Kommunalwahlen in NRW: AfD gewinnt in ehemaligen SPD-Hochburgen

Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen hat die AfD die Wut und Frustration über die jahrzehntelange Politik der etablierten Parteien ausnutzen können und ihren Stimmenanteil fast verdreifacht. In Teilen des Ruhrgebiets ist sie nun stärkste Kraft.

Gemeinsame Demonstration von 81 Organisationen und Gruppen gegen den AfD-Parteitag in Köln 2017 [Photo by Elke Wetzig / CC BY-SA 4.0]

Die Wahl vom Sonntag war die erste größere Wahl nach den Bundestagswahlen vom Februar und galt daher auch als Stimmungstest. Von den rund 13,7 Millionen Wahlberechtigten gaben 56,8 Prozent ihre Stimmen ab. Das ist die höchste Beteiligung an NRW-Kommunalwahlen seit 1994 – und damals fand gleichzeitig die Bundestagswahl statt.

Die CDU konnte sich mit 33,3 Prozent nur knapp als landesweit stärkste Partei halten und rutschte im Vergleich zu den letzten Kommunalwahlen 2020 um ein Prozent ab. Die SPD verlor von ihrem ohnehin schlechten Ergebnis vor fünf Jahren nochmal 2,2 Prozent und erreichte in ihrem Stammland – das viele als ehemalige Herzkammer der SPD bezeichnen – nur noch 22,1 Prozent. Die AfD konnte ihren Stimmenanteil fast verdreifachen und erzielte 14,5 Prozent (plus 9,4).

Für die beiden Parteien der aktuellen Bundesregierung war es das jeweils schlechteste Kommunalwahlergebnis seit Gründung des Landes NRW im Jahr 1946. Auch die Grünen mit 13,5 Prozent (minus 6,5) haben stark verloren, die FDP ist mit 3,7 Prozent (minus 1,9) in die Bedeutungslosigkeit abgesackt.

Das ist das direkte Ergebnis der sozialen Verwüstung, die in den letzten drei bis vier Jahrzehnten von diesen Parteien insbesondere im Ruhrgebiet angerichtet und zuletzt beschleunigt wurde. Auf Bundesebene hatte 2021 die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) die „Zeitenwende“ ausgerufen, 100 Milliarden Euro in Aufrüstung und Krieg gesteckt und dafür die arbeitende Bevölkerung zahlen lassen, mit Sozialabbau, Kürzungen in der sozialen Infrastruktur, Entlassungen und Lohnsenkungen. Die jetzige Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD) hat sich vorgenommen, auf die wachsende kapitalistische Krise und die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten mit der Eskalation dieser sozialen Umverteilung zu reagieren.

Eine Billion Euro sollen in Krieg und Aufrüstung fließen. Die dadurch nötigen sozialen Angriffe werden gewaltig und treffen gerade im Ruhrgebiet auf bereits verbrannte Erde: geschlossene Schwimmbäder und Bibliotheken, mangelnde Kita-Plätze, ausgedünnte Gesundheitsversorgung, kaputtgesparte Kultureinrichtungen und reduzierte kommunale Dienstleistungen. Die Verwahrlosung zahlreicher Städte, insbesondere in den großen Ballungszentren an Rhein und Ruhr, wird weitergetrieben werden.

Diese Politik und die dadurch in Teilen der Arbeiterklasse geschaffene Frustration nutzt die AfD. Jahrzehntelang war die Dominanz der Montanindustrie im Ruhrgebiet gleichbedeutend mit der Dominanz der SPD. Mit dem Niedergang von Kohle und Stahl verarmten die Städte, die SPD setzte vor Ort massive Kürzungen durch. Die Arbeitslosen- und Armutsquoten sind die höchsten im Land.

Am Sonntag lag die AfD in Gelsenkirchen mit 29,9 % nur knapp hinter der SPD (30,4 %) und geht mit ihrem Kandidaten in die Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt. In Duisburg erzielte die rechtsextreme Partei 21,2 %, in Hagen 22,4 %; auch hier zieht die AfD in die Stichwahlen ein. In einigen Stimmbezirken holte die AfD mehr als die Hälfte der Stimmen, so etwa in Duisburg-Obermeiderich (59 % bei 21,4 % Wahlbeteiligung) oder in Gelsenkirchen-Scholven (53,6 % bei 34 % Wahlbeteiligung).

Das Anwachsen der AfD hat zwei Hauptgründe. Erstens wird sie bewusst von den Herrschenden aufgebaut. Die historischen Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Sozialstaat, mit den Handelskrieg und Krieg vorbereitet werden, sind nicht mit demokratischen Mitteln durchzusetzen. So wie in den USA die Trump-Regierung eine faschistische Diktatur aufbaut, werden in allen Ländern die Weichen für autoritäre Herrschaftsformen gestellt.

In Deutschland war die AfD aus den rechten und neoliberalen Rändern von CDU, FDP und deren Umfeld entstanden und ist schrittweise in den offiziellen Politikbetrieb integriert worden. Die angebliche „Brandmauer gegen Rechts“ ist bloßes Geschwätz. Die AfD sitzt in allen parlamentarischen Ausschüssen, leitet mehrere von ihnen und arbeitet eng mit den etablierten Parteien zusammen. Merz selbst hat noch vor der Bundestagswahl im Bundestag mit der AfD gegen Migranten paktiert. Inzwischen wächst der Flügel in der CDU, der mit der rechtsextremen Partei offen koalieren will.

Zudem wird auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene die Politik der AfD von allen Parteien in die Tat umgesetzt. Während die schwarz-rote Bundesregierung das Asylrecht schleift, Grenzkontrollen einführt, soziale und demokratische Rechte von Migranten abschafft, reitet die schwarz-grüne NRW-Landesregierung eine Law- und Order-Kampagne nach der anderen. Zuletzt hat Innenminister Herbert Reul (CDU) angekündigt, bei Straftaten künftig alle Staatsangehörigkeiten von Tatverdächtigen zu erfassen und in der Kriminalstatistik zu benennen, nicht nur die deutsche Staatsangehörigkeit. Die AfD jubelte. Auch der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) ist für seine migrantenfeindliche Hetze bekannt und ebnet der AfD so den Weg.

Während sie die Wut und Verzweiflung aufgreift und diese mit ihren ausländerfeindlichen und rassistischen Parolen in reaktionäre Bahnen lenkt, hat die AfD ein ausgesprochen faschistisches Programm. Die AfD bietet sich an, Krieg und Sozialabbau gegen den wachsenden Widerstand brutal durchzusetzen, um die Profite der Konzerne und die Vermögen der Reichen auf Kosten der Arbeiterklasse zu schützen. Es ist kein Zufall, dass Elon Musk, der reichste Mensch der Welt, rechtsextreme und faschistische Parteien unterstützt – auch die AfD.

Der zweite Hauptgrund für das Anwachsen der AfD ist die Politik der SPD, die schon lange alle Verbindungen mit der Arbeiterklasse gekappt hat. Die in der SPD versammelten Karrieristen, Opportunisten und Apparatschiks organisieren die Angriffe auf die Bevölkerung. Das können sie nur, weil sie eng mit den Gewerkschaften verbandelt sind. Während die SPD in den Ruhrgebietsstädten rigoros den sozialen Kahlschlag durchsetzen, steht unter jeder Werksschließung und unter jedem Vertrag, der den Abbau von Tausenden von Jobs in der Industrie beinhaltet, die Unterschrift eines Gewerkschaftsfunktionärs, meist der IG Metall oder der IG Bergbau, Chemie, Energie. In den letzten 50 Jahren seit 1975 sind die verbleibenden 200.000 Arbeitsplätze in der Kohle- und 400.000 Arbeitsplätze in der Stahlindustrie vernichtet worden, allein im Ruhrgebiet. Nun stehen weitere fast 10.000 Arbeitsplätze bei Thyssenkrupp und HKM (Hüttenwerke Krupp Mannesmann) an, die die IG Metall bereits unterschrieben hat.

Indem die Gewerkschaften alle Angriffe auf die Lebensgrundlagen der Arbeiterklasse durchsetzen und den Klassenkampf unterdrücken, schaffen sie das Klima, in dem die AfD gedeihen kann.

Hinzu kommt, dass diejenigen Parteien und Organisationen, die behaupten, für die Interessen der Arbeiter oder „kleinen Leute“ zu sprechen, die Gewerkschaftsapparate und deren Kahlschlagspolitik verteidigen. Das gilt vor allem für die Linke, einschließlich ihrer Abspaltung „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW). Auch sie unterstützten, wo immer sie die Möglichkeit dazu hat, die SPD in ihrem Kahlschlag. Zahlreiche führende Mitglieder der Linkspartei sind Funktionäre der Gewerkschaften.

Es ist dringend notwendig, dass sich die Arbeiterklasse aus dem Würgegriff der Gewerkschaften befreit und in einen wirklichen Kampf um ihre Arbeitsplätze, Löhne und sozialen Errungenschaften eintritt. Das würde den Rechten schnell das Wasser abgraben und die Situation grundlegend verändern.

Doch dazu müssen sich Arbeiterinnen und Arbeiter in den Werken, Betrieben und Verwaltungen genauso wie in den Wohnvierteln unabhängig in Aktionskomitees organisieren. Sie müssen sich ganz gleich welcher Nationalität und Herkunft über alle Grenzen hinweg gegen die Herrschenden in Wirtschaft und Politik vereinen. Die gesamten gesellschaftlichen Ressourcen müssen im Interesse derjenigen eingesetzt werden, die diese Ressourcen schaffen – für gute Löhne, Renten, Gesundheitsversorgung, Bildung und Kultur und nicht für Krieg und Ausbeutung im Interesse der Banken, Konzerne und ihrer reichen Aktionäre sowie ihrer Lakaien in der Politik. Dafür steht die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) als deutsche Sektion des Internationalen Komittees der Vierten Intenationale (IKVI).

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