Perspektive

Charlie Kirk: Der Horst Wessel der MAGA-Bewegung

Donald Trump mit Charlie Kirk am 23. Juli 2022 in Tampa, Florida. [AP Photo/Phelan M. Ebenhack]

In den 36 Stunden nach der Ermordung von Charlie Kirk ist dieser posthum zum Nationalhelden erhoben worden – ein faschistischer Polit-Aktivist, dessen Umtriebe von milliardenschweren Oligarchen großzügig finanziert wurden und für die er Millionen von Dollar erhielt. Die Trump-Regierung greift erneut auf die Propagandataktiken von Hitler und Goebbels zurück und stellt Kirk als politischen Märtyrer dar, als amerikanische Version des deutschen Nazis Horst Wessel. Nach dessen gewaltsamem Tod im Februar 1930 priesen die Nazis Wessel als Vorbild für die patriotische Jugend Deutschlands. Ein Lied zu Ehren von Wessels Andenken, das berüchtigte „Horst-Wessel-Lied“, wurde zur Hymne der NSDAP.

In einem ähnlichen Prozess der politischen Heiligsprechung wird Charlie Kirk zum Horst Wessel der faschistischen MAGA-Bewegung in den USA.

Dass die Trump-Regierung und ihre faschistischen Anhänger Kirks Tod für ihre politischen Zwecke ausnutzen würden, ist keine Überraschung. Aber die Wirkung der Propagandakampagne wurde noch verstärkt durch die Kollaboration der Demokratischen Partei und der etablierten Medien.

Die Demokraten und die Medien akzeptieren die Lügen von Trump und seinen Handlangern – dass Kirk im Dienste der Demokratie und der freien Meinungsäußerung gestorben sei – und stellen die rechte Darstellung der Ereignisse nicht in Frage. Sie erwähnen nicht einmal, dass Kirks Anwesenheit an der Utah Valley University auf massiven Widerstand in der Bevölkerung gestoßen war. In einer Petition, die vor Kirks Ankunft von mehreren tausend Menschen unterzeichnet worden war, hieß es:

Als Studierende der Utah Valley University schätzen wir ein Umfeld, das sich für Inklusion und Vielfalt einsetzt. Der geplante Auftritt von Charlie Kirk bedroht jedoch dieses Ideal. Kirks Anwesenheit und die Botschaften, die er vermittelt, stehen im Widerspruch zu den Werten des Verständnisses, der Akzeptanz und des Fortschritts, die vielen von uns am Herzen liegen.

Es ist unerlässlich, dass die UVU ihre Entscheidung, Charlie Kirk sprechen zu lassen, überdenkt. Wir setzen uns für Redner ein, die Inklusion und Einigkeit fördern, anstatt Spaltung. Universitäten sollen Orte des Lernens, des Wachstums und der Einigkeit sein. Jemandem eine Plattform zu geben, dessen Ansichten in direktem Widerspruch zu diesen Prinzipien stehen, untergräbt das Bekenntnis der UVU, „ein Ort für dich“ zu sein.

Während sie diese wichtige Tatsache über seine verhängnisvolle Reise ins Utah Valley verschweigen, beteiligen sich die Demokraten und die Medien daran, die übelsten Aspekte der Karriere des rechten Aktivisten zu vertuschen. In den Medien werden Kirks Äußerungen mit keinem Wort erwähnt; darunter finden sich Aussagen wie „Juden kontrollieren ... die Hochschulen, die gemeinnützigen Organisationen, die Filme, Hollywood, einfach alles“, „die philosophische Grundlage der Bewegung gegen Weiße wurde größtenteils von jüdischen Spendern finanziert“ und „wir haben einen großen Fehler gemacht, als wir in den 1960er Jahren das Bürgerrechtsgesetz verabschiedet haben.“

Im Rahmen dieser politischen Schönfärberei wurde die Verwendung des Wortes „faschistisch“ zur Beschreibung von Kirks politischen Ansichten faktisch verboten, obwohl dies neben „rassistisch“, „frauenfeindlich“, „intolerant“ und „White Supremacist“ die einzig zutreffende Beschreibung ist.

Dass es sich hierbei um eine explizite politische Anweisung der Chefs der großen Medien handelt, wurde deutlich, als MSNBC – angeblich der liberalste TV-Sender – den Kommentator Matthew Dowd entließ, weil er Kirk als Verfechter von „Hassreden … gegen bestimmte Gruppen“ bezeichnete und damit andeutete, dass der faschistische Agitator nun die Folgen seines Handelns zu spüren bekommen habe.

Dowd ist kaum als Linker zu bezeichnen; er war als Leiter der Meinungsumfragen für das Nationalkomitee der Republikaner tätig und leitete 2004 die Wiederwahlkampagne von Präsident George W. Bush, bevor er zum Fernsehen wechselte. Aber selbst seine eher zurückhaltende Charakterisierung von Kirk und Turning Point USA wurde nach dem Attentat für tabu erklärt.

Trump und die faschistische Rechte haben Kirks Tod zum Anlass genommen, um mit massiver Unterdrückung und Gewalt gegen ihre Gegner zu drohen. Am Mittwoch verurteilte Trump diejenigen, die „wunderbare Amerikaner wie Charlie mit Nazis verglichen“ hatten, und schwor, dass seine Regierung „jeden einzelnen finden werde, der zu dieser Gräueltat beigetragen hat.“ Am nächsten Morgen kündigte er an, dass er Kirk posthum die Presidential Medal of Freedom verleihen werde, als erstem bekennenden Faschisten, der diese Auszeichnung erhält.

Trump äußert diese Drohungen, obwohl noch keine Informationen über die Identität des Schützen oder sein Motiv vorliegen. Dies macht nur umso deutlicher, zu welchem politischen Zweck der Mord instrumentalisiert wird.

Für seine Anhänger bei Make America Great Again, Turning Point USA, Fox News, Newsmax, Breitbart und der ganzen Palette von milliardenschweren rechtsextremen Medien ist der Mord an Kirk Anlass, mit Rache und Blutvergießen zu drohen. Auch die World Socialist Web Site hat als Reaktion auf ihre erste Analyse gewaltsame Drohungen erhalten.

Trumps Sohn Eric twitterte, er sei es leid, dass die Kugeln nur in eine Richtung fliegen, und versuchte, ein zutiefst falsches Bild von friedlichen Trump-Anhängern zu zeichnen, die unter Beschuss von „linken Irren“ stehen. Der republikanische Abgeordnete Derrick Van Orden aus Wisconsin wartete nicht etwa ab, bis er mehr über die Motive oder das Profil des Schützen erfahren hätte, bevor er seine politischen Gegner und die Medien verurteilte. „Die Linken und ihre Politik führen Amerika in einen Bürgerkrieg“, schrieb er in den sozialen Medien. „Die Samthandschuhe sind ausgezogen. Das werde ich verteidigen.“

Die rechten sozialen Medien waren voll von solchen Klischees, und manches wurde bereits in die Tat umgesetzt. Anrufe mit Bombendrohungen führten zur Schließung von sieben historisch schwarzen Colleges und Universitäten (HBCUs), darunter die Alabama State University, die Virginia State University, die Hampton University, das Spelman College, die Southern University und das A&M College, die Clark Atlanta University und die Bethune-Cookman University. Eine ähnliche Bombendrohung ging beim Büro des Nationalkomitees der Demokraten in Washington ein.

Die Verurteilungen „politischer Gewalt“ durch Trump und die Republikaner stinken zum Himmel vor Heuchelei. Dieselben Kräfte haben den Putschversuch vom 6. Januar 2021 orchestriert, Attentäter wie Kyle Rittenhouse gefeiert und während der Pandemie zu Waffengewalt und Einschüchterung von Gesundheitsbeamten aufgerufen. Ihre Verschwörungsmythen wurden zur Inspiration für Attentäter von Christchurch über El Paso bis Buffalo; für den Plan, die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, zu entführen und zu ermorden; sowie für den gewalttätigen Angriff, bei dem der Ehemann der damaligen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, beinahe getötet worden wäre.

Vor nur drei Monaten wurden die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses von Minnesota und ihr Ehemann von einem Attentäter ermordet, der sich zu christlich-nationalistischen und abtreibungsfeindlichen Ansichten bekannte. Die Reaktion von Trump & Co. bestand darin, über die Motive des Mörders zu lügen – sie behaupteten, er sei ein Linker gewesen – und die faschistische Hetze zu verstärken, die Nachahmer inspirieren sollte.

Die Reaktion führender Demokraten auf die Ermordung von Kirk bestand aus einer Mischung von Feigheit und Unterwürfigkeit. Sie haben Kirk posthum verehrt und legitimieren damit seine lange Geschichte von faschistischer Agitation und von Hetze gegen ethnische Minderheiten, Homosexuelle, Frauen, Einwanderer und praktisch jeden, der sich gegen eine Republikanische Partei stellt, die sich unter Trumps Herrschaft zum persönlichen Instrument eines Möchtegern-Diktators gewandelt hat.

Das galt nicht nur für führende Kongressabgeordnete wie Senator Chuck Schumer und den Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, sondern auch für die sogenannten „Linken“ wie Senator Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, Mitglied der Democratic Socialists of America. Ocasio-Cortez erklärte am Donnerstag, dass sie eine geplante Kundgebung in North Carolina verschieben werde, teils aus Sicherheitsgründen, teils aber auch aus Respekt vor Kirk.

Die einheitliche Linie der Demokratischen Partei, die wie aus einem Leierkasten wiederholt wird, lautet: „Gewalt hat in der amerikanischen Politik keinen Platz“ oder, wie die New York Times in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Leitartikel schrieb: „Solche Gewalt ist das Gegenteil von Amerika.“ Wem wollen sie das weismachen? Der Bürgerrechtler H. Rap Brown bemerkte einmal treffend: „Gewalt ist so amerikanisch wie Kirschkuchen.“

Keiner der Demokraten, die auf die Ermordung von Kirk reagierten, brachte es über sich, auch nur den grundlegenden Punkt anzusprechen, dass der Präsident der Vereinigten Staaten systematisch Gewalt gegen seine politischen Gegner gefördert hat, darunter auch führende Demokraten. Darüber hinaus hat Trump vor einer Woche elf Menschen auf einem kleinen Boot vor der Küste Venezuelas ermordet und Chicago, eine der größten Städte des Landes, wörtlich mit „Krieg“ bedroht – ganz zu schweigen von dem anhaltenden Völkermord in Gaza, der von beiden Parteien unterstützt wird und Zehntausende Menschen das Leben gekostet hat. Die gesamte herrschende Klasse watet in Blut.

Die Feigheit und die Komplizenschaft der Demokratischen Partei kommen in der Reaktion von Ezra Klein auf den Punkt, dem Kolumnisten der New York Times und Berater der Demokratischen Partei. Klein griff das Hauptthema von Trumps Rede auf und erklärte, die Morde zeigten die Gefahr einer „Entmenschlichung“ politischer Gegner. „Es hat schreckliche Folgen, wenn Menschen durch die Sprache als unverbesserlich, als Monster statt als Gegner dargestellt werden“, schrieb er. „Wenn man jahrelang Menschen als Faschisten bezeichnet, sollte man sich nicht wundern, wenn einige anfangen zu glauben, dass man sie mit Gewalt bekämpfen muss.“

Klein wies die Anschuldigung, dass Kirk tatsächlich ein Faschist war, entschieden zurück und fuhr fort: „Man kann vieles, woran Kirk glaubte, ablehnen, aber die folgende Aussage ist dennoch wahr: Kirk betrieb Politik auf genau die richtige Art und Weise. Er trat an Universitäten auf und sprach mit jedem, der mit ihm sprechen wollte. Er war einer der effektivsten Überzeugungskünstler seiner Zeit.“ Hätte Klein in den 1930er Jahren geschrieben, er hätte dasselbe über Hitler gesagt.

Kleins Lob erinnert an die Bemerkung von Leo Trotzki, dass Gewalt nicht nur erobert, sondern auch überzeugt. Anstatt gegen die extreme Rechte aufzustehen, passen sich die Medien und die Führungsspitze der Demokratischen Partei ihr an. Es gibt Leute, die sagen werden, dass die Demokraten auf die politische Realität reagieren. Tatsächlich überschätzen sie, teils aus Feigheit, teils aus Selbstrechtfertigung, die tatsächliche Macht von Trump und das Verhältnis der sozialen Kräfte innerhalb der Vereinigten Staaten und international. Die Milliardäre und Multimillionäre machen nur einen winzigen Bruchteil der Gesellschaft aus. Die Arbeiterklasse, die massive gesellschaftliche Kraft, die die Produktivkräfte betreibt, bildet die überwältigende Mehrheit der amerikanischen und der Weltbevölkerung.

Noch grundlegender ist, dass hinter der Reaktion aller Fraktionen innerhalb des politischen Establishments Klasseninteressen stehen. Die hysterischen Verurteilungen der „verrückten Linken“ durch die extreme Rechte sind Ausdruck der Ängste der Oligarchie, die jede Form von Kritik an der amerikanischen Gesellschaft als Bedrohung ihres Reichtums ansieht.

Die Anpassung der Demokratischen Partei an Kirk und die Rechte spiegelt ihren eigenen Klassencharakter wider. Sie vertritt die Wall Street und die Konzern- und Finanzoligarchie. Ihr Anliegen ist es nicht, die Bevölkerung auf die Gefahr des Faschismus aufmerksam zu machen, sondern sie zu betäuben und den Massenwiderstand zu unterdrücken, der die kapitalistische Herrschaft bedrohen würde.

Einige junge Menschen, die von Kirks reaktionärer Politik angewidert sind, haben mit Genugtuung reagiert, ähnlich wie andere die Ermordung des CEOs von UnitedHealthcare in New York im letzten Jahr begrüßt haben. Diese Haltung ist zutiefst falsch. Individuelle Gewalttaten lösen nichts. Sie spielen nur der extremen Rechten in die Hände, stärken den Staat und bekräftigen das Argument, dass Repression notwendig sei.

Wie Trotzki 1939 in einem Essay schrieb, den er verfasste, nachdem der 17-jährige Herschel Grynszpan den Nazi-Diplomaten Ernst vom Rath erschossen hatte: „Nicht der isolierte Rächer, sondern nur eine große revolutionäre Massenbewegung kann die Unterdrückten befreien, eine Bewegung, die vom ganzen System der Klassenausbeutung, der nationalen Unterdrückung und der Rassenverfolgung nichts bestehen lässt.“ Um den Faschismus zu besiegen, „müssen Millionen, zehn und hunderte Millionen Unterdrückte auf der ganzen Welt mobilisiert und zum Sturm auf die Grundlagen der alten Gesellschaft geführt werden.“

Das ist die grundlegende Frage, mit der Arbeiter und Jugendliche heute in den USA und international konfrontiert sind. Der Kampf gegen den Faschismus kann weder mit den Methoden individueller Racheakte geführt noch der Demokratischen Partei oder einer Fraktion des politischen Establishments der herrschenden Klasse anvertraut werden. Er erfordert die bewusste und organisierte Mobilisierung der Arbeiterklasse, der überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft, auf der Grundlage eines sozialistischen Programms.

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