immobilienbesitzer, die den Arbeiterfamilien, die sich zu Sklavenlöhnen vor allem in Zeit- und Schwarzarbeit verdingen, abrissreife Wohnungen für viel Geld vermieten, sondern die Bewohner selbst. Sie müssen meist innerhalb weniger Stunden mit all ihrem Hab und Gut ihre Wohnungen verlassen, ohne zu wissen, wo sie unterkommen.

Derweil drangsaliert die CDU-Grünen-Landesregierung unter Ministerpräsident Hendrik Wüst und Innenminister Herbert Reul (beide CDU) Migranten mit Razzien. Reul sieht in jedem von Migranten geführten Friseurladen und in jeder Shisha-Bar potenzielle Strukturen der „Clankriminalität“.

Für Irritationen sorgt in einigen Großstädten die Erweiterung der Wahlberechtigung für die Integrationsräte. Kommunen mit mehr als 5000 Einwohnern nichtdeutscher Staatsangehörigkeit müssen diese einrichten. Während EU-Ausländer bei den Kommunalwahlen stimmberechtigt sind, haben allen anderen Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit kein Wahlrecht – egal wie lange sie in Deutschland leben und arbeiten. Die Integrationsräte dienen als Alibi-Veranstaltung, um auch für sie eine „Mitbestimmung“ vorzugaukeln. Sie haben weder ein Mitspracherecht noch Entscheidungsgewalt und dürfen lediglich „Stellungnahmen abgeben“. Die Wahlbeteiligung lag daher stets nur zwischen 15 und 25 Prozent.

Nun haben in mehreren Städten erstmalig auch Deutsche mit Migrationsgeschichte eine Wahlbenachrichtigung für die Integrationsräte erhalten. Die Gesetzesänderung hatte zwar schon 2013 die rot-grüne Landesregierung unter Hannelore Kraft (SPD) beschlossen, sie war aber nicht überall umgesetzt worden.

Für „eingebürgerte Migranten, Deutsche mit doppelter Staatsangehörigkeit, Spätaussiedler“ und „Kinder ausländischer Eltern“ mit deutschem Pass ist die Botschaft klar: „Nicht der Pass entscheidet, ob ihr dazugehört, sondern euer Blut.“

Unter diesen Bedingungen – soziale Verwüstung, Armut, Abbau kommunaler Angebote, Spaltung und Hetze – wächst vor allem eine Partei, die AfD. Sie nutzt die Wut und Frustration über die jahrzehntelange Politik der etablierten Parteien für ihre Agenda. Die AfD, die noch rigorosere Kürzungen befürwortet und noch höhere Ausgaben für die Bundeswehr fordert, behauptet, denjenigen eine Stimme zu geben, die sich von den anderen Parteien nicht mehr vertreten fühlen.

Doch die AfD ist ein Produkt der Herrschenden, entstanden aus rechten und neoliberalen Teilen bürgerlicher Parteien wie der CDU und FDP. Sie hat inzwischen weite Teile der faschistischen Szene in Deutschland integriert und wird gezielt gestärkt. Die Bundesregierung setzt mit ihrem Militarismus und der menschenverachtenden Flüchtlingspolitik weite Teile des Programms der Faschisten in die Tat um.

Die AfD wird gebraucht, um die eine Billion Euro wieder einzutreiben, die für Aufrüstung und Krieg verschleudert werden. Innerhalb der CDU gibt es inzwischen einen großen Flügel, repräsentiert unter anderen von Jens Spahn und Julia Klöckner, der eine Koalition mit der AfD anstrebt.

Um der Gefahr von rechts wirksam entgegentreten zu können, ist der Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei notwendig. Arbeiterinnen und Arbeiter müssen sich unabhängig von Nationalität und Herkunft und über alle Grenzen hinweg gegen die Herrschenden in Wirtschaft und Politik vereinen. Die gesamten gesellschaftlichen Ressourcen müssen im Interesse derjenigen eingesetzt werden, die diese Ressourcen schaffen – für gute Löhne, Renten, Gesundheitsversorgung, Bildung und Kultur und nicht für Krieg und Ausbeutung im Interesse der Banken, Konzerne und ihrer reichen Aktionäre sowie ihrer Lakaien in der Politik.

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