Aktionskomitees für den Kampf gegen Macron und Krieg - eine Antwort auf Mélenchon

Die französische Regierung ist inmitten einer historischen Haushaltskrise gestürzt und am 10. September hat ein erster über soziale Medien organisierter Massenprotest stattgefunden: Diese Entwicklung offenbart die Krise der kapitalistischen Herrschaft. Während die NATO-Mächte ihre Rüstungsausgaben erhöhen und die Kriegshysterie gegen Russland eskalieren, stehen Frankreich und andere europäische Länder am Rande des Staatsbankrotts. Die große Frage lautet: Wie kann die Arbeiterklasse eingreifen, um massive soziale Angriffe auf die Bevölkerung und eine weitere Eskalation des Krieges zu verhindern?

Die Krise legt auch die Mechanismen offen, die das politische Establishment einsetzt, um die Opposition der Arbeiterklasse zu demobilisieren - in Frankreich vor allem die Partei La France Insoumise (LFI) von Jean-Luc Mélenchon.

Jean-Luc Mélenchon im Palais de la Musique et des Congrès de Strasbourg am 19. Januar 2022 [Photo by Thomas Bresson / CC BY 4.0]

In seinem Blogbeitrag zum Protest vom 10. September mit dem Titel „1000 Schnitte schlagen eine Bresche“ behauptet Mélenchon, dass es ausreicht, ein paar Aufrufe zur Absetzung des verhassten französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu veröffentlichen. Eine Bürgerrevolution werde sich daraufhin spontan entfalten:

Es reicht, wenn wir die Situation reifen lassen. Zwei Regierungen sind bereits gestürzt, was den Grad der Destabilisierung der höheren Ebenen beweist. Mit einem guten Aktionsplan haben wir einfach einen Anstoß gegeben, um das Ziel zu erreichen. Das Ergebnis stand in keinem Verhältnis zu den Mitteln, die wir eingesetzt haben. …

Es ist sinnlos, sich zu überanstrengen, um mehr zu tun. [Die Höhergestellten] blenden sich selbst und erweisen sich damit als unfähig, mit der kommenden Revolte umzugehen. Die Bürgerrevolution, die in den Köpfen der Menschen heranreift, ähnelt eher einer elementaren Naturgewalt als irgendeinem Komplott, das sich alte, vor dem Fernseher zitternde Spießer ausdenken.

Dies ist ein völlig unverantwortlicher, ja reaktionärer Versuch, die Arbeiter einzulullen. Eine Explosion politischer Wut steht bevor, aber die Arbeiterklasse muss sich auf die revolutionären Herausforderungen vorbereiten, die sich daraus ergeben. Die bürgerliche Konterrevolution wird rücksichtslos zuschlagen und dabei nicht nur die Polizei, sondern auch die Macht der Banken und vor allem die demobilisierende Rolle des Gewerkschaftsapparats nutzen, mit dem die LFI verbunden ist.

Die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie zeigte sich deutlich im Jahr 2023 beim Kampf gegen Macrons massiv unpopuläre Rentenkürzungen. Millionen von Menschen streikten, und in ganz Frankreich kam es zu Unruhen, doch die Gewerkschaftsspitzen hielten die Proteste nieder und beendeten die Streiks, nachdem Macron das Rentenkürzungsgesetz erlassen hatte. Die Arbeiter müssen gewarnt werden: Während die Gewerkschaftsapparate ihr „Konklave“ mit dem neuen Premierminister Sébastien Lecornu fortsetzen, sind sie dabei, dieselbe Rolle erneut zu spielen.

Die Arbeiterklasse muss ihre eigenen unabhängigen Kampforganisationen, d.h. Aktionskomitees in Betrieben, Schulen, Hochschulen und Arbeitervierteln aufbauen, um die Kontrolle über ihre Kämpfe zu behalten und sie nicht den Gewerkschaftsapparaten zu überlassen. Die Krise der kapitalistischen Herrschaft in Frankreich und ganz Europa kann nicht durch eine „Bürgerrevolution“ an den Wahlurnen in Frankreich gelöst werden, wie die LFI vorschlägt. Nur eine sozialistische Revolution, die sich in ganz Europa und international entfaltet und die kapitalistische Oligarchie enteignet, kann einen Zusammenbruch des Lebensstandards und eine weitere Eskalation des Krieges verhindern.

Während sich Mélenchon in seinem Blogbeitrag erneut über die „angebliche Schuldenkrise“ mokiert, gibt es in Wirklichkeit eine tödliche Krise des Kapitalismus in Europa. In Frankreich beträgt die Staatsverschuldung 114 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP), in Italien 150 Prozent, in Spanien 104 Prozent und in Großbritannien 102 Prozent. Deutschlands Plan, 1 Billion Euro für die Remilitarisierung auszugeben, könnte die Schulden des deutschen Staats auf 90 Prozent des BIP ansteigen lassen. In ganz Europa geben die Länder Hunderte Milliarden Euro aus, um ihre Schulden bei den Banken zu bedienen. Sie fordern, Hunderte Milliarden für die Aufrüstung ihrer Streitkräfte auszugeben, um sich auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten.

Die französische Haushaltskrise ist ein deutliches Beispiel für die Probleme, die sich der Arbeiterklasse in ganz Europa stellen. Bei Steuereinnahmen von 330 Mrd. Euro gibt der französische Staat 100 Mrd. Euro für den Schuldendienst und 50 Mrd. Euro für das Militär aus und verspricht, seine Militärausgaben um weitere 100 Mrd. Euro auf 5 Prozent des BIP zu erhöhen. Wenn die Bourgeoisie ihre Kriegspläne und die massiven Abfindungen für die Banken durchsetzen kann, wird sie im gleichen Zug den Sozialstaat aushöhlen und zerstören. In einer Erklärung der Parti de l'égalité socialiste (PES) heißt es:

Es gibt zwei unversöhnliche Alternativen: Entweder errichtet die kapitalistische Oligarchie eine faschistische Diktatur, um die Arbeiterklasse zu unterdrücken, oder die Arbeiterklasse führt einen revolutionären Kampf auf der Grundlage eines sozialistischen Programms, um die Oligarchen zu enteignen. Dafür muss sie die Zwangsjacke der Gewerkschaftsapparate durchbrechen, indem sie echte Arbeiterorganisationen aufbaut, die sich dem Klassenkampf verschrieben haben.

Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) ruft dazu auf, dass die Arbeiter in allen Betrieben und Arbeitsplätzen den Gewerkschaftsbürokratien die Macht entreißen und selbst die Kontrolle übernehmen. Die Aktionskomitees als neue Formen der Klassenorganisation, in denen sich die französischen Arbeiter mit ihren Kollegen in ganz Europa zusammenschließen, sind notwendig, um den Widerstand gegen die Unternehmens- und Finanzoligarchie und ihr Programm für Faschismus, Völkermord und Krieg zu organisieren und sie zu besiegen.

Mélenchons Aufruf zur „Bürgerrevolution“ und dazu, die Situation einfach „reifen“ zu lassen, ist ein Versuch, den Einfluss der Gewerkschaftsapparate zu festigen und eine Mobilisierung der Arbeiterklasse zu blockieren. Mélenchon verunglimpft den Kampf für Sozialismus und Arbeitermacht. In seinem Blogbeitrag wirft er seinen Verbündeten im stalinistisch geprägten Gewerkschaftsbund CGT vor, dass sie die Massenproteste der „Gelbwesten“ gegen soziale Ungleichheit verächtlich gemacht haben.

Mélenchon drängt die Gewerkschaftsapparate zu einer verbal freundlichen Haltung gegenüber den Protesten. So soll verschleiert werden, dass sie sich mit Lecornu treffen und Angriffe auf die Renten planen. All dies, um den Widerstand der Arbeiterklasse gegen den nächsten Verrat der Gewerkschaften zu begrenzen. Der Aktionstag am 10. September, schreibt er,

löst nicht alle Probleme, die durch die Aufrechterhaltung einer Trennung zwischen gewerkschaftlichen Aktionen und Massenaktionen der Bevölkerung entstehen. Die rasche Beteiligung von Solidaires am Aktionstag vom 10. September, verstärkt durch mehrere der maßgeblichen Einzelgewerkschaften in der CGT sowie zahlreiche lokale und regionale Gewerkschaftsvertretungen, hat die während der Gelbwesten-Episode entstandene Kluft offensichtlich verringert. …

Dieses Mal hat die CGT den 10. September unterstützt. Aber mit dem Aufruf zum Streik am 18. September hat sie eine Konkurrenz [zwischen den Mobilisierungen am 10. und 18. September] geschaffen, welche die Konvergenz der Kämpfe schwächten. Glücklicherweise hat dies den Erfolg des 10. September und den Massencharakter der Proteste nicht verhindert. Jeder sollte über diese Tatsache nachdenken.

Die Lehre, die Arbeiter aus der Zusammenarbeit der Gewerkschaftsapparate mit Lecornu und der Feindseligkeit von Gewerkschaftsfunktionären gegenüber der Revolution ziehen müssen, lautet: Es ist notwendig, einen kompromisslosen Kampf für den Aufbau unabhängiger Kampforganisationen zu führen, die außerhalb des bestehenden politischen Systems stehen. Aktionskomitess und die IWA-RFC müssen in ganz Europa und darüber hinaus aufgebaut werden.

Mélenchon behauptet auf zynische Weise, er unterstütze die Selbstorganisation der Werktätigen, nur um dann klarzustellen, dass die LFI dabei keine Rolle spielen wird. Tatsächlich versucht er, seine Leser zu beruhigen, dass seine Partei keine revolutionäre Bedrohung darstellt. Er verkündet eine „spontane Strategie“ und ruft zur „Selbstorganisation“ auf. So wäscht die LFI ihre Hände in Unschuld, wenn es um den Aufbau von Kampforganisationen geht, und verteidigt stattdessen die bestehende Ruhe und Ordnung:

Selbstorganisation ist, wie jeder weiß, der Weg, der in der Vision der LFI für Massenaktionen bevorzugt wird. Auf der anderen Seite treffen sich die Faschisten in den Wäldern und trainieren ungestraft in Banden, um Schwarze und Araber zu jagen ... Die 500 Mitglieder des Sicherheitskommandos in der LFI haben keinen vergleichbaren Plan. Sie sind ausschließlich dazu bestimmt, die Ruhe unserer Sitzungen und die persönliche Sicherheit unserer Sprecher zu schützen.

Aber die Selbstorganisation der Arbeiterklasse, d.h. der Aufbau von Kampforganisationen außerhalb des bestehenden politischen Systems, muss errungen werden. Die LFI lässt über ihren führenden Vertreter erklären, dass sie diesen Kampf nicht aufnehmen wird. Mélenchons Erklärung beschreibt auch die Politik zahlreicher kleinerer kleinbürgerlicher Organisationen, die sein Bündnis der Nouveau Front Populaire mit den Sozialdemokraten und Stalinisten unterstützt haben. Alle diese Organisationen behaupten, sie müssten Druck auf die Gewerkschaftsapparate ausüben, damit diese letztlich einen „Schlachtplan“ vorlegen.

Die Engagiertesten und Kämpferischsten unter den Arbeitern und Jugendlichen müssen daher einen unabhängigen Weg einschlagen und für den Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees auf breiter Ebene kämpfen. Die politische Organisation, die in Frankreich von und in der Arbeiterklasse aufgebaut werden muss, um die politische Führung eines solchen Kampfes zu übernehmen, ist nicht die LFI, sondern die PES.

Loading